Streik in Hollywood
Hollywoods Schauspieler fordern mehr Geld und Regeln für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. © picture alliance / Richard Shotwell / Invision / AP / Richard Shotwell
Serienstopps und verschobene Kinostarts

31.08.2023
Erst die Drehbuchautoren, dann die Schauspieler: Hollywood erlebt einen historischen Doppelstreik. Die Folgen des Arbeitskampfes bekommen auch Publikum und Festivals zu spüren.
Hollywood steht still: Seit 14. Juli 2023 streiken die Schauspielerinnen und Schauspieler - erstmals seit 1980. Es ist ein Arbeitskampf mit grundsätzlicher Bedeutung, zumal bereits die Drehbuchautoren in Hollywood streiken. Die Filmbranche erlebt damit erstmals seit mehr als 60 Jahren einen Doppelstreik.
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Was sind die Forderungen der Schauspieler bei ihrem Streik?
Aufgerufen zu dem Arbeitskampf hat die einflussreiche Gewerkschaft Screen Actors Guild (SAG-AFTRA), die rund 160.000 Schauspielerinnen und Schauspieler vertritt. Deren Präsidentin, Fran Drescher, wurde in den 1990er-Jahren mit der TV-Serie "Die Nanny" weltberühmt.
Sie sei geschockt, wie respektlos die Arbeitgeberseite auftrete, sagte Drescher beim Streikbeginn. Man habe in den bisherigen Gesprächen weit auseinandergelegen. Seit dem 7. Juni hatte die Schauspieler-Gewerkschaft mit den Vertretern der Studios verhandelt.
Schauspielerinnen und Schauspieler verlangen ebenso wie Drehbuchautorinnen und -autoren angesichts der Inflation angemessene Honorare. Außerdem sorgen sie sich um die Vergütungen durch Streamingdienste wie Netflix. Aber auch wie Filmstudios künftig KI-Systeme einsetzen wollen, bereitet vielen in der Branche Sorgen. Gefordert werden eindeutige Regeln für den Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Film- und Serienproduktion.
Die streikenden Schauspielerinnen und Schauspieler fürchten durch KI generierte Avatare ersetzt zu werden. Diese könnten etwa durch Scans von Darstellerinnen und Darstellern erzeugt und dann in beliebig vielen Filmen eingesetzt werden. Vor allem für kleinere und Statisten-Rollen wäre dies ein mögliches Szenario. Gewerkschafterin Drescher sagte: Wenn man jetzt nicht standhaft bleibe, werde man durch Maschinen ersetzt. Autorinnen und Autoren wiederum fürchten, dass die Studios bald Drehbücher von KI-Software schreiben lassen.
Wie reagiert die Filmwirtschaft?
Eine Frist für eine Einigung bei den Verhandlungen mit der Vereinigung der Film- und Fernsehproduzenten (AMPTP) war in der Nacht zum 13. Juli ohne Ergebnis ausgelaufen. Der Arbeitgeberverband der Film- und Fernsehproduzenten beklagte den Streik. Dieser werde Tausende in Mitleidenschaft ziehen, die in Branchen arbeiten und dem Filmgeschäft zuarbeiten, erklärte die AMPTP, der Konzerne wie Disney, Netflix und Amazon, Paramount, Sony und Warner Bros. Discovery angehören.
Trotzdem gibt es zwischen den Verhandlungspartnern offenbar keine Bewegung, im Gegenteil. So gibt es Berichte, das Studio Universal in Los Angeles habe Bäume beschnitten, die den Streikenden zuvor Schatten gespendet hätten. Die Stadt untersucht den Vorfall nun offiziell.
Der Doppelstreik kommt für die Studios zur Unzeit. Gerade kämpft die Filmwirtschaft darum, dass wieder mehr Menschen nach den extrem schwierigen Corona-Jahren öfter ins Kino gehen.
Welche Folgen hat der Streik für das Film- und Seriengeschäft?
Wegen des Autorenstreiks wurden Sendungen wie "Saturday Night Live" gestoppt. Die Produktion von Serien wie "Stranger Things" (Netflix), "Hacks auf Max" und "Family Guy" (jeweils Fox) wurde ausgesetzt. Da auch Darstellerinnen und Darsteller streiken, wird es weitere Produktionen treffen.
Nicht nur Dreharbeiten sind betroffen, sondern auch Promotiontermine. Streikende Darsteller dürfen nämlich keine Werbung für ihre Filme machen, also keine Pressetermine wahrnehmen, keine Interviews geben oder Premieren besuchen. Einen Vorgeschmack gab es am 13. Juli in London bei der Premiere des Films "Oppenheimer", die vorzeitig von Cillian Murphy, Emily Blunt und Matt Damon verlassen wurde. Obwohl in diesem Moment der Streik noch nicht begonnen hatte, wollten die Schauspieler nach eigenen Angaben so ihre Unterstützung für den Arbeitskampf zeigen.
Große Kinowochenenden dürften nach „Barbie“ und „Oppenheimer“ nun erst mal ausfallen. Die Kinostarts von „White Bird“ mit Helen Mirren in der Hauptrolle und "Dune: Teil 2" wurden ins Jahr 2024 geschoben, ebenso der Dreh der Fortsetzung von "Dirty Dancing". Filmfestivals müssen sehr viel weniger Stars begrüßen. Und die Verleihung des Fernsehpreises Emmy ist von September auf Januar verschoben worden.
Die Filmfestivals in Venedig und Toronto haben wegen des Streiks Premieren abgesagt. Das Filmfestival in Locarno (2. bis 12.8.2023) musste zwar keine Filme aus dem Programm streichen. Allerdings gab es einige Absagen von prominenten Gästen wie Schauspieler Stellan Skarsgård, aus Solidarität mit den Streikenden. Dabei hat sich das Festival – als einziges bisher – offen an die Seite der Streikenden gestellt.
Bei der 80. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig vom 30. August bis 9. September 2023 haben Hollywoodstars wie Emma Stone und Bradley Cooper als Hauptdarsteller von „Poor Things“ und „Maestro“ auf den Besuch der Premieren verzichtet. Die Premiere des Films „Challengers“ mit Zendaya in der Hauptrolle wurde aus dem Programm gestrichen, stattdessen lief der italienische Film „Comandante“ als Eröffnungsfilm.
Auch prominente Hollywood-Schauspielerinnen und -Schauspieler dürften als Streikposten eingesetzt werden. "Breaking Bad"- und "Better Call Saul"-Star Bob Odenkirk drückte via Twitter seine Unterstützung für den Arbeitskampf aus.
Der US-Senator Bernie Sanders äußerte sich ebenfalls auf Twitter. Der Politiker warf den Studiobossen in Hollywood Gier vor. Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte, Präsident Joe Biden glaube daran, dass alle Beschäftigten - auch Schauspieler - faire Löhne erhalten sollten.
Die Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA hat einen Hilfsfonds, auf den sich arbeitslose Darsteller bewerben können. Prominente wie Meryl Streep und Leonardo DiCaprio haben dort schon Millionen Dollar gespendet. Die Gewerkschaft hat außerdem angekündigt: sechs Monate könne man den Streik finanzieren.
Bei den Verhandlungen mit den Drehbuchautoren soll man sich beim Thema Künstliche Intelligenz und Drehbücher ein kleines Stück bewegt haben: Die Studios sagen vage, dass sie zu Schutzmaßnahmen bereit seien, dass die Autoren also nicht einfach von KI verdrängt werden könnten. Doch bei der Bezahlung habe man sich noch nicht einigen können.
Arne Bartram, Katharina Wilhelm, dpa, AP, AFP, tei, mfied