Initiative "Weiter Schreiben"

Tandems mit geflüchteten Autoren

Der syrische Flüchtling Ramy Al-Asheq, auch Chefredakteur der Flüchtlingszeitung "Abwab", aufgenommen 2016 in Köln
Der syrisch-palästinensische Dichter und Journalist Ramy al Asheq hat sich bereits mehrfach mit seiner Tandempartnerin, der Lyrikerin Monika Rinck getroffen. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Gesa Ufer · 12.05.2017
Weiter veröffentlichen können, das ist wichtig für geflüchtete Autoren. Genau das bietet das Portal "weiterschreiben.jetzt". Das Besondere: Sie bilden Tandems mit deutschsprachigen Schriftstellern und arbeiten gemeinsam an den Übersetzungen ihrer Texte.
"Das Wichtigste ist weiterschreiben können. Und um weiterschreiben zu können, muss man auch weiter gelesen werden, und deswegen muss man einen Ort finden oder schaffen, an dem sie publiziert werden können, und das ist die Grundidee von weiterschreiben."
Die Schriftstellerin Annika Reich hat diese Grundidee gemeinsam mit Ines Kappert von der Heinrich-Böll-Stiftung weiterentwickelt für die Internetseite "weiterschreiben.jetzt". Im Rahmen des übergeordneten Aktionsbündnisses "Wir machen das" sollen Geflüchtete auf Augenhöhe angesprochen werden – mit deutschsprachigen Tandem-Partnern, die innerhalb weniger Tage gefunden waren. Von den 16 deutschsprachigen Autoren haben einige Flucht und Krise am eigenen Leib erfahren. Lena Gorelik, Nino Haratischwili oder Saša Stanišic zum Beispiel. Doch es gab noch eine Reihe anderer Kriterien, nach denen die Autoren ausgesucht wurden und die Paarungen zustande kamen, erzählt die künstlerische Leiterin Annika Reich.
"Teilweise aus ganz pragmatischen Gründen. Zum Beispiel haben wir Soad Alkahateb und Antje Ravic Strubel. Die eine lebt in Schweden, die andere liebt Schweden. Da haben wir gedacht, das ist doch passend. Die können sich auch mal treffen, und beide sind inhaltlich ausgewiesene Femistinnen – das passt."
Die Berliner Autorin Svenja Leiber, die als Kind eine Weile in Saudi Arabien gelebt hat und seit einem Jahr Arabisch lernt, ist entzückt über ihre Tandem-Partnerin Noor Kanj. Die stammt aus dem Südwesten Syriens und steigt etwas später ins Projekt ein, weil sie gerade ihr zweites Kind bekommen hat. Svenja Leiber hat bei der Gelegenheit schon überraschende Parallelen entdeckt.
"Ich bin immer interessiert an Namen. Also, wie jemand sein Kind nennt, wenn er Dichterin ist oder Dichter. Und Noor ist das arabische Wort für Licht oder die Lichttragende. Und die Tochter von Noor heißt Eve oder Eva. Das sind die Namen meiner Töchter in umgewandelter Form. Die heißen Lucy und Hitta – die Lichttragende und Eva in umgewandelter Form. Und mich begeistern solche Begegnungen in Worten immer sehr."

Beide Seiten habe viel davon

Svenja Leiber, die sich für ihren neuen Roman viel mit der arabischen Sprache und Narration beschäftigt , schwärmt vom Kennenlernen neuer Bilder, vom Reichtum der Worte, von der großen Bereicherung, und Wachheit, die Ihr das Arabische eröffnet.
"Für mich ist das tatsächlich ein einziger riesiger Steinbruch, in dem ich mich herumtreibe."
Das Vergnügen beruht ganz auf Gegenseitigkeit.
Der syrisch-palästinensische Dichter und Journalist Ramy al Asheq lebt seit drei Jahren in Köln und gibt dort die erste arabischsprachige Zeitung von Geflüchteten für Geflüchtete heraus. Er hat sich bereits mehrfach mit seiner Tandempartnerin, der Lyrikerin Monika Rinck getroffen. Gleich beim zweiten Treffen, haben die beiden vier Stunden lang über einem Gedicht von Ramy gebrütet und es gemeinsam ins Deutsche übertragen.
"Für mich ist dies eine neue Stufe in der Willkommenskultur. Ich glaub, es ist nötig, Flüchtlinge nicht mehr als Außenseiter zu denken, die Kleidung und Hilfe benötigen und arm sind. Es ist etwas anderes mit Profis zu arbeiten, die ihre eigenen Erfahrungen mitbringen und auf dem selben intellektuellen Niveau arbeiten, auf Augenhöhe. Hier haben sie die Möglichkeit etwas zurückzugeben. Und ich werde zum Beispiel die Arbeit von Monika Rinck ins Arabische übersetzen."
Einen Erfolg kann die Initiative "Weiter Schreiben" schon jetzt verbuchen: Dass die Autoren weiter schreiben können und – wenigstens online – gelesen werden. Und dass sie Teil eines Netzwerkes werden, und sich für sie die Tür zum deutschen Literaturbetrieb öffnet. Vielleicht erstmal nur leise und einen kleinen Spalt breit. Ein Anfang ist trotzdem gemacht.
Initiative "Weiter Schreiben": Am kommenden Donnerstag, den 18. Mai, findet eine Lesung mit syrischen Autoren und ihren Tandem-Partnern in der arabischen Bibliothek Baynetna in Berlin statt. Eine Anthologie mit ausgewählten Texten wird im Blumenbar Verlag erscheinen.
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