Hörspiel über Klaus Barbie

Schlächter von Lyon: "Ich stehe zu dem, was ich war"

Klaus Barbie bei Prozesseröffnung am 11. Mai 1987.
Klaus Barbie bei Prozesseröffnung am 11. Mai 1987. © picture alliance / dpa / Roland Witschel
Von Andi Hörmann · 02.05.2016
Das Hörspiel-Doku-Drama "Klaus Barbie. Begegnung mit dem Bösen" begibt sich auf die Spuren des Nazi-Schergen und Massenmörders: In bisher unveröffentlichten Aufnahmen plaudert Barbie unbeschwert über seine Taten - und seine erstaunliche Karriere nach der NS-Zeit.
"Die Juden können nicht sehen, dass noch ein SS-Mann lebt, dass noch ein SS-Mann lebt und es wagt, überhaupt über die Straße zu gehen, und noch zu existieren, und noch ein Auto zu haben, und noch in der Stadt rumzufahren, und noch sich in ein Café zu setzen, wo die ganzen Juden hinkommen..."
Schauderhaft und beklemmend, wie Klaus Barbie, dieser Massenmörder und einer "der schlimmsten SS-Kriegsverbrecher" hier überheblich tönt. Wie er sich traut, sich zu produzieren. Selbstgefällig und ekelhaft.
"Man kann sich natürlich die Frage stellen: Darf man das? Darf man einen Klaus Barbie, so wie er sich selber beschreibt, zu Wort kommen lassen?
Fragt sich Peter Müller selbst. Über zwei Jahre hat der Journalist die Geschichte des "Schlächters von Lyon" recherchiert.
Und das kann ich nur mit einem eindeutigen Ja beantworten. Wir müssen das sogar tun. Weil es gibt nicht so viele solcher Art von Nachlässen von Kriegsverbrechern wie Klaus Barbie. Das nennt man in der Geschichtsforschung "Konstruktive Quellenkritik".

Psychogram eines Kriegsverbrechers

"Begegnung mit dem Bösen" hat Peter Müller sein dreistündiges Feature genannt. Mit erschreckenden O-Tönen des Verbrechers, die Gänsehaut erzeugen, die einen zusammenzucken lassen, erschrecken bis ins Mark – etwa wenn Barbie in einem Interview von 1979 den Ausgang einer Folter beschreibt.
"Er war zwar gefesselt, aber ich habe ihn nicht mit den Füßen fesseln lassen. Ich habe auch nicht dran gedacht. Die Wache hat nicht aufgepasst. Der hat einen Anlauf genommen und ist in die Mauer rein und hat sich den Schädel aufgeschlagen..."
Regisseur Leonhard Koppelmann konterkariert die Originalaussagen Barbies in nachgestellten Szenen mit Schauspielern und inszeniert so ein erschütterndes Doku-Drama als Psychogram eines Kriegsverbrechers.
"Natürlich ist er an den Verletzungen gestorben. Stellen sie sich da mal hin uns schlagen drei Stunden immer mit dem Kopf gegen die Mauer. Das war unglaublich..."

Foltern bis zur Bewusstlosigkeit - und dann ans Klavier

"Aber Klaus Barbie war eben auch ein Zyniker. Klaus Barbie konnte jemanden blutig schlagen und foltern bis zur Bewusstlosigkeit und sich dann ans Klavier setzen, nachdem er die Schweinslederhandschuhe ausgezogen hat und seine Lieblingsopérette 'Parle Moi d'amour' spielen. Das wissen wir von Zeugenaussagen von Opfern, die das ganze überlebt haben."
Als SS-Obersturmführer war Klaus Barbie maßgeblich am Ausmerzen des sozialdemokratischen und kommunistischen Widerstands im Nationalsozialismus beteiligt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs setzte er sich nach Südamerika ab, wo er unter dem Decknamen Klaus Altmann eine zweite Karriere als Agent für diverse Geheimdienste machte. Und dass, obwohl man ihn in Frankreich in Abwesenheit dreimal wegen seiner Gräueltaten zum Tode verurteilt hatte. Eine unglaubliche Geschichte.
Erst in den 1970er-Jahren gelingt es Beate Klarsfeld ihn in Bolivien ausfindig zu machen – und auch dann vergingen nochmals 13 Jahre bis er schließlich ausgeliefert wurde.
"Hydraulisch schließen sich die Türen. Die Motoren laufen. Und das Flugzeug rollt zur Startbahn."
Dass Klaus Barbie am Ende wieder in Lyon gelandet ist, hat natürlich einen hohen symbolischen Stellenwert. Lyon war die Stadt, wo er als Kriegsverbrecher gehandelt hat, als SS-Offizier. Und man wollte unbedingt, dass er seine erste Nacht auf französischem Boden in dem Gefängnis verbringt, nämlich in Montluc, wo er damals seine grausamsten Verbrechen begangen hat."
"Klaus Barbie. Begegnung mit dem Bösen" ist eindrucksvoll aufgearbeitete Zeitgeschichte ohne Effekthascherei – es ist ein journalistisches Puzzle - ein fiktiver Gerichtsprozess gegen das Vergessen unverzeihlicher Verbrechen dieses Nazi-Schergen, der bis zum Schluss ekelhaft ist: stoisch und stupide, ein unbelehrbares Ungeheuer mit gellender Gleichgültigkeit.
"Ich stehe zu dem, was ich war und was ich bin."
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