Werkschau der indigenen Künstlerin Alanis Obomsawin

Vermittlerin zwischen getrennten Welten

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Eine Fotografie zeigt die kanadische Filmemacherin Alanis Obomsawin schlafend auf einem Felsen. | Sleeping During the Oka Crisis, 1990
Die Filmemacherin Alanis Obomsawin während einer Arbeitspause: "Sleeping During the Oka Crisis" (1990). © John Kenney
Carsten Probst im Gespräch mit Vladimir Balzer · 09.02.2022
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Die kanadische Künstlerin Alanis Obomsawin gehört zu den indigenen Abenaki. Ihr filmisches wie musikalisches Schaffen ist von ihrer Rolle als Aktivistin nicht zu trennen. In Berlin werden nun erstmals in Deutschland die Werke der bald 90-Jährigen ausgestellt.
Die indigene Filmemacherin und Aktivistin Alanis Obomsawin feiert dieses Jahr ihren 90. Geburtstag. Erst jetzt wird das Werk der Kanadierin in Deutschland zum ersten Mal in einer Ausstellung gewürdigt.
Das Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) zeigt sie in „The Children Have To Hear Another Story“ nicht nur als Filmkünstlerin hinter der Kamera, sondern auch als Musikerin, Performerin, Erzählerin und als Aktivistin. Zu sehen und zu hören sind neben Filmen auch Druckgrafiken und Obomsawins Musik.

Einziges indigenes Kind in der Klasse

Als Aktivistin wird sie nicht müde, auf die Diskriminierung Indigener hinzuweisen. Obomsawin, die selbst zu den Abenaki gehört, lebte als kleines Kind teils in Reservaten, später dann in einer weißen Community, wo sie in der Schule das einzige indigene Kind war. Die Künstlerin selbst beschreibt diese sie stark prägende Kindheit so:

Vor langer Zeit, als ich noch ein Kind war, bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. Dass die Bücher, die Kindern die Geschichte unseres Landes beibringen sollten, dazu führten, dass unsere Leute von allen gehasst wurden, überall im Land. Wir seien Wilde, übel und dreckig. Ich ging auf eine Schule, wo ich die einzige indigene Person war, und das war eine schlimme Erfahrung.

Szenenfoto aus dem Film "Mother of Many Children" (1977).
Szene aus dem Obomsawin-Film "Mother of Many Children" (1977).© National Film Board of Canada
Obomsawin habe ihr Schaffen „für eine höhere Mission“ genutzt, sagt der Kunstkritiker Carsten Probst. Sie nehme vor allem mit ihren filmischen Werken die Rolle einer Vermittlerin ein und habe damit bereits in einer Zeit begonnen, als die meisten indigenen Einwohnerinnen und Einwohner Kanadas noch „überhaupt keinen Zugang zur nationalen Filmindustrie oder zum nationalen Rundfunk hatten. Sie konnte dann ihre Kontakte zu diesen Institutionen nutzen, um den indigenen Communitys eine Stimme zu geben“.

Anfänge als Singer-Songwriterin

Obomsawin begann ihre künstlerische Laufbahn 1960 als Singer-Songwriterin, Anfang der 1970er-Jahre drehte sie ihre ersten Dokumentarfilme über die indigene Bevölkerung Kanadas. In den kommenden Jahrzehnten führte sie dann über 50 Mal Regie.
Allein schon ihre Vermittlungsarbeit – "das Go-Between zwischen diesen strikt getrennten Welten" – habe zur damaligen Zeit etwas Subversives und Unerhörtes gehabt, sagt Probst.
Alanis Obomsawin performt auf dem Mariposa Festival, 1970.
Alanis Obomsawin performt auf dem Mariposa Festival, 1970.© York University Libraries / Clara Thomas Archives & Special Collections / Toronto Telegram fonds
Aus diesen Erfahrungen und den Erfahrungen ihrer Kindheit hat Alanis Obomsawin Lehren gezogen, und daraus leitet sich auch der programmatische Titel der Ausstellung ab, der auf Deutsch übersetzt heißt: "Die Kinder müssen eine andere Geschichte hören."

"The Children Have To Hear Another Story" - Alanis Obomsawin, 12. Februar bis 18. April, Haus der Kulturen der Welt, Berlin.
Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm begleitet.

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