Kleine Formen erproben und mit den Möglichkeiten des Radios spielen: "Originalton" heißt eine tägliche Rubrik unserer Sendung "Lesart" - kurze Texte, um die wir Schriftsteller bitten: in dieser Woche den Schweizer Schriftsteller und Dramaturgen Lukas Bärfuss.
Lukas Bärfuss, geb. 1971 in Thun/Schweiz, ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Dramatiker. Sein Debütroman "Hundert Tage" wurde für den Deutschen und den Schweizer Buchpreis nominiert und in 14 Sprachen übersetzt. Für seinen letzten Roman "Koala" erhielt Lukas Bärfuss den Schweizer Literaturpreis 2014. Er lebt in Zürich.
Ein Tag wie gestern
Ein Forschungsreisender im Bücherbauch: Der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss ist für die Rubrik "Originalton" in die Tiefen der Zentralbibliothek Zürich hinabgestiegen. Heute fällt ihm ein Buch über die Gräber im ägyptischen Luxor in die Hände - und er ist zum ersten Mal gelangweilt.
Auch heute hatte ich nichts Gescheiteres zu tun
als mich zu ergehen in den Wanderschaften
durch die Freihandregale der Zentralbibliothek Zürich
Regale
die immense Schätze enthalten
nicht an Geld
nicht an Gold
aber Schätze an Erfahrungen
Schätze gelebten Lebens
Schätze, ja, Kostbarkeiten
aber auch Gefahren
Denn längst werde ich erwartet
von anderen Menschen
an anderen Orten
zu wichtigen Gesprächen
aber ich kann mich nicht losreissen
und muss noch einmal das Spiel spielen
das zu spielen ich nicht müde werde
und muss noch einen Band aus dem Regal pflücken
zufällig
mit geschlossenen Augen
denn es gibt einen Pakt
zwischen mir und diesen Büchern
ich erlöse sie aus ihrem Schlaf
aus ihrem stummen Regaldasein
Und sie erlösen mich aus meiner kleinen Existenz
und entführen mich in eine bisher unbekannt Welt
Man hört manchmal die Leitung gluckern
Hier nun hat also meine Hand
Das Buch eines gewissen G. Faber ergriffen
Ein Buch mit dem Titel
Ein Tag wie gestern
Das könnte mich doch vielleicht interessieren
Vor allem interessiert mich dieser
wunderbare schöne himmelblaue Leinenumschlag'
und ich schlage das Buch auf der Seite sechzehn auf
Da sieht man ein Bild
ein paar Ägypter
wie in der Legende steht
in einem Hirsefeld
Und ich lese
Doch hier irrte Comose
Doch trotz sorgsam versteckten und durch zahllose Fallen abgesicherten
Grabschächten
entdeckten Grabräuber
durch Jahrhunderte sämtliche
Königs- und Ministergräber
jenseits von Luxor
und plünderten sie aus
Und auch das, ach, habe ich doch längst schon gewusst
Und Dichter,
Autoren
Schriftsteller
ihr sollt mich doch nicht langweilen!
Auch nicht hier
im vierten Untergeschoss
im Freihandlanger
der Zentralbibliothek zu Zürich
als mich zu ergehen in den Wanderschaften
durch die Freihandregale der Zentralbibliothek Zürich
Regale
die immense Schätze enthalten
nicht an Geld
nicht an Gold
aber Schätze an Erfahrungen
Schätze gelebten Lebens
Schätze, ja, Kostbarkeiten
aber auch Gefahren
Denn längst werde ich erwartet
von anderen Menschen
an anderen Orten
zu wichtigen Gesprächen
aber ich kann mich nicht losreissen
und muss noch einmal das Spiel spielen
das zu spielen ich nicht müde werde
und muss noch einen Band aus dem Regal pflücken
zufällig
mit geschlossenen Augen
denn es gibt einen Pakt
zwischen mir und diesen Büchern
ich erlöse sie aus ihrem Schlaf
aus ihrem stummen Regaldasein
Und sie erlösen mich aus meiner kleinen Existenz
und entführen mich in eine bisher unbekannt Welt
Man hört manchmal die Leitung gluckern
Hier nun hat also meine Hand
Das Buch eines gewissen G. Faber ergriffen
Ein Buch mit dem Titel
Ein Tag wie gestern
Das könnte mich doch vielleicht interessieren
Vor allem interessiert mich dieser
wunderbare schöne himmelblaue Leinenumschlag'
und ich schlage das Buch auf der Seite sechzehn auf
Da sieht man ein Bild
ein paar Ägypter
wie in der Legende steht
in einem Hirsefeld
Und ich lese
Doch hier irrte Comose
Doch trotz sorgsam versteckten und durch zahllose Fallen abgesicherten
Grabschächten
entdeckten Grabräuber
durch Jahrhunderte sämtliche
Königs- und Ministergräber
jenseits von Luxor
und plünderten sie aus
Und auch das, ach, habe ich doch längst schon gewusst
Und Dichter,
Autoren
Schriftsteller
ihr sollt mich doch nicht langweilen!
Auch nicht hier
im vierten Untergeschoss
im Freihandlanger
der Zentralbibliothek zu Zürich