Hexenverfolgung

"Heut gefoltert, morgen tot"

Reliefdarstellung der letzten Hexenverbrennung im Rheinland 1738/39 in dem Ort Gerresheim bei Düsseldorf
Reliefdarstellung der letzten Hexenverbrennung im Rheinland 1737/38 in dem Ort Gerresheim bei Düsseldorf © picture alliance / dpa / Horst Ossinger
Von Judith Velminski · 06.12.2013
Nur wenige Menschen wagten es, gegen die Hexenverfolgung und die Folter in der Frühen Neuzeit anzugehen. Einer davon war der Geistliche Anton Praetorius. Heute vor 400 Jahren ist er gestorben.
Auf dem Scheiterhaufen brannten sie, zu Tausenden. In der Hoch-Zeit der Hexenverfolgung ab 1550 wurden allein auf deutschem Gebiet 25.000 Menschen als Hexen oder Zauberer hingerichtet. Eine Kaltwetterperiode prägte das Leben der Zeit: Missernten führten zu Hunger und Tod. Den meist weiblichen Opfern der Hexenverfolgung wurde oft die Denunziation durch andere Frauen zum Verhängnis: Man gab ihnen die Schuld, wenn ein Pferd lahmte oder wenn ein Kind starb. Im hessischen Birstein standen Ende des 16. Jahrhunderts vier Frauen als angebliche Hexen vor Gericht, so Hartmut Hegeler, pensionierter Pfarrer aus Unna, der sich intensiv mit der Hexenverfolgung beschäftigt:
"Eine davon ist zum Beispiel Anna Dietrich, sie war Mutter von neun Kindern. Aus den Akten geht hervor, dass ihr ein Auge fehlte, ihr Mann hat ihr mit einem Stock ein Auge ausgeschlagen, weil die Kuh nicht genug Milch gegeben hatte. Es war eine Zugezogene, eine Fremde, die ist beschuldigt worden, dass sie etwas mit dem Teufel zu tun hätte.“
Anna Dietrich überlebte den Kerker, weil sie einen Retter hatte: Anton Praetorius, geboren 1560 in Lippstadt, Geistlicher und zu der Zeit Prediger am Hof des Grafen von Büdingen. Der hatte Praetorius als Seelsorger zum Mitglied des Gerichts gemacht. Aber nachdem ihm Anna Dietrich ihr Glaubensbekenntnis abgelegt hatte und sich zwei der Angeklagten aus Angst vor der Folter erhängt hatten, war Praetorius von der Unschuld der Frauen überzeugt. Er kritisierte das Gericht:
"Weil der Pfarrer alhie hefftig dawieder gewesen, das man die Weiber peinigte, alß ist es dißmahl deßhalben underlaßen worden. Er hat heftig contrataturom geredet gegen die Folter."
Praetorius brachte den Richter dazu, Anna Dietrich vom Vorwurf der Wetter-Hexerei frei zu sprechen und sie frei zu lassen.
Gott will es: Hexen sind zu bestrafen
Anton Praetorius war Anhänger der Lehre Johannes Calvins. Der Reformator, wie auch Martin Luther selbst, hatte dazu aufgerufen, Hexen zu bestrafen, weil Gott es so wolle. Diese Einstellung teilten fast alle Menschen jener Zeit. Ein Jahr, bevor er Anna Dietrich vor dem Henker rettete, hatte Praetorius selbst noch die Bestrafung von Hexen gefordert. Den Sinneswandel erklärt Hartmut Hegeler:
"Der Anna Dietrich wurde vorgeworfen, sie hätte schlechtes Wetter gemacht mit den Folgen für Tod von Menschen. Er empört sich darüber und sagt, nur Gott ist der Herrscher über die Natur und über das Leben, man kann nicht den Hexen solch eine Macht zuschreiben, und er beschwert sich darüber, dass diese Menschen abergläubisch die Macht Gottes schmälern wollen, das ist so seine theologische Argumentation."
Auch wenn sich Praetorius nun gegen die Hexenverfolgung wendet, so ist er doch wie seine Zeitgenossen überzeugt, dass es Zauberei gibt. Aber er beginnt, den Begriff zu hinterfragen und die massenhafte Denunziation angeblicher Hexen zu verurteilen.
Als Pfarrer in Laudenbach bei Heidelberg – der Graf von Büdingen hatte ihn nach dem jähen Ende des Prozesses in Birstein aus Hessen verwiesen – engagierte sich Praetorius weiter gegen Hexenverfolgung und Folter. 1598 erschien seine Schrift "Gründlicher Bericht von Zauberei und Zauberern":
"Ich sehe nicht gern, dass die Folter gebraucht wird, weil sie vieler und großer Lügen Mutter ist. Weil viele Leute dadurch in Gefängnissen umkommen. Heut gefoltert, morgen tot. Auch findet man in Gottes Wort nichts von Folterung und peinlichem Verhör."
Zweimal noch musste der Pfarrer sein Buch gegen die Hexenverfolgung nachdrucken. Nachdem er bereits drei seiner Ehefrauen an die Pest verloren hatte, traf ihn das Unglück wieder. Im Vorwort zur dritten Auflage seines Buches schrieb Praetorius, dass sein einziges Kind, Johannes, Theologiestudent in Heidelberg, gestorben sei.
"Niemand ist frei von Mühsal, niemand von eigenem Schmerz. Niemand vertreibt tödliche Krankheiten, niemand wehrt ab die letzten Pfeile. Ist denn da niemand, der mich hört?"
Über den Verlust seines Sohnes kommt Anton Praetorius nicht hinweg: Am 6. Dezember 1613 stirbt er in Laudenbach. Wenige Jahre nach seinem Tod veröffentlichen Unbekannte in Frankfurt das Buch gegen Hexenwahn und Folter erneut. Praetorius' Schrift trägt so mit dazu bei, dass die Massenhysterie um Hexerei und Zauberei in Mitteleuropa zu Ende geht.
Mehr zum Thema