Hey: Harmonisierung der europäischen Energiepolitik wäre das Aus

Christian Hey im Gespräch mit Marietta Schwarz |
Der Generalsekretär des Sachverständigenrates für Umweltfragen, Christian Hey, warnt vor dem EU-Sondergipfel vor einer Vereinheitlichung der Ökostromförderung, wie sie Energiekommissar Günther Oettinger vorgeschlagen hatte.
Marietta Schwarz: Beim heutigen Gipfel der Europäischen Union geht es ja nicht nur um den Euro, sondern auch um eine der großen Zukunftsfragen, nämlich die der Energie. Bis 2020 will die EU ihren Treibhausgasausstoß um ein Fünftel senken, gleichzeitig die Energieeffizienz um ein Fünftel steigern, allerdings ist sie von diesem Ziel noch weit entfernt. Der Wettbewerb der Stromanbieter ist blockiert, es fehlen Transportnetze, und in Gebäuden, in der Industrie und beim Transport wird Energie nach wie vor nicht effizient genug genutzt. Was muss passieren, damit wir die Ziele erreichen können? Fragen dazu an Professor Christian Hey, er ist Generalsekretär des Sachverständigenrats für Umweltfragen. Guten Morgen!

Christian Hey: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Herr Hey, aus Ihrer Studie geht hervor, dass Deutschland durchaus in der Lage wäre, sich bis 2050 vollständig mit grünem Strom versorgen zu können – aber bestimmt nicht, wenn wir so weitermachen, wie bisher, oder?

Hey: Nein, da muss sich ein bisschen schon ändern. Also wir haben in unserer Studie, die letzte Woche vorgestellt worden ist, deutlich gemacht: Es geht, 100 Prozent erneuerbare Stromversorgung bis 2050. Wenn wir das machen wollen, dann wird das auch kostengünstiger als jede andere Strategie, Deutschland auf eine klimaneutrale Stromversorgung zu bringen. Natürlich ist es so, dass sowas nicht sinnvoll ist, nur im nationalen Alleingang zu machen. Da ist es auch notwendig, dass wichtige begleitende Impulse auch von der Europäischen Union ausgehen.

Schwarz: Wird der heutige Gipfel Beschlüsse in die richtige Richtung fassen, glauben Sie?

Hey: Es wird sicherlich einige Beschlüsse geben, die in die richtige Richtung gehen, aber der Gipfel wird sicherlich auch zu kurz springen. Es stehen ganz andere Themen im Vordergrund, das Thema erneuerbare Energien und das mit einer Zeitperspektive über 2020 hinaus ist in den Diskussionen in den letzten Jahren, letzten Monaten ziemlich in den Hintergrund gerückt.

Schwarz: Günter Oettinger, Europas oberster Energiepolitiker, der würde ja gerne die unterschiedlichen Fördersysteme für erneuerbare Energien in den EU-Mitgliedsstaaten vereinheitlichen. Gehören Sie auch zu den Kritikern dieses Vorhabens oder zu den Befürwortern?

Hey: Wir interpretieren das, wenn man das jetzt macht, durchaus als einen Großangriff auf ein weltweites Erfolgsmodell.

Schwarz: Das deutsche.

Hey: Deutschlands, das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist so ein weltweites Erfolgsmodell, das inzwischen in 70 Ländern weltweit nachgeahmt wird. Es hat zu einem international einmaligen Boom von erneuerbaren Energien geführt, es war also sehr, sehr wirksam, und es ist unbedingt erforderlich, an diesem Instrument festzuhalten, es natürlich weiterzuentwickeln, wenn man auf 80 bis 100 Prozent Erneuerbare kommen will. 80 Prozent steht ja auch im Energiekonzept der Bundesregierung. Wenn man jetzt anfangen würde, die Förderbedingungen europaweit zu harmonisieren, dann wäre das tatsächlich das Aus für den Boom der Erneuerbaren in Deutschland. Insofern ist es gut, dass die Bundesregierung oder Deutschland Herrn Oettinger ausgebremst hat mit seinen Plänen. Jetzt sieht das wesentlich vorsichtiger aus und vernünftig aus. Man will die Kooperation zwischen den Ländern verstärken. Das sieht auch eine Richtlinie aus dem Jahre 2009 vor, dass man grenzüberschreitend die Zusammenarbeit stärkt, aber nicht eine Harmonisierung auf europäischer Ebene. Das wäre sicherlich der falsche Schritt und bestenfalls der letzte Schritt vor einigen Dingen, die vorher unbedingt kommen müssen.

Schwarz: Deutschland steht ja EU-weit bei den Energiesparzielen am schlechtesten da. Warum?

Hey: In Deutschland gab es eine heftige Auseinandersetzung schon vor zwei Jahren um die Umsetzung der viel zu laschen Vorgaben auf der europäischen Ebene. Man konnte sich in Deutschland eigentlich nicht darauf einigen zwischen Wirtschaftsministerium und Umweltministerium, dass man wirksame Maßnahmen ergreift. Alles bleibt so etwas im Vagen und Freiwilligen, und das liegt natürlich auch daran, dass die entsprechende EU-Richtlinie sehr stark auf Freiwilligkeit setzt und nicht auf Verbindlichkeit setzt, und dann kommt nicht sehr viel raus.

Schwarz: Wo sind denn Ihrer Meinung nach nationale Alleingänge sinnvoll und wo nicht?

Hey: Es geht nicht um nationale Alleingänge, sondern es geht darum, sagen wir, ein Europa der mehreren Geschwindigkeiten voranzutreiben, das heißt, dass das sicherlich notwendig ist, dass einzelne Länder ein Stück weit vorauseilen, das tut Deutschland im Bereich Klimaschutz, will es auch tun im Bereich der erneuerbaren Energien, aber dass natürlich auch europaweit die Politik, der Gleitzug in eine ähnliche Richtung geht. Die Beschlüsse, die in den Jahren 2008, 2009 gefällt worden sind, gehen genau in diese Richtung, und da sollte man auch konsequent fortfahren. Wir haben eine Erneuerbare-Energien-Richtlinie zum Beispiel beschlossen auf europäischer Ebene, die faktisch dazu führt, dass der Anteil von erneuerbaren Energien im Stromsektor auf über ein Drittel der Stromversorgung in ganz Europa anwachsen wird. Das heißt also, wir haben hier schon europaweit so etwas wie einen Gleichschritt zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien hier in Deutschland und dem in Europa erreicht. Da bedarf es eigentlich gar keiner Harmonisierung mehr.

Schwarz: Eine große Schwachstelle ist ja momentan noch die Steigerung der Energieeffizienz. Was müsste hier EU-weit beschlossen werden?

Hey: Eigentlich steht an, dass die Effizienzziele, die bereits geschlossen worden sind, nun auch rechtlich verbindlich umzusetzen sind. Nur dadurch, dass das europaweit rechtsverbindlich geschieht, werden die Mitgliedsstaaten auch gezwungen, wirksame Maßnahmen zu ergreifen und sozusagen mal die Widerstände zu überwinden, die es natürlich gibt. Die Widerstände entspringen zum einen der Tatsache, dass, wenn man Effizienz vorschreibt, natürlich bestimmte Akteure weniger Energie, weniger Strom verkaufen können. Das mögen sie nicht, dass man hier sozusagen mal eben ihren Markt angreift, obwohl jeder weiß, dass Energieeffizienz eigentlich ein enormes neues und sehr profitables Geschäftsfeld sein könnte, aber vielleicht nicht für die, die Strom verkaufen, sondern für die, die Energiedienstleistungen verkaufen, und das sind andere. Außerdem muss man für Energieeffizienz natürlich am Anfang einiges Geld in die Hand nehmen, man muss investieren in effizientere Geräte, in effizientere Leuchtmittel, und natürlich auch ganz besonders im Gebäudebereich, und das kostet erst mal. Langfristig rentiert es sich sehr, aber die Leute sehen, die Akteure sehen viel zu stark die Investitionskosten und viel zu wenig die Erträge. Und gerade deshalb bedarf es auch verbindlicher regulativer Vorgaben und Anreize, und so weit will man weder in Deutschland noch in vielen anderen Ländern Europas gehen.

Schwarz: Also noch viel zu tun, Christian Hey, Generalsekretär des Sachverständigenrats für Umweltfragen, zu den Erwartungen an den heutigen EU-Sondergipfel zu Energiefragen. Herr Hey, vielen Dank für das Gespräch!

Hey: Gerne!
Mehr zum Thema