Hörbuch "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!"

Phrasen, Halbwahrheiten und Lügen der Politiker

Zwei humoristische Spielkarten zeigen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU/links) und Karl Theodor zu Guttenberg/CSU).
Merkels Festhalten an Guttenberg als damaliger Verteidigungsminister ist einer der politischen skandalträchtigen Episoden, die Jürgen Roth in seinem Hörbuch vertont. © picture alliance / dpa / Franz-Peter Tschauner
Von Georg Gruber · 19.10.2015
Eine bitterböse Abrechnung mit der politischen Klasse des Landes legt Jürgen Roth mit seinem Hörbuch "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!" vor. In Politikern sieht er Gehilfen der Wirtschaft, des Kapitals, der Banken - mit nur wenigen Ausnahmen.
Jürgen Roth ist tief eingetaucht in die Welt der Phrasen, Halbwahrheiten und Lügen. Entstanden ist dabei keine Chronik aller bundesdeutschen Skandale, sondern eine Abrechnung mit der politischen Klasse des Landes. Prominente Fälle werden da noch einmal in Erinnerung gerufen:
Hörbuch-Ausschnitt/Bundestag: "Es geht um die Grundlage der Demokratie: Darf ein Lügner und Betrüger im Parlament bleiben, darf er Minister bleiben?"
Merkel: "Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten oder einen Promovierenden oder einen Inhaber einer Doktorarbeit berufen, sondern mir geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister, die erfüllt er hervorragend und das ist das, was für mich zählt."
Für Jürgen Roth ist freilich etwas anderes eine viel größere Lumperei: Der Umbau des Sozialstaates, in Form der Agenda 2010 und der Hartz-IV-Gesetze.
Peter Hartz:"Heute ist ein schöner Tag für die Arbeitslosen in Deutschland ..."
Sprecher: "... hatte Peter Hartz, VW-Manager und späterhin verurteilter Schmiergeldverteiler und Organisator von Lustreisen für Betriebsräte am 16. August 2002 verkündet. Denn jetzt war der Weg frei geworden, durch die nach ihm benannten Sozialgesetze, Minijobs, Teilzeit- und Leiharbeiter, rabiate Leistungskürzungen und ruchlose Schikanen flächendeckend durchzusetzen und einzuführen."
Die Geschichte der Bundesrepublik ist aus Roths Perspektive eine Geschichte der Lüge, von Anfang an:
Sprecher: "Konrad Adenauer beteuerte wiederholt ..."
Adenauer: "... dass ich es verurteile, dass ehemals führende Nationalsozialisten versuchen, eine Rolle im politischen und öffentlichen Leben der Bundesrepublik zu spielen."
Sprecher: "Eine glatte Lüge, sein engster Vertrauter zum Beispiel, Hans Globke, Chef des Kanzleramtes, war ein Exponent, der, so der Rechtswissenschaftler Ingo Müller, furchtbaren Juristen des Dritten Reiches und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze gewesen."
Überall Lug und Trug
Wiederbewaffnung, Antikommunismus, Spiegelaffäre, Flick-Parteispendenskandal, der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan undsoweiter ... Lug und Trug wohin er blickt und hört. Die Politikerkaste besteht für Jürgen Roth vor allem aus Gehilfen der Wirtschaft, des Kapitals, der Banken. Kaum einer findet vor ihm Gnade, die SPD nicht, die Grünen nicht, einer der wenigen ist Bundespräsident Gustav Heinemann:
Heinemann: "Ich liebe nicht den Staat, sondern ich liebe meine Frau."
Alle anderen Bundespräsidenten reihen sich ein in die Klasse der Politiker, für die er nur Verachtung übrig hat. Allein die Partei Die Linke wird von ihm verschont, ganz so als wären Lafontaine, Gysi und Co ohne Fehl und Tadel. Sie treten in dem Hörbuch immer wieder als diejenigen auf, die die Wahrheit aussprechen:
"Vor einiger Zeit haben sich einige darüber aufgeregt, dass Ackermann seinen 60. Geburtstag im Bundeskanzleramt feiert, ich hab gesagt, ich reg mich überhaupt nicht auf, das ist ein Beitrag zur Ehrlichkeit in der Demokratie."
Höhepunkt dieser furiosen, bitterbösen und polemischen Abrechnung, die in ihren über zweieinhalb Stunden durchaus Längen hat, ist eine rund 15-minütige Collage, die fast nur aus Merkel-O-Tönen besteht. Merkel ist für Roth die Repräsentantin einer Zeit, in der – Zitat – "Tag für Tag die Tatsachenwahrheiten fortgelogen werden".
Merkel: "Und ich sage auch in Richtung der Banken, wenn hier jemand in unserer Gesellschaft eine Gegenleistung erbringen muss, dann ist das nicht der Staat gegenüber den Banken, sondern dann sind das die Banken gegenüber dem Staat und damit gegenüber den Menschen in Deutschland, aus dieser Verantwortung werden wir sie nicht entlassen, meine Damen und Herren."
Letztlich ist es immer wieder die Sprache, will er uns sagen, die die wirklichen Absichten und Gedanken gerade nicht transportiert, sondern im Gegenteil: vernebelt. Ein Hörbuch für Politikverdrossene – der Markt ist groß.

Jürgen Roth: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! Lügen und Lumpereien aus siebzig Jahren
Mit Georg Schramm, Mathias Tretter u.a.
Kunstmann, München 2015
2 CDs Seiten, 19,95 Euro

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