Hörbuch von Jens Rachut

Bis das Herz kapituliert

Computergrafik eines Herzinfarkts
Computergrafik eines Herzinfarkts © imago / Science Photo Library
Von Andi Hörmann  · 08.06.2015
Exzessiv leben, bis die Pumpe versagt. Im Hörbuch "Herzinfarkt" von Jens Rachut erzählen die Organe von ihrem baldigen Ende. Lunge, Gallenblase und Herz werden von Künstlern wie Bela B. und Martin Wuttke gesprochen. Ein gruseliges Endzeitszenario, verpackt in witzigen Bildern.
Ein Furz als Antwort auf das nervende Klingeln des Weckers. Ein klares Statement: die Welt kann mich mal! So simple und derb wie ein Schrei in einem Punksong. Anarchie und Aufbegehren – alles auf Kosten des Körpers. Die Quittung kommt mit der Diagnose:
"Herzinfarkt!"
Percy Rickenbreaker ist Musiker. Kategorie: One-Hit-Wonder. Der Erfolg war mal. Stattdessen: Korkenknallen in der Nacht, Kokain zum Aufstehen. Dazwischen: Masturbation. Und im Studio geht es auch nicht voran:
"Morning alle, an diesem beschissenen Dienstagmorgen. Was liegt auf?
Nasse Lappen sprühen Funken.
Und, zu gebrauchen?
Klar, letzte Nacht gebaut von mir. Könnte es schaffen, hab den Refrain von...
Bla, bla, bla. Keine Zeit. Eins, zwei, drei, Feuer frei. Piff paff..."
Der Musiker steht von allen Seiten unter Beschuss: Der Manager will Hits, die Mutter Aufmerksamkeit, die Ex-Frau Geld. Also hetzt Percy Rickenbreaker rastlos durchs Leben, Kette rauchend bis die Lunge protestiert.
"Ich hake, harke gerade, versuche die Härchen aufzustellen..."
Jens Rachut verlegt die Handlung seines Hörspiels "Herzinfarkt" ins Körperinnere. Die Organe werden dabei zu den Akteuren in dieser Nahaufnahme eines Raubbaus am Körper: Das Immunsystem rebelliert, die Augen motzen, die Gallenblase liegt im Clinch mit der vom Zigarettenqualm überstrapazierten Lunge.
"Was ist das für ein Gejaule, hast du Schulden, oder was?
Keuch-Gewitter den lieben langen Tag, bin wirklich nicht empfindlich, es gibt nur einen, den ich nicht mag, nicht Magen oder Blase, es ist die Galle.
Sieh lieber zu, dass dieser bestialische Gestank aus der Bude kommt statt mich zu beschimpfen. Ihr sollt arbeiten, damit hier eine Stimmung entsteht.
Gallenblase, Achtung, es reicht ..."
Bela B. spricht die Lunge
Viele der Sprecher in diesem Hörspiel sind selbst Musiker: Bela B. von "Den Ärzten" spricht die Lunge, Heinz Strunk die Gallenblase. In die Rolle des gebeutelten Herzens schlüpft der Schauspieler Martin Wuttke.
"Sir, hören sie, ich kann nicht so laut. Hier die letzten Zahlen: 100 zu 166, 110 zu 180 und selbst nachts 90 zu 145. Das sind die Werte, das schafft niemand. Wir brauchen bald noch drei Stenz dazu. Eine Kammer arbeitet mit halber Kraft, das Blut hat die Qualität von verschimmelten Hühnerdurchfall. Und wir haben überhaupt keine Pausen mehr. Sir, wenn das so weitergeht, befürchte ich das Schlimmste. Aber man soll ja nicht unken. Das geht auf die Psyche und mit der möchte ich nicht nackt Geisterbahn fahren. Wir brauchen Pause. Versteht das denn niemand?"
Und dann kommt er, der Super-GAU! Nach dem Herzinfarkt der Krebs. Im Gehirn spielt sich ein Psycho-Thriller ab.
"Guten Morgen Leute, hier spricht Toivo, euer Gehirn.
Da, da läuft er, ein Terrorist.
Sieht aus wie ein Windhund am Strand, der an den Bademeisterstuhl pinkelt. Alle verfolgen ihn."
Ein gruseliges Endzeitszenario, verpackt in witzige Bilder. "Herzinfarkt" von Jens Rachut ist beste Hörspiel-Unterhaltung im Comic-Format, so als hätte Quentin Tarantino "Es war einmal... Der Mensch" inszeniert, diese Kinder-Zeichentrickserie aus den 70er-Jahren. Getreue dem Motto: Immer ordentlich auf die Pauke hauen. Doch am Ende ist es das Herz, das aus dem Takt gerät und vorzeitig kapituliert.
"Ich verachte die Zeit, weil sie sich nicht anhalten lässt. Das war seine Lebensphilosophie, die von Percy Rickenbreaker."
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