Hollywood
Stars beim Streik: Unter anderem Colin Farrell (Bildmitte) und Tory Kittles (rechts) zeigten Solidarität und gingen - letztlich mit Erfolg - für Schauspielerrechte auf die Straße. © picture alliance / gotpap / STAR MAX / IPx / gotpap / STAR MAX / IPx
Streik der Schauspieler offiziell beendet
Erst die Drehbuchautoren, dann die Darsteller: Hollywood hat einen historischen Doppelstreik erlebt, der nun auch offiziell beendet ist. In beiden Fällen wurde deutlich: Die Kreativen in der US-Filmindustrie haben Macht.
Die Mitglieder der US-Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA haben mit großer Mehrheit (78 Prozent) den neuen Vertrag mit den Filmproduktionshäusern ratifiziert. Damit findet ein monatelanger Streik in der Filmbranche nun auch offiziell sein Ende, nachdem die Gewerkschaft im November 2023 mit dem Verbund der großen Studios und Streaming-Anbieter bereits eine vorläufige Einigung über Mindestvergütungen und bessere Versicherungsbedingungen erzielt hatte.
Für Filmfans bedeutet das, dass sie 2024 mit einigen großen Starts rechnen können, die dieses Jahr wegen des Streiks nicht herauskamen. "Dune 2" oder "Deadpool 3" gehören dazu. Die Dreharbeiten an populären Formaten wie der neuen "Mission Impossible"-Folge oder der Netflix-Serie "Stranger Things" sollen nun weitergehen oder haben bereits begonnen.
Vier Monate lang hatten die Schauspielerinnen und Schauspieler für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt - erstmals seit 1980. Die erzielte Einigung ist ein Doppelerfolg: Bereits die Drehbuchautorinnen und -autoren erreichten nach mehrmonatigem Arbeitskampf Anfang Oktober Zugeständnisse seitens der Studios. Es war der erste Doppelstreik in der Filmbranche nach mehr als 60 Jahren.
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Was waren die Forderungen der Schauspieler?
Aufgerufen zu dem Arbeitskampf hatte die einflussreiche Gewerkschaft Screen Actors Guild (SAG-AFTRA), die rund 160.000 Schauspielerinnen und Schauspieler vertritt. Deren Präsidentin, Fran Drescher, wurde in den 1990er-Jahren mit der TV-Serie "Die Nanny" weltberühmt.
Sie sei geschockt, wie respektlos die Arbeitgeberseite auftrete, sagte Drescher bei Streikbeginn. Man habe in den bisherigen Gesprächen weit auseinandergelegen. Seit dem 7. Juni hatte die Schauspieler-Gewerkschaft mit den Vertretern der Studios verhandelt.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler verlangten ebenso wie Drehbuchautorinnen und -autoren angesichts der Inflation angemessene Honorare. Außerdem sorgen sie sich um die Vergütungen durch Streamingdienste wie Netflix. Aber auch wie Filmstudios künftig KI-Systeme einsetzen wollen, bereitet vielen in der Branche Sorgen. Gefordert wurden daher eindeutige Regeln für den Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Film- und Serienproduktion.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler fürchten, durch KI generierte Avatare ersetzt zu werden. Diese könnten etwa durch Scans von Darstellerinnen und Darstellern erzeugt und dann in beliebig vielen Filmen eingesetzt werden.
Vor allem für kleinere und Statisten-Rollen wäre dies ein mögliches Szenario. Gewerkschafterin Drescher sagte, wenn man jetzt nicht standhaft bleibe, werde man durch Maschinen ersetzt. Autorinnen und Autoren wiederum fürchten, dass die Studios bald Drehbücher von KI-Software schreiben lassen.
Worauf haben sich Schauspieler und Studios geeinigt?
SAG-AFTRA gab bekannt, dass der neue Vertrag mit den Studios eine Laufzeit von drei Jahren und einen Wert von mehr als einer Milliarde Dollar (rund 935 Millionen Euro) habe. Er beinhalte unter anderem eine überdurchschnittliche Mindestvergütung sowie Verbesserungen bei der Renten- und Krankenversicherung.
Ein Novum sind klare Regelungen, die die Künstler - etwa durch Ausgleichszahlungen - vor der Bedrohung durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) schützen sollen. So muss künftig die Zustimmung der Schauspieler eingeholt werden, wenn deren digitale Kopien verwendet werden.
Wird eine KI für eine Film- oder Serienproduktion verwendet, an der ein Schauspieler bereits mitwirkt hat, wird die Person genauso entlohnt, als hätte sie tatsächlich das getan, was ihr digitales Abbild tut. Auch bei der Erstellung synthetischer Charakter aus den Bestandteilen mehrerer Schauspieler braucht es die Erlaubnis der Personen, deren Bilder verwendet werden. Gewerkschaftsmitglieder sollen außerdem mit Blick auf Streamingdienste wie Netflix einen Bonus erhalten.
Mit der Rückkehr der Schauspielerinnen und Schauspieler an ihren Arbeitsplatz ging eine der längsten und größten Arbeitsniederlegungen in der Geschichte Hollywoods zu Ende. Auch der Branchenverband AMPTP, der die Filmstudios vertritt, äußerte sich. Die Mitglieder freuten sich darauf, "dass die Branche ihre Arbeit wieder aufnimmt, um große Geschichten zu erzählen", hieß es in einer offiziellen Erklärung.
Einigen Schauspielern geht die vereinbarte Regelung zum Umgang mit KI allerdings nicht weit genug. Denn wer sich weigert, ein digitales Abbild von sich erstellen zu lassen, muss damit rechnen, die Rolle nicht zu bekommen.
Wenn Schauspieler durch ihr digitales Abbild ersetzt werden, bedeutet das außerdem, dass weniger Schauspieler am Set sind und es somit weniger Arbeit für das Catering oder die Maske gibt.
Welche Folgen hatte der Streik für das Film- und Seriengeschäft?
So viel steht fest: Die Streikenden haben die Filmbranche in die Bredouille gebracht und damit gezeigt, dass sie Macht haben. Bereits der Drehbuchstreik war ein großes Problem für die Produzenten: So mussten etwa populäre Sendungen wie "Saturday Night Live" gestoppt werden. Die Produktion von Serien wie "Stranger Things" (Netflix), "Hacks auf Max" und "Family Guy" (jeweils Fox) wurde ausgesetzt. Als zusätzlich dann noch die Darstellerinnen und Darsteller streikten, mussten etliche weitere Produktionen - Filme und Serien - unterbrochen werden.
Nicht nur Dreharbeiten waren betroffen, sondern auch Promotiontermine. Streikende Darsteller dürfen nämlich keine Werbung für ihre Filme machen, also keine Pressetermine wahrnehmen, keine Interviews geben oder Premieren besuchen. Einen Vorgeschmack gab es am 13. Juli in London bei der Premiere des Films "Oppenheimer", die vorzeitig von Cillian Murphy, Emily Blunt und Matt Damon verlassen wurde. Obwohl in diesem Moment der Streik noch nicht begonnen hatte, wollten die Schauspieler nach eigenen Angaben so ihre Unterstützung für den Arbeitskampf zeigen.
Kinostarts ins nächste Jahr verschoben
Die Kinostarts von „White Bird“ mit Helen Mirren in der Hauptrolle und "Dune: Teil 2" wurden ins Jahr 2024 geschoben, ebenso der Dreh der Fortsetzung von "Dirty Dancing". Auch die Verleihung des Fernsehpreises Emmy wurde von September 2023 auf Januar 2024 verschoben.
Die Filmfestivals in Venedig und Toronto sagten wegen des Streiks Premieren ab. Das Filmfestival in Locarno Anfang August 2023 musste zwar keine Filme aus dem Programm streichen. Allerdings gab es einige Absagen von prominenten Gästen wie Schauspieler Stellan Skarsgård, aus Solidarität mit den Streikenden. Dabei hatte sich das Festival offen an die Seite der Streikenden gestellt.
Stars blieben Filmfestspielen fern
Bei der 80. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig Anfang September 2023 verzichteten Hollywoodstars wie Emma Stone und Bradley Cooper als Hauptdarsteller von „Poor Things“ und „Maestro“ auf den Besuch der Premieren. Die Premiere des Films „Challengers“ mit Zendaya in der Hauptrolle wurde aus dem Programm gestrichen, stattdessen lief der italienische Film „Comandante“ als Eröffnungsfilm.
US-Senator Bernie Sanders äußerte sich zum Streik auf Twitter. Der Politiker warf den Studiobossen in Hollywood Gier vor. Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte, Präsident Joe Biden glaube daran, dass alle Beschäftigten - auch Schauspieler - faire Löhne erhalten sollten. Unterstützung für die Streikenden bot der Hilfsfonds der Gewerkschaft SAG-AFTRA. Prominente wie Meryl Streep und Leonardo DiCaprio spendeten dafür schon Millionen Dollar.
Arne Bartram, Katharina Wilhelm, tei, mfied, mkn