Historiker über Datenschutz in der Coronakrise

Wenn die Freiheit der Gesundheit geopfert wird

07:57 Minuten
Eine Passagierin warten mit Atemschutzmaske und ihrem Handy am Check-In Schalter auf dem Frankfurter Flughafen.
Handydaten sollen in der Coronakrise ausgewertet werden, eine Schutzmaßnahme oder Eingriff in die Freiheit der Bürger? © Getty Images/ Thomas Lohnes
Andreas Rödder im Gespräch mit Nana Brink · 24.03.2020
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Handydaten zur Verlaufskontrolle der Corona-Pandemie: Noch ist das eine Idee in Deutschland, nicht Gesetz. Doch der Historiker Andreas Rödder warnt: Wir gewöhnen uns an Unvorstellbares. Geben wir bald unsere Daten an den Staat - im Dienste der Gesundheit?
In Südkorea stellen Bürger staatlichen Behörden ihre Daten zur Verfügung - im Zuge der Coronakrise ist das längst Praxis. Und in Taiwan kontrolliert eine App, ob sich alle an die Auflagen zur Eindämmung des Virus halten. Noch sind derartige Maßnahmen nicht in die jüngste Novelle des deutschen Infektionsschutzgesetzes eingeflossen. Doch ganz vom Tisch sind sie nicht. Handydaten könnten hilfreich sein, um einer Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken.
Der Historiker Andreas Rödder meint: "Wir sind gerade dabei, uns an Unvorstellbares zu gewöhnen, die Erfahrung zu machen, dass Dinge, die wir gestern noch für unvorstellbar gehalten haben, heute zur Normalität werden."
Andreas Rödder im Porträt
Der Historiker Andreas Rödder© imago images/Müller-Stauffenberg

Aus Freiwilligkeit kann Zwang werden

Im Zweifelsfall gehe es hier nicht um die Frage: freiwillig oder nicht freiwillig, so Rödder:
"Wir stehen vor der ganz grundsätzlichen Debatte, wie ist das Verhältnis zwischen Freiheit und Gesundheit? Und wie stark kann ich mich auf meine persönliche, private Autonomie zurückziehen? Oder wie weit werde ich verpflichtet, Daten mitzuteilen, dem Staat zugänglich zu machen? Das heißt, kann ich noch irgendwohin gehen, ohne dass ich darüber Rechenschaft ablegen muss? Oder kann es sein, dass aus Gründen der Gesundheit, der Vermeidung einer Pandemie ich gezwungen werde, alles, was ich tue, staatlichen Stellen zugänglich zu machen? Das heißt, wie unabhängig ist der Mensch eigentlich noch von der Maschine, vom Smartphone, vom Internet?"
Hier würden "grundsätzliche Fragen" aufgeworfen, "die wir in der modernen bürgerlichen Gesellschaft in den letzten 200 Jahren diskutiert und ausgefochten haben", so Rödder weiter. Auch bei freiwilligen Regelungen könne der soziale Druck so groß werden, dass die einfache Gegenüberstellung von Freiwilligkeit oder Zwang der Debatte nicht mehr standhalte.
(bth)
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