Hyäne Fischer erobert Österreich

Dem globalen Rückwärtstrend auf der Spur

Porträt von Hyäne Fischer.
Die Künstlerin und Musikerin Hyäne Fischer mit Freundinnen im Video zu "Im Rausch der Zeit". © Hyäne Fischer
Natalie Brunner im Gespräch mit Vivian Perkovic · 03.12.2018
Popmusik, die nur bedudelt, hinterlässt keinen Eindruck, sagt Musikjournalistin Natalie Brunner über die österreichische Künstlerin Hyäne Fischer und ihren ESC-Song. Mit ihrer scheinbaren Eva-Braun-Ästhetik polarisiert Fischer und sorgt für Debatten.
Hyäne Fischer ist letzte Woche sehr plötzlich aus dem nichts auf dem Radar aufgetaucht mit ihrer Nummer "Im Rausch der Zeit". Und gleich in dieser ersten Woche sammelte sie damit 100.000 Klicks ein, so dass es schnell sehr viele Gerüchte um sie gab.
Musikjournalistin Natalie Brunner sagt, dass Hyäne Fischer und ihr Management offenbar auch etwas überrascht waren von diesen Reaktionen und von der Tatsache, wie explosionsartig sich der Song verbreitet hat. Also zogen sie nun mit einer veröffentlichten Biografie von Hyäne Fischer nach.
Diesen Daten zufolge, sagt Brunner, ist Hyäne Fischer 1993 geboren, stammt aus der Wiener Neustadt in Niederösterreich, einer kleineren Stadt im Einzugsgebiet von Wien, ist ausgebildete Tourismusfachfrau und hat bereits als Kind begonnen, Musik zu machen. Außerdem spiele sie, seit sie acht ist, Cello und arbeite ehrenamtlich im Tierschutzverein.
Hyäne Fischer bediene sich nicht nur der volkstümelnden Diktion österreichischer Konservativer und Rechtspopulisten, sie adressiere auch ein kulturelles Problem, das universal ist: einen globalen Rückwärtstrend kombiniert mit einer Verklärung der Vergangenheit.
Natalie Brunner sagt, dass das besonders deutlich wird im Video "Im Rausch der Zeit", das auf sehr kluge Art die Geschichtsverklärung und Rückwärtsgewandheit mit der Gegenwart verknüpfe. Denn Hyäne Fischer feiert in einem Landhaus mit ihren Freundinnen und die Protagonistinnen sind im Stil der 30er-Jahre gekleidet. In einer Szene ist sie im Negligé in einer Wohnung in Wien zu sehen, während sie auf ihr iPhone blickt, und sich die Szenen dieses Ausflugs und dieser Feier betrachtet.

Eine extrem durchdachte Kombination

Diese Kombination erscheint der Musikjournalistin extrem durchdacht und sei neben dem Techno-Schlager-Pop-Hit-Potenzial wahrscheinlich auch der Grund, warum das Video so gefalle, aber auch polarisiere. Kritik erstrecke sich dann meistens darauf, dass die Ästhetik der von Eva Braun ähnelt.
Aber dieser Einwand stimme nicht, denn die Protagonnistinnen seien stark geschminkt, tragen Kostüme und Schmuck. Sie sehen eher aus wie emanzipierte Frauen, erklärt Brunner, die man in einem literarischen Salon hätte antreffen können. Und das entspreche so gar nicht dem Idealbild der Frau zur NS-Zeit. Es sei also sehr raffiniert, was Hyäne Fischer da mache.
Die Künstlerin und Musikerin Hyäne Fischer
Die Künstlerin und Musikerin Hyäne Fischer© Hyäne Fischer
Hyäne Fischer ist also offenbar ziemlich clever. Man könnte das Video, in dem nur Frauen vor einer Bilderbuch-Kulisse auftauchen, die Textzeilen, die von einer Utopie erzählen, auch als Wunsch einer Zukunft interpretieren, in der das Matriarchat das Patriarchat ablöst.
Aus der Politik gebe es bislang keine offiziellen Reaktionen, sagt Brunner. Unter dem Youtube-Video zu "Im Rausch der Zeit" befände sich allerdings ein halblobender Kommentar des österreichischen Identitären-Chefs Martin Sellner, dessen Lechzen nach Aufmerksamkeit allerdings inzwischen meist unter der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit bleibt, da er mit seinen Forderungen von der österreichischen Regierung von rechts überholt wurde.
(In der Online-Fassung dieses Textes wurde nachträglich der Interviewcharakter stärker hervorgehoben.)
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