Historiker und Ethnologe Rainer Buschmann

"Der Südpazifik war kein deutsches Kolonialparadies"

32:24 Minuten
Rainer Buschmann trägt eine schwarze Brille und einen Dreitagebart und schaut freundlich in die Kamera.
Erst Weltenbummler, dann über drei Jahrzehnte zuhause in den USA: der Ethnologe und Historiker Rainer Buschmann. © California State University, Channel Islands
Moderation: Annette Riedel · 19.08.2021
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Seit 33 Jahren lebt Rainer Buschmann in den USA, über zehn Jahre davon auf Hawaii – zu Forschungszwecken. Sein Gebiet: die Geschichte der Pazifikregion. Hier erforscht er auch die Spuren der deutschen Kolonialgeschichte.
Hawaii, der 50. Bundesstaat der USA, weckt viele Assoziationen. Studium und Universität dürften als Stichworte aber eher selten fallen. Doch genau das machte Rainer Buschmann hier: Er studierte Ethnologie und Pazifische Geschichte.
"Es gibt in den Vereinigten Staaten nur die Universität Hawaii, die ein Doktorprogramm in dieser exotischen Geschichtsrichtung hat. Sonst hätte ich nach Neuseeland oder Australien fahren müssen", berichtet er.

Der Klimawandel und die Südsee

Inzwischen ist Buschmann Professor an der California State University. Dort ist einer seiner Forschungsschwerpunkte der südpazifische Raum, also das, was man gemeinhin die Südsee nennt. Aktuell beschäftigt er sich mit den Folgen des Klimawandels, den man hier besonders deutlich spürt.
Die Südsee, sagt der Wissenschaftler, verbänden viele Menschen mit Korallenatollen: "Der Wasserspiegel braucht sich nur um ein bis zwei Meter zu erhöhen, dann gibt es die nicht mehr."
Das klingt eher nach den Beobachtungen eines Meeresbiologen, weniger nach einem Historiker. Doch wenn man zum Südpazifik forsche, sagt Buschmann, dürfe man die Grenzen nicht so eng ziehen: "Man muss sich gleichzeitig ein bisschen mit Biologie auskennen, ein bisschen mit Ethnologie, ein bisschen mit Politikwissenschaften."

Das deutsche Kolonialerbe

Besonderes Interesse hat der gebürtige Bremer an der deutschen Kolonialgeschichte im Südpazifik. Bis 1914 hielt das Deutsche Reich hier zahlreiche Gebiete besetzt, darunter Teile des heutigen Papua-Neuguinea.
Durch die Diskussionen um das deutsche Kolonialerbe in den vergangenen Jahren sei auch die Geschichte des Südpazifiks mehr in den Mittelpunkt gerückt, sagt der Historiker. Lange habe sich der Mythos gehalten, hier habe es sich um ein "deutsches Kolonialparadies" gehandelt. Götz Aly habe mit seinem Buch "Das Prachtboot" versucht, diese Vorstellung ein wenig geradezurücken. Ein wichtiger Schritt, findet Rainer Buschmann.
Bewohner der Südseeinseln reagieren eher positiv, wenn man sie auf die deutsche Besatzung anspricht, so die Erfahrung des Ethnologen. Hier müsse man aber vorsichtig sein, betont er. Die deutsche Kolonialzeit liege nun schon fast 120 Jahre zurück, nach dem Deutschen Reich folgten Japan, die USA und Australien.
Außerdem sei es in der pazifischen Region so, dass man anderen Menschen "nie etwas Schlechtes sagen" wolle. "Wenn ich als Deutscher in die Südsee reise und Leute zur deutschen Kolonialgeschichte befrage, werden die mir immer etwas Positives erzählen. Daher kommt ja auch dieses Stereotyp, dass Leute aus dem Pazifik sehr nett sind."

Der Weltenbummler

Bis heute, so der Historiker, finde man im Südpazifik noch immer deutsche Spuren, auch nach über hundert Jahren: "Die Sprache von Papua-Neuguinea hat noch einige deutsche Wörter. Dann gibt es auch eine ganz kleine Region auf Neubritannien, die 'Unserdeutsch' spricht, es sind wenige Hundert Sprecher. Und natürlich gibt es architektonische Reste."
Rainer Buschmann ist viel unterwegs. Schon als Kind ist er nicht lange an einem Ort geblieben. 1965 wird er in Bremen geboren. Der Vater arbeitet bei Krupp, die Familie zieht bald nach Essen. Anfang der 1970er-Jahre wird der Vater nach Barcelona versetzt, also geht die Familie mit.
Im Rückblick sieht der Wissenschaftler diese Zeit positiv: "Man wird so ein bisschen zum Weltenbummler."
Später gelangt Buschmann durch seine Tante in die USA. Seit 33 Jahren lebt er nun dort. Sein Deutsch ist mittlerweile mit amerikanischem Akzent gefärbt. Bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn will er auf jeden Fall bleiben.
Über eine Rückkehr nach Deutschland hat er dennoch schon mehrfach nachgedacht. Donald Trump war ein Grund, die veränderten klimatischen Verhältnisse in Kalifornien ein anderer:
"Die Feuergefahr ist immer präsent. Im Moment sind die Brände alle im nördlichen Kalifornien. Es beeinträchtigt die Lebensqualität, die Luftqualität. Das Leben hat sich verändert."
(ful)
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