"In 80 Tagen um die Welt" im ZDF

Jede Episode wie eine überlange Therapiesitzung

05:00 Minuten
Die Hauptdarsteller aus dem ZDF-Film "In 80 Tagen um die Welt" sitzen in Kleidung aus dem 19. Jahrhundert vor einem türkis-blauen Hintergrund.
Diskutieren ständig über ihre Probleme: die Hauptfiguren des ZDF-Films "In 80 Tagen um die Welt": Jean Passepartout (Ibrahim Koma), Phileas Fogg (David Tennant) und Abigail Fix (Leonie Benesch) © ZDF/TEA Entertain/Joe Alblas
Von Christian Berndt · 21.12.2021
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Rassismus und Emanzipation, dazu ambivalente Charaktere: Eine neue Miniserie zu Jules Vernes Abenteuerroman "In 80 Tagen um die Welt" will aktuell sein. Doch die Dialoge sind haarsträubend anachronistisch. Das ZDF zeigt zähes Erklärfernsehen.

Phileas Fogg kontrolliert die Uhrzeit, der Butler bringt rechtzeitig den Morgentee. Der von David Tennant gespielte Fogg ist ein Pedant, der seinen Tagesablauf immer auf die Sekunde einhält. Er erscheint auch täglich zur gleichen Zeit in seinem Londoner Club.
Doch an diesem Tag entspinnt sich unter den Gentlemen eine Debatte, die alles ändern wird. Eine neueröffnete Eisenbahnlinie soll die Umrundung der Erde in gerade einmal 80 Tagen ermöglichen.
Unsinn, meinen die einen. Doch Fogg ist anderer Meinung: Gut vorbereitet, mit entsprechendem Willen ausgestattet und den neuesten technischen Errungenschaften ausgerüstet könnte der Coup gelingen.

Der Zeitplan-Fetischist Phileas Fogg

Die anderen lachen, aber Fogg meint es ernst – als Zeitplan-Fetischist kennt er die weltweiten Fahrpläne, mit denen der Globus nun erschlossen wird. Weil man unter britischen Gentlemen ist, wird darüber eine Wette abgeschlossen und Fogg macht sich auf den Weg, um in 80 Tagen um die Welt zu reisen.

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Als Diener für die Reise engagiert er den Franzosen Passepartout, und auf dem Weg nach Paris gesellt sich eine junge Frau dazu. Sie berichtet für den Daily Telegraph über seine Reise - was Fogg gar nicht passt.
Aber Abigail lässt sich nicht abwimmeln, und so gerät man gemeinsam mitten in die Niederschlagung der Pariser Kommune.

Romanvorlage frei interpretiert

Die Neuverfilmung von Jules Vernes Abenteuerroman „In 80 Tagen um die Welt“ von 1873 interpretiert die Vorlage sehr frei. Das hatten zwar schon frühere Verfilmungen getan, aber hier merkt man besonders das Bemühen, aus den knapp skizzierten Romanfiguren nicht nur ambivalente Charaktere zu formen, sondern sie auch zu aktualisieren.
Porträt des französischen Schriftstellers Jules Verne
Schaffer fantastischer Welten und Mitbegründer der Science-Fiction: der französische Schriftsteller Jules Verne.© imago/Leemage
Phileas Fogg etwa ist anders als im Roman ein unsicherer Mensch, hinter dessen kühler Gentleman-Fassade tiefe Ängste und Sehnsüchte verborgen sind. Mit Abigail wurde eine weibliche Hauptfigur dazu erfunden – auch das ist nicht neu – aber in ihrem Kampf um Selbstverwirklichung wirkt sie sehr heutig. Und Passepartout hat als Schwarzer mit dem alltäglichen Rassismus zu kämpfen.

Die Helden diskutieren Beziehungsverhältnisse

Die aufwändige Miniserie, die Schauplätze von New York bis Hongkong bildgewaltig in Szene setzt, macht Rassismus und Frauenemanzipation zu den durchgängigen Themen. Aber mit den überdeutlichen Dialogen, die in einem eher heutigen Jargon das Geschehen immer wieder zusätzlich kommentieren, wird daraus zähes Erklär-Fernsehen.
Die Episoden wirken oft wie ausgedehnte Therapiefolgen, in denen die Helden über ihre Probleme und Beziehungsverhältnisse diskutieren.

Weg vom rassistischen und kolonialen Blick

Auch ist die Serie redlich bemüht, sich vom rassistischen und kolonialen Blick der Vorlage zu lösen. Im Wilden Westen kämpft man nicht mehr gegen "Indianer", sondern Ku-Klux-Klan-Anhänger. Und in Indien erlebt man die Briten nicht als zivilisierende Ordnungsmacht wie im Roman, sondern als rücksichtlose Besatzer. Phileas Fogg setzt sich für einen Inder ein, der aus der britischen Armee desertiert ist, um heiraten zu können.

Man fühlt sich wie beim "Traumschiff"

Die Dialoge sind manchmal haarsträubend anachronistisch. Wenn vor exotischer Kulisse immer wieder die Kraft der Liebe beschworen wird, fühlt man sich manchmal wie beim „Traumschiff“. Es wird so viel über Gefühle gesprochen, dass die Weiterreise oft mehr durch Debatten als Piraten oder Unwetter gefährdet ist – abenteuerlich ist das eher weniger.
Am Schluss sieht man die Freunde zu neuen Abenteuern aufbrechen, es droht auch noch eine Fortsetzung. Zwar hat man ja schon die ganze Welt bereist, aber es gibt wahrscheinlich noch viel zu bereden.

Die achtteilige Miniserie "In 80 Tagen um die Welt" ist in der ZDF-Mediathek zu sehen.

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