Indie-Musik im Lockdown

Kleine Lichtblicke in der Pandemie

04:15 Minuten
Auf den Plakatwänden am Musikclub Logo an der Grindelallee in Hamburg steht: "Wir wissen nicht, wie es weitergeht".
Einfach mal ein Demo-Tape am Tresen abgeben - so war das vor der Pandemie im Hamburger LOGO. © IMAGO / Hanno Bode
Ein Einwurf von Heiko Schneider · 02.02.2021
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"Wir wissen nicht, wie es weitergeht" plakatiert der Hamburger Musikclub LOGO – und ist damit in der Indie-Szene nicht alleine. Doch der Songwriter Heiko Schneider hat erlebt, dass es selbst in der Pandemie für Musiker noch kleine Lichtblicke gibt.
In der Prä-Pandemie-Ära boten gerade kleinere Clubs wie das LOGO neuen, unbekannten Bands die Möglichkeit, ihre Songs einem aufgeschlossenen Publikum vorzustellen.
Einfach mal ein Demo-Tape oder eine selbstgebrannte CD am Tresen abgeben, Telefonnummer hinterlassen und auf den Anruf des Bookers hoffen.

Die Live-Clubszene liegt brach

Mit dem Lockdown fällt dieses Forum für diese Bands nun komplett weg. Die Chance über Merchandise, also CD- oder T-Shirt-Verkauf vor Ort, die karge Gage etwas aufzumöbeln, ist zudem futsch.
Auch ich habe mich über die Jahre in verschiedenen Bands durch die Live-Clubszene Hamburgs gespielt. Wie die meisten Künstler ohne Plattenlabel im Rücken oft vor kaum mehr als 100 Zuhörern, von denen man die meisten auch noch freundschaftlich per Handschlag begrüßen konnte.
Im LOGO habe ich mir immerhin mal den winzigen Backstage-Raum mit dem in Indie-Kreisen bestens beleumundeten Robert Forster geteilt.
Und nun? Alles Mist? Nicht nur.

Auf digitalen Wegen bis nach Australien

Statt im Proberaum mit Abstand und Maske den Kopf hängen zu lassen, habe ich mittels Homestudio-Recording, der Musikplattform Bandcamp und Social Media in den letzten Monaten mit meinem Projekt theCatherines vermutlich mehr Fans erreicht, als in den Club-Jahren zuvor.
Auf der Website Bandcamp können Musiker unkompliziert und kostenlos ihre Musik zum Hören hochladen und entweder nur digital oder auch auf CD, Vinyl und Tape zum Kauf anbieten. Bandcamp hat mir ohne weitere Promotion in den letzten Monaten über 200 neue Follower aus aller Welt beschert.
Überschaubar aber verblüffend: Meine veröffentlichten CDs und Kassetten schicke ich nunmehr nicht nur an lokale Booker oder Freunde, sondern nach Indonesien, Australien und in die USA. Meine treuesten Fans leben in Hamburg-Barmbek – und in Tokio, Japan.

Gemeinschaftsgedanke wird großgeschrieben

Bandcamp bekommt von jedem Verkauf 15 Prozent Provision, in der Coronazeit hat der Musikdienst mit der "Bandcamp Friday"-Kampagne mehrfach auf diese Einnahme verzichtet und die Umsätze für jeweils einen Tag komplett an die Künstler ausgezahlt. Wie überhaupt der Gemeinschaftsgedanke seit Ausbruch der weltweiten Pandemie in der Indie-Musikszene großgeschrieben wird.
Selten war Social Media so sozial wie derzeit in diesem Bereich. Musiker und Bands machen auf Facebook oder Instagram Werbung nicht nur in eigener Sache, sondern sehr oft und uneigennützig auch für andere Bands. Aus diesem Netzwerk entstehen zum Teil dann ganz unverhoffte neue künstlerische Kooperationen.
So wurde ich über diese Kontaktwege bereits als Tonmischer von einer holländischen Sängerin und als Videoregisseur für einen New Yorker Musiker gebucht.

Not macht erfinderisch

Und die Not macht erfinderisch: Kaum hatte das Coronavirus Anfang 2020 die Konzertszene weltweit lahmgelegt, fanden Musiker und Veranstalter über das Web zueinander. Die Facebook-Gruppe "From a Social Distance" etwa streamt schon seit März letzten Jahres Wohnzimmer- oder Studiokonzerte.
Und statt mich nun zur Vorstellung neuer Songs auf Auftritte in kleinen Hamburger Clubs wie dem LOGO vorzubereiten, zerbreche ich mir gerade den Kopf, wie ich in meinem winzigen Homestudio ausreichend Platz finde, einen Auftritt für die Web-Konzert-Reihe "Our Secret World: Quarantine Session" für das indonesische Label Shiny Happy Records aufzuzeichnen.
Die Krise hat also durchaus kleine Lichtblicke zu bieten. Und dass damit derzeit nerviges Verstärker-Schleppen und ödes Backstage-Gewarte wegfallen, ist für mich ein durchaus nicht zu unterschätzender positiver Randaspekt.

Heiko Schneider hat über 30 Jahre in verschiedenen Positionen und Verlagen als Medienjournalist und Musikkritiker gearbeitet. Nebenbei hat er in zahlreichen Bands und als Solokünstler Konzerte gegeben. Seit 2018 veröffentlicht er mit seinem Studioprojekt theCatherines Singles und Alben auf Plattformen wie Bandcamp und Spotity.

Heiko Schneider posiert für ein selbst gemachtes Porträt.
© Heiko Schneider
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