Indischer Ozean

Deutsche Technik soll vor Tsunamis warnen

Menschen suchen am Strand von Hakkeduwa im Süden Sri Lankas nach dem Tsunami nach Überlebenden.
Menschen suchen am Strand von Hakkeduwa im Süden Sri Lankas nach dem Tsunami im Dezember 2004 nach Überlebenden. © dpa/picture-alliance/epa Mike Nelson
Von Thomas Gith · 18.12.2014
Der Tsunami vom Dezember 2004 hatte auch deshalb so verheerende Folgen, weil er die Menschen völlig unvorbereitet traf. Mittlerweile gibt es im Indischen Ozean ein Frühwarnsystem - entwickelt wurde es von Forschern aus Potsdam.
Die Nachrichten vom Tsunami im Indischen Ozean flimmern im Dezember 2004 über alle Bildschirme. Auch Wissenschaftler des Potsdamer Geoforschungszentrums sehen sie - und haben bei allem Schrecken gleich eine Idee: Sofort entwickeln sie ein Konzept für ein Tsunami-Frühwarnsystem. Denn es war klar, dass so ein System im Indischen Ozean fehlte. Und in Potsdam wusste man, wie die Frühwarnung funktionieren könnte, erinnert sich der Projektleiter Jörn Lauterjung.
"Wir haben dann einen Vorschlag gemacht, wie so ein System aussehen könnte und haben das der Bundesregierung, damals Bundeskanzler Schröder, vorgeschlagen, dieses doch als Teil der Flut-Opferhilfe der Bundesregierung im Indischen Ozean zu installieren. Herr Schröder fand die Idee ausgezeichnet und Indonesien hat sich dafür entschieden, das zusammen mit uns zu machen."
55 Millionen Euro stellte die deutsche Seite anfangs für das Projekt bereit - sieben Millionen Euro zusätzlich wurden dann noch ausgegeben, um Helfer vor Ort zu schulen. Gut investiertes Geld. Denn eine ähnliche Katastrophe konnte es im indischen Ozean jederzeit wieder geben. Schließlich ist die Region vor Indonesien extrem erdbebengefährdet. Tsunamis mit mehreren Meter hohen Wellen können die Folge sein, sagt Daniel Acksel vom Potsdamer Geoforschungszentrum.
"Wir haben da folgende geologische Situation: Wir befinden uns an einer Plattengrenzen, wo eine Platte auf eine andere stößt. Da taucht die australisch-indische Platte unter die eurasische Platte. Wir nennen das Subduktionszone. Und diese Subduktionszonen sind weltweit dafür prädestiniert, immer wieder stärkere Erdbeben hervorzubringen."
300 Messstationen rund um den Indischen Ozean
Allerdings: So ein Erdbeben lässt sich bis heute nicht vorhersagen. Doch bis die von ihm im Ozean ausgelösten Wellen an Land kommen, bleibt etwas Zeit. Für die Wissenschaftler und das Frühwarnsystem ist das die Chance.
"Wir haben diese Subduktionszone oder Störungszone fast parallel zu der Küstenlinie von Indonesien. Also vom Norden Sumatras bis Bali-Lombok. Und die mittleren Ankunftszeiten eines Tsunamis, der durch ein Erdbeben an dieser Sundergrabenstruktur erzeugt worden ist, beträgt zwischen 30 und 40 Minuten."
Nach dem Erdbeben bleibt also etwas Zeit, um die Menschen vor Ort vor einem Tsunami zu warnen. In den vergangen Jahren wurde deshalb zunächst ein Netz aus 300 Messstationen installiert: Sie sind um den Indischen Ozean herum verteilt, wobei die meisten von ihnen in Indonesien stehen, erläutert Daniel Acksel.
"Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Seismometerstationen, um GPS-Sensoren als auch um Küstenpegel. Diese messen letztlich, was draußen passiert, übertragen die Daten in Echtzeit an ein Warnzentrum. Dort werden diese mit moderner Software ausgewertet und in eine Lagebild übertragen. Und dann wird eigentlich Folgendes gemacht: Man vergleicht das, was gemessen wird, mit vorherberechneten Szenarien."
Die Messgeräte zeigen also an, ob sich Wellen auftürmen, wie weit sie vom Land entfernt sind, mit welcher Geschwindigkeit sie auf die Küste zu rollen. Die Software berechnet dann ein detailliertes Szenario: Auf Karten wird jetzt angezeigt, wo die Wellen auf die Küste treffen, wie hoch sie sein werden. Berechnen lässt sich auch, welche zerstörerische Kraft das Wasser an Land entfaltet.
"Das heißt, wir können dann sagen, welche Küstenabschnitte sind von ihrer Form her besonders wellenverstärkend oder haben wir bestimmte Buchten oder Häfen, in denen sich so eine Tsunamiwelle auch noch verstärkt durch einen Fokussierungseffekt. Also man kann relativ genaue Aussagen machen, was dann wirklich passieren wird, wenn so ein Tsunami passiert."
Übungen für den Evakuierungsfall
Einige extra entwickelten Warnbojen, die den sich verändernden Wasserstand messen sollten, wurden allerdings durch Fischerboote und Netze zerstört. Doch das System funktioniert unter anderem dank GPS bisher auch ohne sie. Zeichnet sich eine Katastrophe ab, geht alles ganz schnell. Der diensthabende Chef im mittlerweile eingerichteten Warnzentrum in Jakarta löst Alarm aus.
An den betroffenen Küstenabschnitten heulen dann unter Umständen schon fünf Minuten nach dem Erdbeben die Sirenen, die Menschen sind aufgeschreckt, können sich in Sicherheit bringen. Ganz wichtig dabei: Erfolgreich kann das System nur sein, wenn die Menschen regelmäßig den Ernstfall üben.
"Wir haben Tsunami-Evakuierungsübungen lokal in Schulen durchgeführt und mit den Schülern geübt, wo müssen sie hinrennen, wo sind die Sammelplätze, die dann letztlich sicher sind und wie müssen sie sich verhalten im Evakuierungsfall. Und diese Übungen werden regelmäßig wiederholt, um das wirklich, wie im militärischen Drill, bei den Leuten einzuschleifen."
20 kleine Tsunamiwarnungen hat es seit 2008 in Indonesien bereits gegeben. Die Mitarbeiter im Warnzentrum von Jakarta sind dabei für den Ernstfall gerüstet: Rund um die Uhr ist ihr Zentrum besetzt, 365 Tage im Jahr - um bei einer Katastrophe rechtzeitig Alarm auszulösen.
Der Aufwand lohnt sich, glaubt Jörn Lauterjung.
"Wir werden nicht vermeiden können, dass es nach wie vor Todesopfer und Schäden und Auswirkungen auf die Infrastruktur geben wird. Das kann kein Frühwarnsystem der Welt. Aber wir können die Auswirkungen deutlich minimieren im Vergleich zu 2004."
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