Hohenzollernschloss reloaded

Von Marietta Schwarz · 28.11.2008
Die Jury hat entschieden und den Entwurf des Italieners Francesco Stella zum Sieger erklärt im Wettbewerb um den Neubau des Stadtschlosses. Die Befürchtung, die viele Rekonstruktionskritiker im Vorfeld geäußert haben, ist nun Gewissheit: Aufbruchstimmung, Verve oder gar eine Zukunftsvision lassen sich aus dem historischen Korsett heraus eben doch nicht verbreiten.
Ein Raunen ging nicht durch die Luft, als heute Nachmittag um kurz nach zwei der Deckel vom Holzmodell gelüpft wurde und das zum Vorschein kam, was wir alle längst kennen: Das Hohenzollernschloss des 21. Jahrhunderts.

Der Name des neuen Baumeisters geisterte da schon ein paar Minuten durch die Journalistenmeute. Allein er sagte niemandem etwas. In den Redaktionen wurde wild gegoogelt, das einzige, was man über den 65-jährigen herausfand, war, dass er in Genua lehrt und irgendwann, Anfang der 70er Jahre auch mal etwas Größeres gebaut haben soll. Das war die erste Überraschung dieses Tages. Die zweite folgte zugleich mit den Worten von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee:

"Herzlichen Dank denjenigen, die in der Jury mitgeholfen haben, offen und sachkundig, manchmal kontrovers zu diskutieren, und ein gutes, einstimmiges, meine sehr verehrten Damen und Herren, einstimmiges Ergebnis zu finden."

In der Tat präsentierte sich das Preisgericht, das sich doch noch vor wenigen Tagen äußerst kritisch gegenüber den Vorgaben für den Wettbewerb zum Humboldtforum geäußert hatte, seltsam einmütig. Kein zweiter Preis wurde vergeben, sondern gleich vier dritte. Mehr als ein Wink mit dem Zaunpfahl, den Siegerentwurf gefälligst zu realisieren.

Eine architektonische Sensation liefert der freilich nicht. Die Vorgaben, wenn auch nicht alle, werden ordentlich, sogar rigide abgearbeitet. An drei Seiten zeigt sich der Neubau im alten Gewand, der Architekt setzt ihm sogar eine historische Kuppel auf, wo er Gestaltungsspielraum gehabt hätte, und er punktet vor allem beim Juryvorsitzenden Vittorio Lampugnani mit einer sehr diszipliniert ausgeführten vierten Seite an der Spree:

"Das ist das so genannte Schlossforum, ein neuer Durchgang, der im Grunde vom Lustgarten in die Stadt hineinführt, ein neuer öffentlicher Raum, es ist kein Platz, keine Straße, ich würde sagen, eine architektonische Erfindung, und es ist auf jeden Fall etwas, was über die Funktionen hinaus das das Schloss enthält, als ein Ort der Öffentlichkeit Berlin geschenkt wird."

Franco Stella bewältigt das üppige Raumprogramm, indem er einen der zwei Innenhöfe des Humboldtforums überbaut. Alt und neu, das ist ihm wohl gelungen, verschmelzen miteinander, Sinnlichkeit aber oder die von der Jury so betonte visionäre Strahlkraft findet man beim besten Willen nicht. Man kann loben, dass er nicht auf schnelle Effekte, sondern auf Wertigkeit der Materialien setzt. So tat es jedenfalls die Berliner Fachpreisrichterin Petra Kahlfeldt:

"Franco Stella hat die neu zu planenden Wände als 1 Meter dickes massives Mauerwerk geplant, weil er genau weiß, dass dieses Projekt nur gelingen kann, wenn es ein gleich klingender Vortrag ist von alt und neu. "

Die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hob hervor, dass es dem Architekten gelungen sei, die historische Fassade und die dahinterliegenden Räume zu einem gemeinsamen Ganzen zu verschmelzen.

"Der Entwurf bietet auch die Möglichkeit, historische Räume wieder zu errichten, sie wenigstens mal räumlich vorzusehen, und wer weiß, vielleicht gibt es mal irgendwelche Generationen nach uns, die die Finanzierung zusammenbekommen und noch eine Ausschmückung machen, das kennt man ja."

Dass die schön gerechneten 552 Millionen Euro auch ohne die Ausschmückung der historischen Räume für dieses Mammutprojekt bei weitem nicht ausreichen werden, dass sich die Fertigstellung länger hinziehen wird als bis Mitte der 10er Jahre, darüber wurde selbstverständlich nicht geredet. Heute war der Tag, an dem die Beteiligten den Geist des "ist ja noch mal gut gegangen" zu verbreiten suchten.

Es hätte ja wirklich auch schlimmer kommen können, wenn man sich nur mal die Drittplatzierten Entwürfe mit ihren Eierschneider-Kuppeln, archaischen Hofgestaltungen oder kleinteiligen Anbauten an der Spreeseite anschaut. Doch ob erster, dritter oder Sonderpreis: Insgesamt liefert der Wettbewerb ein mageres Ergebnis für dieses doch symbolträchtigste Bauvorhaben seit der Nachkriegszeit, das schließlich Aushängeschild des bundesdeutschen Architektur- und Kulturverständnisses sein wird.

Die Befürchtung, die viele Rekonstruktionskritiker im Vorfeld geäußert haben, ist nun Gewissheit: Aufbruchstimmung, Verve oder gar eine Zukunftsvision lassen sich aus dem historischen Korsett heraus eben doch nicht verbreiten.
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