"Ich bin nur ein Teil des großen Ganzen"

Von Detlef Grumbach · 15.11.2011
Nichts wird in modernen westlichen Gesellschaften größer geschrieben als Individualismus, die eigene, unverwechselbare Identität und die persönliche Freiheit. In der jüngeren Literatur reagieren Autoren auf diese Suche nach Orientierung im Leben, zeigen das Bedürfnis nach einer eigenen Bedeutsamkeit, die ihre Wurzeln in der Unterordnung hat, das Phänomen, die eigene Individualität übergeordneten Ideen oder Sachzwängen zu opfern, seinen Platz und sein Selbstwertgefühl in klaren Hierarchien von Befehl und Gehorsam zu finden.
Michael Sollorz erzählt beispielsweise in "Die Eignung" von einem Angehörigen der kasernierten Volkspolizei in der DDR, dem die politische Wende den Boden unter den Füßen wegzieht und der seinen Platz wieder in einer "Elite-Einheit" sucht.

Anke Stelling beschreibt in ihrem Geschichtenband "Horchen" eine Frauenfigur, deren Suche nach der eigenen Identität ins Leere läuft, weil sie die "Freiheit", die sie eigentlich schätzt, auch als "Beliebigkeit" empfindet und sich deshalb nach einer Autorität und einer klar vorgegebenen Richtung sehnt.

Wirkt Individualismus als Gegengift oder hinterlässt er vielleicht gerade die Leere, die eine Suche nach autoritären Strukturen begünstigt?

(Wdh. vom 20.7.2010)

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