Hochkultur und Popkultur

Weg mit den Schubladen!

34:18 Minuten
Szene aus "Drei Milliarden Schwestern" in der Volksbühne Berlin, 2018. Eine Opernentwicklung nach Anton Tschechow. Text und Regie: Bonn Park. Komposition: Ben Roessler.
Fehlt eigentlich nur noch das Popcorn: Szene aus "Drei Milliarden Schwestern". © imago / Martin Müller
Von Johannes Nichelmann und Emily Thomey · 16.12.2021
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Die Unterteilung in ernste und unterhaltende Kultur ist ein recht deutsches Phänomen. U und E: Das wirkt wie aus der Zeit gefallen. Wer braucht das noch? Ein Gespräch mit Medienwissenschaftlerin Maren Lickhardt und Film- und Theatermacher Bonn Park.
Die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth muss sich mit der U- und E-Frage auseinandersetzen. In Interviews und Kommentaren taucht der Vorbehalt auf: Kann eine ehemalige Bandmanagerin mit Subkultur-Erfahrung auch Hochkultur?
Der Expertise-Check ist nicht ungewöhnlich für Menschen in einer neuen, besonderen Position. Die Unterteilung der Kulturwelt wirkt allerdings eher aus der Zeit gefallen. Wir fragen die Medienwissenschaftlerin Maren Lickhardt: Woher kommt diese Unterteilung eigentlich? Und braucht die beiden Buchstaben U und E wirklich noch jemand?

Auch Goethe ist Unterhaltung

Lickhardt forscht an der Universität Innsbruck zu Popkultur und leitet den Sonderforschungsbereich "Transformation des Populären" an der Uni Siegen. Schon vor hundert Jahren habe es Bestrebungen gegeben, die Unterscheidung in Hoch- und Unterhaltungskultur abzuschaffen, berichtet sie. Und auch Goethe sei genaugenommen Unterhaltung.
Trotzdem halte eine – wenn auch sehr kleine – Gruppe von Menschen an einer Abwertung des lustvoll Unterhaltenden fest. Schadet das der Kulturproduktion? Und was heißt das für die Kulturschaffenden?

Das "Reclam-Genre" zugänglicher machen

Bonn Park hält die zwei Kategorien für völlig sinnlos. In seinem Theaterstück „Die Räuber der Herzen“ mischt er filmische Vorlagen wie „Ocean’s Eleven“ mit dem Klassiker von Schiller und schickt bei der Oper „Drei Milliarden Schwestern“ Laiendarstellende auf die Bühne, die das Stück während der Proben mitgeschrieben haben.
Der Dramatiker und Filmemacher hat Spaß daran, das „Reclam-Genre“, wie er „Die Räuber“ oder „Faust“ kategorisiert, durch den Mix mit anderen Genres zugänglicher zu machen. Fehlt eigentlich nur noch das Popcorn. Und ein bisschen mehr Bewegungsfreiheit, wie es zu Shakespeares Zeiten auch schon mal der Fall war.
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