Hörbuch

Lieblingsonkel erzählt über sein Leben

Armin Maiwald und "Die Maus" 2013 in Berlin
Armin Maiwald und "Die Maus" 2013 © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Ralf Bei der Kellen · 19.01.2015
Armin Maiwald gehört zu den "stillen Stars" dieses Landes: Er hat die berühmteste Maus Deutschlands mit erfunden. In der "Sendung mit der Maus" erklärt er seit vier Jahrzehnten die "Lach- und Sachgeschichten".
"Der erste Satz, der je in einer Sachgeschichte gesprochen wurde, war: 'Hier soll eine Autobahn gebaut werden.'"
Klar, das ist Armin von der Sendung mit der Maus, den kennen alle. Dass er aber Sätze wie den folgenden sagt, ist dann doch ungewöhnlich:
"Dann bin ich ihr an die Wäsche gegangen. Und von ihr kam der legendäre Satz: 'Wenn Du jetzt mit mir in die Kiste gehst, wirst Du mich nie wieder los.'"
Nein, in der "Sendung mit der Maus" hätte dieser Satz keinen Platz. Und da sind wir auch schon beim Punkt: Das Hörbuch klingt wie eine Sachgeschichte, es ist aber keine. Sondern eine Biographie mit extremen Höhen und ebensolchen Tiefen.
"Augenblicke, bei denen einem fast das Herz stehenbleibt."
Davon gibt es einige ganze Menge. Nicht nur, wenn Armin Maiwald seine Frau Ulla kennen und lieben lernt, sondern zum Beispiel auch, wenn es um seine Nachkriegskindheit geht.
"Meine älteste Erinnerung? Da war ein Fliegerangriff, da muss 1942 gewesen sein und wir wohnten noch ihn Köln."
Die Familie wird ausgebombt, flieht nach Schlesien, flieht dann vor der Roten Armee, kommt nach Bayern. In den letzten Kriegstagen stirbt der Vater. Es beginnt eine entbehrungsreiche Zeit. Kinder müssen genauso zum Überleben beitragen wie die Erwachsenen. Erstklässler Armin klaut Kohlen aus Güterzügen.
"Die Größeren hoben die Kleineren hoch bis auf die untersten Trittbretter. Natürlich waren die Züge bewacht. Auf den ersten und den letzten Wagen saßen Soldaten mit Gewehren, aber auf uns Kinder haben sie nicht geschossen."
Die Not macht erfinderisch – was ihm später noch zugute kommen sollte. Armin geht früh arbeiten. Auf dem Gymnasium wird eines Tages ein Schüler gesucht, der an einem frühen Fernseh-Format teilnehmen will. Das Los fällt auf ihn – und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.
"Bis dahin wollte ich eigentlich Schiffsbauingenieur werden. Was das genau werden sollte mit Theater und Fernsehen, davon hatte ich noch keine Vorstellung."
Eine Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik
In knapp sieben Stunden entfaltet sich ein Leben, dass von großem Arbeitseinsatz geprägt ist, aber auch von Zufällen und Schicksalsschlägen, wie zum Beispiel dem frühen Tod der Mutter.
"Ich hab' tagelang geheult, ich kriegte mich gar nicht mehr ein. Ich hätte mir so sehr gewünscht, ihr das Leben später etwas schöner zu machen, und ihr die aufopfernde Liebe, mit der sie ohne je eigene Wünsche zu äußern, und Kinder durchgebracht hat, zumindest ein wenig zurückzugeben. Es ist mir nicht gelungen."
Wer Armin Maiwald und die Maus, so wie der Autor dieses Beitrags, schon sein Leben lang kennt, für den ist dieses Hörbuch so, als ob einem der Lieblingsonkel zum ersten Mal seine Lebensgeschichte erzählt. Dass dieser Onkel sich manchmal in Details verliert und über die Dicke der Wände seines Hauses spricht oder von seinen Bandscheibenprobleme erzählt, verzieht man ihm gerne. Und natürlich ist so ein Leben auch voller unterhaltsamer "Maus"-Anekdoten.
"So beschwerte sich die Kirche, dass die Kinder wegen der Maus nicht mehr in den Kindergottesdienst kämen. Sie lief nämlich zunächst auf einem Platz so um die 10 Uhr herum, schließlich bekam sie ihren jetzigen Sendeplatz um 11 Uhr 30."
In "Aufbau vor laufender Kamera" erzählt Armin Maiwald nicht nur sein Leben, sondern auch eine Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik der letzten 60 Jahre – Nachkriegszeit, Wirtschaftswunder, kalter Krieg und nicht zuletzt die Entwicklung der Medien.
"Aber wen soll denn das interessieren? Es gibt doch weißgott eine Menge Leute, die ähnliches erlebt haben."
Dieses Hörbuch wendet sich an Maus-Fans, die in die Jahre gekommen sind. Für ganz junge ist es noch nichts. Aber durch die Stimme und die Vertrautheit könnte Armin Maiwalds Geschichte zu einer Art exemplarischen Lebenslauf werden, die Teenagern diese Zeit näher bringt – und das vielleicht besser, als irgendein Lehrer oder ein Eltern- oder Großelternteil das kann.
"Wenn das mal keine Nachhaltigkeit ist."
Denn: Armin Maiwald gehört bei vielen Menschen in diesem Land schon irgendwie zur Familie.
"Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet."

Armin Maiwald: Aufbau vor laufender Kamera. Geschichten aus meinem Leben
argon Hörbuch, Köln 2015
6 CDs in Multibox
6 Stunden, 53 Minuten
336 Seiten, 19,95 Euro

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