Information kann niemals verschwinden

04.01.2011
Der US-Physiker Leonard Susskind erzählt in einem gut verständlichen Buch, wie er "mit Stephen Hawking um die Rettung der Quantenmechanik rang". Aufgrund der persönlichen Perspektive ist der Text fast eine Autobiografie, in der man viel über das Innenleben des Physikbetriebs erfährt.
Es war ein zwangloses Treffen von an Physik interessierten Personen in einem Apartment in San Francisco in den frühen 80er-Jahren. Mit dabei Stephen Hawking, schon damals in Fachkreisen ein Superstar der theoretischen Physik. Seine beiläufige Bemerkung, Schwarze Löcher wären gar nicht völlig schwarz und würden im Laufe der Zeit verdampfen, schockierte einige seiner Kollegen. Leonard Susskind, Hawking freundschaftlich verbunden, fasste dies als Kriegserklärung auf – denn er sah die Grundfesten der Physik erschüttert, sollte Hawkings Behauptung tatsächlich zutreffen.

Der Kampf um das Schwarze Loch war entbrannt. Leonard Susskind zeigt in seinem neuen Buch, wie er – vor allem unterstützt von einem niederländischen Kollegen – mehr als zwei Jahrzehnte lang mit Stephen Hawking um die Natur der Schwarzen Löcher rang und damit letztlich um die Rettung der Quantenmechanik und die modernen Theorien vom Aufbau der Welt. Sollten Schwarze Löcher wirklich einfach verdampfen, so ginge mit ihnen alles verloren, was jemals hineingefallen ist. Nach der Quantentheorie lässt sich aber die Geschichte jedes Objekts rekonstruieren – Information kann niemals endgültig verschwinden. Die große Frage war nun, ob Hawking falsch lag oder die Theorie.

Leonard Susskind entführt seine Leser in die wundersame Welt der theoretischen Physik. Dabei gelingt es dem Professor der renommierten Stanford University, diese äußerst abstrakte und anschaulicher Vorstellung kaum zugängliche Welt auch Laien zumindest ein wenig näher zu bringen. Im Text wimmelt es nur so von Anekdoten über die Protagonisten und so wird der Kampf der Geistestitanen zu einem immer wieder sehr menschlichen Scharmützel, dem man Seite für Seite am Rande des Schlachtfeldes beiwohnt. Niemand wird alles in diesem Buch verstehen – auch der Autor nicht, der freimütig einräumt, dass auch ihn die Quantenmechanik völlig verwirrt.

Nach einem launigen Einstieg geht es zunächst etwas zäh um die Grundlagen von Quanten- und Relativitätstheorie. Es folgen Betrachtungen zur Energie und Entropie, bevor Leonard Susskind seine Spezialdisziplin behandelt: die Stringtheorie. Ob dieses sehr komplizierte mathematische Modell irgendetwas mit den Vorgängen in der Natur zu tun hat, ist noch völlig offen. Es ist derzeit nicht einmal absehbar, wie sich Vorhersagen dieser Theorie experimentell überprüfen ließen. Doch die Forscher sind verzückt von ihrem Gedankenkonstrukt, das auf Basis der Quantenmechanik den Aufbau und die Entwicklung der Welt beschreibt.

Dass der Name Stephen Hawking im Untertitel auftaucht, ist keineswegs ein billiger PR-Gag zur Steigerung der Verkaufszahlen. Tatsächlich geht es in diesem Buch um die fachlich oft sehr harte Auseinandersetzung Susskinds mit Hawking. Aufgrund der sehr persönlichen Perspektive ist der Text in vielen Passagen fast eine Autobiografie Susskinds, in der man viel über das Innenleben des professionellen Physikbetriebs erfährt. Zwar hat Stephen Hawking 2004 seinen Irrtum bei den Schwarzen Löchern eingeräumt und damit den Krieg beendet. Doch wer ihn wirklich gewonnen hat, ist noch immer unklar. Denn womöglich sind alle bisher diskutierten Varianten der Theorie falsch und die Physiker müssen radikal neu denken.

Gewonnen hat Leonard Susskind auf jeden Fall in der Disziplin der Popularisierung seiner Wissenschaft. "Der Krieg um das Schwarze Loch" ist viel besser und allgemein verständlicher als die Bücher Stephen Hawkings, der – nur in diesem Bereich – völlig überschätzt wird.

Besprochen von Dirk Lorenzen

Leonard Susskind: Der Krieg um das Schwarze Loch. Wie ich mit Stephen Hawking um die Rettung der Quantenmechanik rang
Aus dem Amerikanischen von Friedrich Griese
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
542 Seiten, 29,90 Euro
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