Historikerin über Erinnerung an die Sklaverei

"Im Grunde muss man die Geschichte der USA neu schreiben“

08:21 Minuten
Eine Gravur zeigt eine Sklavenauktion in den USA um 1870. Eine Frau umarmt dabei schützend Ihre Tochter. Um sie herum stehen Männer mit Hüten und der Auktionator auf einem Fass.
Sklavenauktion in den Vereinigten Staaten 1870. © imago images / Artokoloro
Birte Förster im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 27.07.2020
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Die Aufarbeitung der Geschichte der Sklaverei hat in den USA politischen Zündstoff. Die Historikerin Birte Förster stellt ein geschichtspolitisches Projekt vor, das durch den republikanischen Politiker Tom Cotton bekämpft wird. Cotton könnte 2024 Präsidentschaftskandidat werden.
Die Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 gilt als Gründungsmythos der Vereinigten Staaten von Amerika. Doch es gibt eine zweite Jahreszahl, die im Zuge der Black Lives Matter-Bewegung mehr ins historische Bewusstsein gerückt wird: 1619.
"Im August 1619 sind die ersten 20 bis 30 afrikanischen Sklaven in der Kolonie Virginia angelandet", sagt die Historikerin Birte Förster in unserem Programm.
Prominent wurde die Debatte um die Bedeutung dieses Ereignisses durch einenen Essay der US-amerikanischen Journalistin Nikole Hannah-Jones in der "New York Times".

Für die Geschichtswissenschaft nichts Neues

Im Grunde müsse man die Geschiche neu schreiben, meint auch Förster, was in der Geschichtswissenschaft aber bereits längst stattfinde. "In der Geschichtswissenschaft ist das natürlich eigentlich klar, dass dieses Datum für die ökonomische und auch für die demokratische Entwicklung der USA wichtig ist."

Unterrichtsmaterialien für den Schulunterricht über "The 1619 Project" stellt in den USA auch das Pulitzer Center in Washington zur Verfügung. Es geht darum, der US-Bevölkerung Informationen über die Geschichte der Schwarzen in den USA breit zugänglich zu machen.
Doch die Aufklärungsarbeit über die Sklavereigeschichte hat nicht nur Unterstützer. Den Kampf hat ihr vor allem der republikanische Politiker Tom Cotton angesagt. Cotton gilt in den USA als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Präsidentschaftskandidatur 2024. Und er will Schulen, die Materialien des Pulitzer Center einsetzen, die Mittel kürzen. Sklaverei, sagt er, sei ein "notwendiges Übel" gewesen.
Die Historikerin Förster nennt diese Aussage "eine unglaubliche Verfehlung", zumal das Projekt auf die ungeheure Brutalität der Sklavenhaltung aufmerksam mache. "Sie konnten Sklaven ermorden, verkaufen, vergewaltigen, ohne dafür belangt zu werden." Zwar verspreche die amerikanische Verfassung schon früh, dass die Bürger ihr persönliches Glück verfolgen können. "Das galt aber eben nicht für alle, sondern das galt für die weißen Bewohner des Landes", so Förster.

Das "Projekt 1619" kratze am Selbstverständnis der USA, die ihre Demokratie immer auch als "ideologischen Exportartikel" verstanden hätten.

(huc)
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