Humboldt-Forum

Klare Priorisierung der Provenienzforschung fehlt

Fortschreitende Arbeiten auf der Baustelle "Berliner Schloß - Humboldtforum", Schloßplatz 5 in Berlin-Mitte.
Fortschreitende Arbeiten auf der Baustelle "Berliner Schloß - Humboldtforum", Schloßplatz 5 in Berlin-Mitte. © dpa / Manfred Krause
Joshua Kwesi Aikins im Gespräch mit Gesa Ufer · 03.11.2016
Das neue Humboldt-Forum in Berlin will verantwortungsbewusst und selbstkritisch mit dem kolonialen Erbe umgehen, so die Ankündigung. Dann müsste aber die Provenienzforschung deutlicher priorisiert werden, kritisiert der Politologe Joshua Kwesi Aikins.
Gesa Ufer: Wie gehen wir, wie gehen unsere Museen mit unserem kolonialen Erbe um? Verantwortungsbewusst, selbstkritisch, transparent und kooperativ will das neue Humboldt-Forum dieses Kapitel angehen. Unter dem Stichwort "Shared Heritage" sollen ehemals kolonialisierte Länder und Kulturen aktiv mit in die Erinnerungsarbeit einbezogen werden, Deutungshierarchien sollen abgebaut und Kooperationen intensiver werden. Doch wird das Humboldt-Forum auch einlösen, was es verspricht? Joshua Kwesi Aikins ist Politologe an der Bielefeld Graduate School of History and Sociology und hat da große Zweifel.
Gestern haben die drei Gründungsintendanten des Humboldt-Forums öffentlich ihr Konzept vorgestellt, und einer von ihnen Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung preußischer Kulturbesitz hatte auch vorher auch schon in der FAZ einen feurigen Artikel über die Pläne verfasst, im Humboldt-Forum alles richtig machen zu wollen. Die richtige Haltung ist doch schon da, oder?
Joshua Kwesi Aikins: "Shared heritage" ist richtig und wichtig, aber es ist vor allem eine geteilte Gewaltgeschichte, und leider wurde in der Pressekonferenz gestern deutlich, dass das Humboldt-Forum weit hinter dem zurückbleibt, was nötig wäre, um tatsächlich diese geteilte Gewaltgeschichte verantwortungsbewusst zu betrachten.
Gesa Ufer: Das Humboldt-Forum will Kuratoren aus den entsprechenden Kulturkreisen einbinden, Exponate weitgehend auch digital zugänglich machen, Exponate sollen häufiger durch die Welt geschickt werden oder sogar zurückgegeben werden, überhaupt soll die Provenienzforschung ausgebaut werden – halten Sie all das nur für fromme Lippenbekenntnisse?
Joshua Kwesi Aikins: Ich denke, gerade der letzte Punkt, die Provenienzforschung, wäre doch eigentlich die Grundlage für all die anderen Aktivitäten, denn man muss ja erstmal rausfinden, woher kommen die Objekte und vor allen Dingen, in welchem Zusammenhang sind sie überhaupt hierher gekommen. Schon 2014 hat der Senat auf eine Anfrage erklären müssen, dass mindestens 60.000 Objekte nachweislich zur deutschen Kolonialzeit aus von Deutschland besetzten Gebieten hierher verbracht wurden. (…)
Man müsste doch erst einmal schauen, welche dieser Objekte sind rechtmäßig hier und welche sind es eben nicht. Da ist es wichtig, dass man das in der richtigen Reihenfolge macht, bevor man sich damit beschäftigt, was man wie ausstellt und wen man dazu wie einlädt, müsste man doch erstmal schauen, wie sind die Dinge hierher gekommen. (...)
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