Das Ziel ist, Ausgrenzung zu beenden
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Die Identitätspolitik erregt derzeit die Gemüter. Die Publizistin Jagoda Marinić positioniert sich klar: Es gehe der Minderheitenbewegung nicht um Gesprächsverbote, sondern um Repräsentation und die eigenen, verbrieften Rechte, betont sie.
Schon länger wird über Identitätspolitik heftig gestritten, und die Debatten laufen manchmal völlig aus dem Ruder. Das musste beispielsweise SPD-Urgestein Wolfgang Thierse erfahren, dessen Ausflug auf das identitätspolitische Schlachtfeld in einer schweren Auseinandersetzung mit der Parteiführung mündete. Zwischenzeitlich stand sogar Thierses Austritt im Raum.
Unversöhnlich stehen sich bei der Identitätspolitik inzwischen zwei Lager gegenüber. Während die einen auf die Unterdrückung von Minderheiten verweisen und für diese mehr Aufmerksamkeit, Anerkennung und Rechte einfordern, sehen andere in der gruppenbildenden Betonung von Sexualität, Geschlecht oder der eigenen Migrationsgeschichte eine Fragmentierung der Gesellschaft: Vom "Opferwettbewerb" ist in diesem Lager die Rede.
Minderheiten, die identitätspolitisch besonders laut werden, wird vorgeworfen, intolerant zu sein und andere nicht zu Wort kommen zu lassen. Eine neue Studie der Uni Münster, über die der Deutschlandfunk vorab berichtet, beleuchtet die Auseinandersetzung genauer.
Die Publizistin Jagoda Marinić verteidigt die Minderheiten mit Verve. Sie wollten keine Gesprächsverbote, sondern Dominanz beenden, betont sie - und verweist auf eine Kultur, in der noch immer nicht verstanden werde, dass Frauen über ihren Körper selbst bestimmen wollen. Oder dass es in Deutschland zehn Millionen Menschen ohne deutschen Pass gibt, die integriert werden müssten.
Die großen und die kleinen Fragen
In der Debatte über Identitätspolitik laufe viel schief, betont die Publizistin. Am Ende wisse man manchmal gar nicht mehr, was eigentlich die großen Fragen seien, weil man sich bei den kleinen verheddert habe. Letztlich gehe es einfach um die Frage, was die Minderheitenbewegung wolle, und das sei, Ausgrenzungsdynamiken zu beseitigen: "Es gibt immer noch Bereiche, wo die Diversität lange nicht dem entspricht, wo wir als Gesellschaft eigentlich stehen", betont sie.
Demokratie bedeute auch, kleinen Minderheiten dieselben Rechte zu gewähren wie den Mehrheiten, sagt Marinić. Die Minderheiten wollten eben auch repräsentiert und vertreten werden. Zudem gebe es Menschen, die Minderheiten grundgesetzliche Rechte absprächen. Hier müssten diese Grundrechte dann verteidigt werden.
(ahe)