Illegale Raffinerieabfälle

Nur die Spitze vom Müllberg?

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Am Horizont der niederrheinischen Gemeinde Schermbeck erhebt sich der Mühlenberg, eine aufgeschüttete Tongrube. Dort wurden zwischen 2010-2013 30.000 Tonnen ölgetränkter Raffinerieabfälle illegal entsorgt.
Der Mühlenberg ist eine aufgeschüttete Tongrube in der niederrheinischen Gemeinde Schermbeck. Dort wurden Raffinerieabfälle illegal entsorgt. © Deutschlandradio / Vivien Leue
Von Vivien Leue · 16.04.2019
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30.000 Tonnen ölgetränkter Raffinerieabfälle des BP-Konzerns wurden in der Gemeinde Schermbeck am Niederrhein illegal entsorgt. Bürger befürchten, dass die Ölpellets nicht der einzige Sondermüll sind, der in der Tongrube schlummert.
Stefan Steinkühler spaziert am Rande der niederrheinischen Gemeinde Schermbeck einen breiten Feldweg entlang, zu beiden Seiten erstrecken sich grüne Felder. Am Horizont erhebt sich der Mühlenberg, eine aufgeschüttete Tongrube.
"Ich glaube, zwölf Millionen Tonnen Verfüllfläche sind da drin. Und da liegen jetzt auch unsere Ölpellets."

Ein Abfall-Makler wurde verurteilt

Es sind schmierige Kugeln ölgetränkter Raffinerieabfälle, die erwiesenermaßen beim BP-Konzern in Gelsenkirchen entstanden waren. Jahrelang, zwischen 2010 und 2013, wurden diese Ölpellets, illegal in der Tongrube entsorgt. Das hat ein Gericht mittlerweile festgestellt und dafür im vergangenen Jahr einen Abfall-Makler verurteilt. Für Steinkühler ist die Sache damit aber noch lange nicht beendet.
"Spannend ist ja, dass, wenn man nun die Ölpellets nimmt, das wären 15.000 Lkws gewesen. Es ist nie was aufgefallen."
"Die Ölpellets riechen im Prinzip wie eine Tankstelle", erklärt Matthias Rittmann, ebenfalls Mitglied des Bürgerforums. "So dass man schon allein beim Abkippen oder beim späteren Weiterverarbeiten mit einem Radlader hätte bemerken müssen, dass da was nicht stimmt."

Viele Fragen sind noch offen

Dennoch soll nur ein einzelner Müll-Makler für die illegale Entsorgung von 30.000 Tonnen Öl-Pellets verantwortlich sein? Kaum zu glauben, findet die Grünen-Kommunalpolitikerin Ulrike Trick.
"Zum einen können wir nicht ganz nachvollziehen, dass bis auf die, ich sage jetzt mal, Bauernopfer keiner schuldig sein soll. Die BP nicht als Erzeuger dieses Abfalls, die Bezirksregierung Münster nicht als Genehmigungsbehörde und der Tongruben-Betreiber schon gar nicht."
Außerdem seien viele Fragen hinsichtlich der Folgeschäden noch offen. Ölpellets enthalten krebserregende Stoffe. Hält die Tonschicht der Grube diese Stoffe zurück?
"Wenn jetzt wirklich sich in 20, 30 oder 50 Jahren rausstellt, da geht was ins Grundwasser, wir müssen das jetzt sanieren, wir müssen das rausholen, wer bezahlt das denn dann?"
Die Tongrube wird von der Firma Nottenkämper betrieben, die im Ruhrgebiet und am Niederrhein viele solcher Gruben betreibt. Die Schermbecker Bürger fühlen sich von ihr, vom zuständigen Landrat und den Behörden in ihren Sorgen nicht ernst genommen.

"Wir werden vertröstet, wir werden hingehalten"

Seit Kurzem gibt es aber doch ein wenig Hoffnung, dass sich endlich etwas tut – zumindest bezüglich der Umweltgefahren, die durch die illegale Sondermüll-Entsorgung entstanden sein könnten. Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hat sich des Themas angenommen und entschieden:
"Dass wir ein neues Gutachten in Auftrag geben werden zur Untersuchung, ob die Pellets in dieser Tongrube tatsächlich verbleiben können."
Oder ob sie herausgeholt werden müssen. Das wäre allerdings kompliziert.
"Wir wissen, dass die Ölpellets sich mit anderen Abfällen in der Tongrube vermischt haben und sie auch noch weiträumig in der gesamten Tongrube verteilt sind, das hieße wahrscheinlich, dass wir die gesamte Tongrube räumen müssten."
Kosten von bis zu 500 Millionen Euro stehen im Raum.

Sind die Ölpellets der einzige Sondermüll?

In Schermbeck hat die Ankündigung der Umweltministerin erst einmal Freude ausgelöst, vor allem, weil das neue Gutachten noch eine weitere Frage klären soll: Sind die Ölpellets vielleicht nicht der einzige Sondermüll, der in der Tongrube schlummert? Proben des Sickerwassers deuten laut Stefan Steinkühler darauf hin:
"In dem Gutachten sind auch Werte vorhanden wie Zink und Kadmium und Kupfer. Das hat überhaupt nichts mit den Ölpellets zu tun."
Matthias Rittmann ergänzt:
"Wenn man den Mühlenberg mit einem Fußballfeld vergleicht, dann hat man den Mittelkreis untersucht und alles andere hat man überhaupt nicht in Augenschein genommen. Von daher fordern wir natürlich ein flächendeckendes Gutachten."
Das soll es nun geben, in diesem Jahr noch. Vielleicht kommt die Gemeinde Schermbeck dann endlich wieder zur Ruhe. Vielleicht wird es aber auch erst der Auftakt zu einem noch größeren Giftmüll-Skandal.
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