Innerer Monolog voller Obsessionen

Von Bernhard Doppler · 21.12.2011
Was die Autoindustrie mit dem Autorentheater verbindet, das kann man jetzt am Wiener Burgtheater sehen, wo das jüngste Stück des Dramatikers Oliver Kluck zur Uraufführung kam. Der 30-Jährige bekam vor zwei Jahren beim Berliner Theatertreffen den Förderpreis.
So erfreulich es ist, wenn die Betreuung neuer Dramatiker nicht auf kleine Werkstattbühnen verbannt und auf kostengünstige Studioproduktionen reduziert wird, bei dem Aufwand, den das Wiener Burgtheater für die Uraufführung von Oliver Klucks "Froschfotzenlederfabrik" betrieben hat, ist zu hoffen, dass er sich für den jungen Dramatiker nicht als Bumerang erweist.

Schauspieler der allerersten Liga mit oft atemberaubend großem Einsatz: Jana Schulz, Michael König, Philipp Hauss, eine liebevolle Ausstattung (Katrin Nottrodt), Videoeinspielungen und sogar ein zusätzlicher Chor von dreizehn Ausländern. Das Kasino des Burgtheaters ist zu einer Varietébühne umgebaut, vor der die Zuschauer an runden Tischchen sitzen, das Bühnengeschehen oft mitten unter ihnen.

Den Text, den Oliver Kluck dem Burgtheater vorgelegt hat, kann man im Programmheft nachlesen. Wenn man will, ist es eine Art innerer Monolog voller Obsessionen - unterteilt durch Überschriften wie: Mutter im Krankenhaus - was die Patienten tatsächlich wollen - meine neue Nase - Onkel Soundso und sein Sohn. Mit Ingrimm bohrt Oliver Kluck sich in die prinzipielle Frage ein, was Arbeit heute bedeutet, Fabrikarbeit, Arbeit und Freizeit, Arbeit und Leistung und lässt in diesen Reflexionen als Figuren unter anderen anskizzierten Personen vor allem ein Paar entstehen und dieses Paar sich in einer Geschichte verlaufen.

Die Geschichte einer Tochter des reichen Fabrikanten, die das Arbeitsethos des Vaters als Pornodarstellerin verinnerlicht hat (Jana Schulz), und die eines Krankenhausarzt und Autoliebhaber, den es hin und wieder in seine beengte Herkunft, die dem "Studenten" reserviert gegenübersteht, treibt (Philipp Hauß). Die Figuren sind keine psychologisch kalkulierten Konstruktionen, ihre Texte schlagen immer wieder in Obsessionen oft voller Klischees und Überzeichnungen um, insofern ist Kluck - theatralisch sehr effektvoll - auch eine Art Thomas-Bernhardscher Übertreibungskünstler.

Anna Bergmanns Inszenierung erschlägt aber mit allzu vielen Einfällen Klucks Textvorgabe und macht daraus eine schrille Theaterrevue, wobei bereits der Einstieg für den Uraufführungsort etwas unglücklich gewählt erscheint: DDR-Werbung und Videos aus dem DDR-Alltag: Für Österreicher dürfte die DDR genauso exotisch erscheinen wie die Geschichte Kirgisistans und auch wenn "Froschfotzenlederfabrik" die Herkunft und Zurückkehren in Kindheit thematisiert, selbst für Oliver Kluck, geboren 1980 auf Rügen, dürfte sie nicht prägend sein. Ärgerlicher noch ist der Chor der Ausländer, denen das Burgtheater offensichtlich für einen kurzen Auftritt Arbeit verschafft hat, es wirkt wie eine sozialpädagogische Spende.

Das Uraufführungspublikum feierte die einsatzeifrigen Schauspieler, aber es gab auch einige ratlose Gesichter. Froschfotzenleder ist ein Lederersatz und der Fabrikant - der Vater der Tochter, also die, die mit dem Arzt zusammentrifft - verwendet dieses Imitat für seinen Artikel, den er lohnkostengünstig im Ausland herstellen lässt, Markenkleidung für Neonazis.
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