Relevanz von Kultur

Sind Theater zu elitär?

Leere Reihen rot bezogener Sitze in einem Theater
Theater werden staatlich subventioniert, doch vor allem junge Menschen bleiben fern: Sie fühlen sich nicht angesprochen. © imago
01.06.2023
Kulturelle Einrichtungen finden die meisten wichtig. Doch ins Theater strömen sie deswegen nicht. Zahlen dazu liefert der „Relevanzmonitor Kultur“ von der Bertelsmann-Stiftung. Vor allem Jüngere fragen sich demnach: Was hat Theater mit mir zu tun?
Die sogenannte Hochkultur ist hoch subventioniert. Im Jahr 2020 gab der Staat laut Kulturfinanzbericht dafür 14,5 Milliarden Euro aus, fast ein Drittel entfiel dabei auf Theater und Musik. Natürlich schlugen in dem Jahr die Pandemie-Notprogramme stark zu Buche, als es hieß: Kultur ist systemrelevant.

Viele schätzen die Theater, gehen aber nicht hin

Bis heute ist der Rückhalt vieler Menschen in Deutschland für Kulturangebote hoch. Das belegt der „Relevanzmonitor Kultur“, eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.
Unter den 2505 repräsentativ ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern sprachen sich 76 Prozent dafür aus, dass Theaterhäuser weiter mit Steuergeldern finanziert werden sollten. 82 Prozent waren der Meinung, Theater gehörten zu Deutschlands kultureller Identität. Und sogar 91 Prozent meinten, dass die kulturellen Angebote der Theater erhalten bleiben sollten.

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Andererseits waren 37 Prozent noch nie bei einem klassischen Konzert, einer Opern-, Ballett- oder Tanzaufführung; zehn Prozent noch nie bei einer Theateraufführung. Gut jeder Vierte gab an, dass er sich in Theatern fehl am Platz fühle. In der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren gaben das sogar 39 Prozent an. Theater richtet sich nicht an „Menschen wie mich“: Das meinten 43 Prozent der unter 30-Jährigen.

Theater für Akademiker

Dass sich Theater auf ein akademisch gebildetes Publikum eingestellt haben, bestätigt Theaterkritiker André Mumot. Wer bestimmte Diskurse nicht mitverfolge und die Terminologie nicht kenne, werde immer wieder „vor den Kopf gestoßen“. Ein Beispiel dafür: „Hamlet“, inszeniert von Philipp Preuss am Anhaltischen Theater Dessau, 2023 eingeladen zum Theatertreffen Berlin. Ästhetisch interessant und mit gleich zwei Hamlets. Doch wer das Stück nicht genau kannte, hatte kaum eine Chance, es zu verstehen. Vor allem ein junges Publikum interessiert sich nach Überzeugung Mumots nicht dafür, wie „wahnsinnnig unkonventionell“ die Aufführung war.

Was tun Theater, um Publikum zu gewinnen?

Dabei sind sich Theater durchaus des Problems bewusst. Nach Einschätzung von Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles, haben sie verstanden, dass sie für junge Leute inhaltlich relevante Inhalte spielen müssen und nicht nur das klassische Repertoire. „Wir bemühen uns sehr aktiv, die Schwellen zu senken“, betont Reese.
Eine ganztags öffentlich zugängliche Kantine zählt er genauso dazu wie kostenfreie Vermittlungsangebote und eine Reihe von „jungen“ Stoffen. Ein Publikumsliebling sei „It’s Britney Bitch“, der in der kleinsten Spielstätte gestartet sei und nun im großen Haus gespielt werde – über 50 Mal sei das Stück bereits ausverkauft gewesen.
Zu Beginn der nächsten Saison schaffe man die Garderobengebühr ab. Außerdem diskutiere man im Ensemble, ob man in den jüngeren Spielstätten Getränke im Saal zulassen soll, so der Intendant des Berliner Ensembles.

Wie steht es um Besucherzahlen?

Reese kann sich schon jetzt über die Auslastung seines Theaters nicht beklagen: „Unser Theater hat eine Platzausnutzung, wie ich sie noch nie in meinem Theaterleben hatte, nämlich im Schnitt 95 Prozent“, sagt er. Der pandemiebedingte Besucherschwund sei weitestgehend behoben. Er erlebe eine starke Sehnsucht, gemeinsam Kultur zu genießen.
Auch die vom Deutschen Bühnenverein veröffentlichten Zahlen für die Spielzeit 2022/23 sind nicht so schlecht: Danach stieg die durchschnittliche Auslastung von 67 Prozent im September auf 80 Prozent im Dezember 2022. Theaterkritiker Mumot attestiert den Theatern, dass sie sich um neues Publikum bemühen. "Dschinns" von Fatma Aydemir am Maxim Gorki-Theater ist für ihn ein Beweis dafür: Es sei humorvoll, sinnlich, anspruchsvoll und trotzdem nicht seicht.
Eines sollten Theater nicht schlussfolgern, meint Mumot: dass das Theater als öffentlich geförderte Kunstform „wahnsinnig kommerziell auftreten muss und nur noch leichte Unterhaltung und ästhetisch simple Aufführungen präsentieren“ sollte. Das Besondere an der deutschen Theaterlandschaft sei doch, dass Kunst finanziert wird, „die auch nicht jedem gefallen muss“.
bth
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