Denunziert, gefoltert, verbrannt
Auf dem Stiftsgebiet des evangelischen Klosters Loccum bei Hannover starben im 17. Jahrhundert Dutzende Menschen wegen angeblicher Hexerei auf dem Scheiterhaufen. Manche wollen die Opfer von damals nun rehabilitieren - doch der örtliche Abt duckt sich weg.
In den alten Akten des Klosters Loccum wurden die Anklagen, die Folter und die Hinrichtungen von mindestens 33 Menschen akribisch festgehalten. Und man weiß heute, wo die Frauen verbrannt wurden:
"Diese Gegend hier ist der Rosenbraken, und es hat immer geheißen, die als Hexen beschriebenen Frauen sind hier verbrannt worden."
Altbischof Horst Hirschler ist der Abt des Klosters Loccum, das der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers als Aus- und Fortbildungsstätte für Pastoren dient. Abt Hirschler zeigt auf eine Weide, unter der sich die helle Asche der Verbrannten befinden soll. Dass die – zumeist - Frauen verbrannt wurden, hatte vor allem einen theologischen Grund, berichtet der pensionierte Pfarrer Hartmut Hegeler.
"Um zu dokumentieren, dass diese Menschen sich außerhalb des Kreises der Christenheit gestellt hatten, dass diese Strafe dann dokumentieren musste, dass sie nicht an der leiblichen Auferstehung der Toten teilhaben konnten, weil der Körper zu Asche verbrannt war."
"Diese Gegend hier ist der Rosenbraken, und es hat immer geheißen, die als Hexen beschriebenen Frauen sind hier verbrannt worden."
Altbischof Horst Hirschler ist der Abt des Klosters Loccum, das der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers als Aus- und Fortbildungsstätte für Pastoren dient. Abt Hirschler zeigt auf eine Weide, unter der sich die helle Asche der Verbrannten befinden soll. Dass die – zumeist - Frauen verbrannt wurden, hatte vor allem einen theologischen Grund, berichtet der pensionierte Pfarrer Hartmut Hegeler.
"Um zu dokumentieren, dass diese Menschen sich außerhalb des Kreises der Christenheit gestellt hatten, dass diese Strafe dann dokumentieren musste, dass sie nicht an der leiblichen Auferstehung der Toten teilhaben konnten, weil der Körper zu Asche verbrannt war."
Die Gefolterten denunzierten sogar die eigenen Töchter
In den Ruf, eine Hexe zu sein, konnte man vor allem im 17. Jahrhundert leicht geraten. So wie Diebstahl oder Mord gehörte auch die Hexerei zu den genau festgelegten Delikten, sagt der Jurist Peter Beer, der seine Dissertation über die Loccumer Hexenprozesse verfasst hat. Der Vorwurf der Hexerei beinhaltete vier Punkte:
"Dazu gehört der Teufelspakt, die Besiegelung dieses Paktes durch die Teufelsbuhlschaft, das heißt dem Geschlechtsverkehr mit dem Teufel, dem darauf aufbauenden Schadenszauber, das heißt, jemand anders wird durch die Hexe geschädigt, und zum Schluss der Hexensabbat, das heißt, man trifft sich mit anderen Hexen, und das war das Verhängnisvolle, weil eben andere Namen bekannt gegeben wurden und sich daraus neue Prozesse entwickeln konnten."
Doch diese Namen wurden nur unter der oft angewandten Folter genannt. Um die Schmerzen dieser Folter zu beenden, denunzierten die Gequälten selbst die eigenen Töchter oder Mütter als Hexen.
"Die Menschen der damaligen Zeit dachten ganz klar, es gibt Hexensekten, und diese Hexensekten gilt es zu verfolgen. Aus unserer heutigen Sicht können wir nur feststellen: Eine solche Hexensekte hat es nicht gegeben."
Zu 80 Prozent waren es Frauen, die angeklagt wurden. Häufig spielten Neid und Missgunst eine große Rolle. Frauen, die sich gegen sexuelle Belästigungen wehrten, wurden bezichtigt, sie trieben es mit dem Teufel. Vor allem auch eingeheiratete Ortsfremde wurden der Hexerei verdächtigt.
"Es waren Menschen wie du und ich, die betroffen werden konnten. Es gab keine besonderen Merkmale, die dazu dazu führen konnten, dass man als Hexenopfer besonders prädestiniert gewesen wäre. Es konnte wirklich jeden aus der Bevölkerung treffen."
"Dazu gehört der Teufelspakt, die Besiegelung dieses Paktes durch die Teufelsbuhlschaft, das heißt dem Geschlechtsverkehr mit dem Teufel, dem darauf aufbauenden Schadenszauber, das heißt, jemand anders wird durch die Hexe geschädigt, und zum Schluss der Hexensabbat, das heißt, man trifft sich mit anderen Hexen, und das war das Verhängnisvolle, weil eben andere Namen bekannt gegeben wurden und sich daraus neue Prozesse entwickeln konnten."
Doch diese Namen wurden nur unter der oft angewandten Folter genannt. Um die Schmerzen dieser Folter zu beenden, denunzierten die Gequälten selbst die eigenen Töchter oder Mütter als Hexen.
"Die Menschen der damaligen Zeit dachten ganz klar, es gibt Hexensekten, und diese Hexensekten gilt es zu verfolgen. Aus unserer heutigen Sicht können wir nur feststellen: Eine solche Hexensekte hat es nicht gegeben."
Zu 80 Prozent waren es Frauen, die angeklagt wurden. Häufig spielten Neid und Missgunst eine große Rolle. Frauen, die sich gegen sexuelle Belästigungen wehrten, wurden bezichtigt, sie trieben es mit dem Teufel. Vor allem auch eingeheiratete Ortsfremde wurden der Hexerei verdächtigt.
"Es waren Menschen wie du und ich, die betroffen werden konnten. Es gab keine besonderen Merkmale, die dazu dazu führen konnten, dass man als Hexenopfer besonders prädestiniert gewesen wäre. Es konnte wirklich jeden aus der Bevölkerung treffen."
Die Scheiterhaufen brannten bei Katholiken und Protestanten
Zuständig für die Anklage, die Folter, die Hinrichtung waren in der Regel die weltlichen Gerichte. Doch die Kirchen lieferten das ideologische Gerüst, sagt der Historiker Kai Lehmann:
"Ohne Gott gibt es keinen Teufel, und ohne Teufel gibt es auch nicht den Teufelsbund."
Katholiken wie Protestanten standen sich in nichts nach, wenn es um die Hexenverfolgung ging.
"Hüben wie drüben brannten zu Tausenden die Scheiterhaufen, sowohl in katholischen als auch in protestantischen Gebieten."
Die Theologen beriefen sich vor allem auf einen Vers aus der Bibel. Im zweiten Buch Moses, Kapitel 22, Vers 17 ist zu lesen:
Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen.
"Wir haben auch Menschen wie Martin Luther, die überzeugt waren, dass es das Verbrechen der Hexerei gegeben hat, die auch zur Bestrafung des Verbrechens aufrufen. Martin Luther hat auch in den 20er-Jahren eine regelrechte Hexenpredigt in Wittenberg gehalten, wo seine Gemeinde innerhalb weniger Minuten fünfmal aus seinem Mund gehört hat, dass Hexen zu töten sind."
Luthers Worte wurden von vielen Pastoren umgesetzt. So auch von dem Pfarrer Heinrich Rimploff aus Wiedensahl bei Loccum. Im Kloster findet sich ein Original seiner Hetzschrift "Drachenkönig", in der er gegen die liberalen Ansichten des katholischen Theologen Friedrich Spee wetterte. Abt Horst Hirschler hält das Buch von 1647 in der Hand:
"Hier ist das von unserem Bruder Rimphoff, einem tüchtigen Pastor, der es fast bis zum Generalsuperintendenten gebracht hat, der schreibt in seinem Drachenkönig: das ist wahrhaftige, christliche und hochnotwendige Beschreibung des grausamen Hexenteufels."
Heinrich Rimphoff wurde 1651 sogar zum königlichen Konsistorialrat berufen. Der Theologe war gefürchtet und erhielt den Beinamen Hexenriecher.
"Heinrich Rimphoff hat immer wieder ganz vehement gefordert, die Verbündeten des Teufels aufzuspüren und vor Gericht zu stellen."
"Ohne Gott gibt es keinen Teufel, und ohne Teufel gibt es auch nicht den Teufelsbund."
Katholiken wie Protestanten standen sich in nichts nach, wenn es um die Hexenverfolgung ging.
"Hüben wie drüben brannten zu Tausenden die Scheiterhaufen, sowohl in katholischen als auch in protestantischen Gebieten."
Die Theologen beriefen sich vor allem auf einen Vers aus der Bibel. Im zweiten Buch Moses, Kapitel 22, Vers 17 ist zu lesen:
Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen.
"Wir haben auch Menschen wie Martin Luther, die überzeugt waren, dass es das Verbrechen der Hexerei gegeben hat, die auch zur Bestrafung des Verbrechens aufrufen. Martin Luther hat auch in den 20er-Jahren eine regelrechte Hexenpredigt in Wittenberg gehalten, wo seine Gemeinde innerhalb weniger Minuten fünfmal aus seinem Mund gehört hat, dass Hexen zu töten sind."
Luthers Worte wurden von vielen Pastoren umgesetzt. So auch von dem Pfarrer Heinrich Rimploff aus Wiedensahl bei Loccum. Im Kloster findet sich ein Original seiner Hetzschrift "Drachenkönig", in der er gegen die liberalen Ansichten des katholischen Theologen Friedrich Spee wetterte. Abt Horst Hirschler hält das Buch von 1647 in der Hand:
"Hier ist das von unserem Bruder Rimphoff, einem tüchtigen Pastor, der es fast bis zum Generalsuperintendenten gebracht hat, der schreibt in seinem Drachenkönig: das ist wahrhaftige, christliche und hochnotwendige Beschreibung des grausamen Hexenteufels."
Heinrich Rimphoff wurde 1651 sogar zum königlichen Konsistorialrat berufen. Der Theologe war gefürchtet und erhielt den Beinamen Hexenriecher.
"Heinrich Rimphoff hat immer wieder ganz vehement gefordert, die Verbündeten des Teufels aufzuspüren und vor Gericht zu stellen."
Ein Gedenkstein für die Getöteten?
Hartmut Hegeler fahndet nach den Hexenjägern von damals. Durch seine Initiativen ist es gelungen, vermeintliche Hexen in 21 Orten in Deutschland zu rehabilitieren – und zu erreichen, dass die Hingerichteten nicht in Vergessenheit geraten. Auch in Loccum würde er sich einen Gedenkstein an die 33 Getöteten wünschen.
"Das ist meine Hoffnung, dass das ein Stein des Nachdenkens ist, gerade in Hinsicht darauf, dass ja 500 Jahre Reformation gefeiert wird in vier Jahren 2017, dass dann auch über die dunklen Seiten der Reformation gesprochen wird, dass also die dunklen Seiten nicht unter den Teppich gekehrt werden."
Doch der Loccumer Abt Horst Hirschler hält nichts von einem Gedenkstein für die ermordeten Hexen:
"Ich würde ungern einen Hexenverbrennungsplatz zu einem Wallfahrtsort machen, das wäre mir nicht so recht."
Und eine Rehabilitierung der Frauen – wie sie zum Beispiel in Köln und Osnabrück stattgefunden hat?
"Das hat gar keinen Sinn. Erstens ist ja nicht die Kirche zuständig, sondern der Staat. Die Kirche hat da als Staatsvertreter gehandelt, da hat der Abt an Stelle des staatlichen Vertreters gehandelt."
Pastoren traten als Zeugen gegen die Hexerei auf, sie lieferten den theologisch-ideologischen Hintergrund für die Prozesse. Sich da wegzuducken, findet der Historiker Kai Lehmann unangemessen:
"Was ich an dieser Rehabilitierungsdiskussion sehr, sehr gut finde, ist der Umstand, dass dieses dunkle Kapitel, das lange in Vergessenheit gewesen ist, das im Schulunterricht stiefmütterlich behandelt wird, einfach wieder ein bisschen ans Tageslicht gespült wird."
Auch Lehmann, Direktor des Museums Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden, weiß, dass eine juristische Rehabilitierung nicht möglich ist. Aber:
"Rehabilitierung in sozialethischer Hinsicht: Ja. Um einfach dieses Gedenken an die Opfer wach zu halten. Ich denke, wenn Orte, Dörfer Gedenksteine, Gedenktafeln, Gedenkveranstaltungen für die Opfer durchführen, dann brennt sich das mehr in das kollektive Bewusstsein der Bevölkerung ein, als wenn wir gar nichts machen oder nur im akademischen Kämmerlein verhackstücken."
Der Abt von Loccum, Alt-Bischof Horst Hirschler, ist dagegen der Meinung, mit der Veröffentlichung der Akten über die Hexenprozesse hätten Kloster und Kirche ihre Schuldigkeit getan:
"Es ist Darlegung des Geschehenen gefordert. Das mache ich seit 40 Jahren, dass ich sage, ich erzähle euch, was da war. Offenlegung, das ist das einzige, was man machen kann, man kann nicht vergangene Dinge wieder gutzumachen versuchen. Man muss nur sehen, so sind Menschen. Man kann es bedauern, aber dann muss man die ganze Gesellschaft, den Zeitgeist bedauern."
Immer wieder führt der Alt-Bischof an, dass im 16. und 17. Jahrhundert die meisten vom Wirken der Hexen überzeugt waren und man deshalb die ganze Gesellschaft für die Scheiterhaufen verantwortlich machen müsse. Doch es ging auch anders, sagt der Jurist Peter Beer. Er verweist auf einen von Hirschlers Vorgängern als Abt von Loccum:
"Das war 1696 durch ein Mandat des damaligen Abtes Molanus, der den gesamten Einwohnern der zu Loccum gehörenden Stiftsdörfer verbot, andere als Hexen zu bezeichnen, und das mit Strafen wie An-den-Pranger-Stellen oder Geldstrafen belegt hat."
"Das ist meine Hoffnung, dass das ein Stein des Nachdenkens ist, gerade in Hinsicht darauf, dass ja 500 Jahre Reformation gefeiert wird in vier Jahren 2017, dass dann auch über die dunklen Seiten der Reformation gesprochen wird, dass also die dunklen Seiten nicht unter den Teppich gekehrt werden."
Doch der Loccumer Abt Horst Hirschler hält nichts von einem Gedenkstein für die ermordeten Hexen:
"Ich würde ungern einen Hexenverbrennungsplatz zu einem Wallfahrtsort machen, das wäre mir nicht so recht."
Und eine Rehabilitierung der Frauen – wie sie zum Beispiel in Köln und Osnabrück stattgefunden hat?
"Das hat gar keinen Sinn. Erstens ist ja nicht die Kirche zuständig, sondern der Staat. Die Kirche hat da als Staatsvertreter gehandelt, da hat der Abt an Stelle des staatlichen Vertreters gehandelt."
Pastoren traten als Zeugen gegen die Hexerei auf, sie lieferten den theologisch-ideologischen Hintergrund für die Prozesse. Sich da wegzuducken, findet der Historiker Kai Lehmann unangemessen:
"Was ich an dieser Rehabilitierungsdiskussion sehr, sehr gut finde, ist der Umstand, dass dieses dunkle Kapitel, das lange in Vergessenheit gewesen ist, das im Schulunterricht stiefmütterlich behandelt wird, einfach wieder ein bisschen ans Tageslicht gespült wird."
Auch Lehmann, Direktor des Museums Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden, weiß, dass eine juristische Rehabilitierung nicht möglich ist. Aber:
"Rehabilitierung in sozialethischer Hinsicht: Ja. Um einfach dieses Gedenken an die Opfer wach zu halten. Ich denke, wenn Orte, Dörfer Gedenksteine, Gedenktafeln, Gedenkveranstaltungen für die Opfer durchführen, dann brennt sich das mehr in das kollektive Bewusstsein der Bevölkerung ein, als wenn wir gar nichts machen oder nur im akademischen Kämmerlein verhackstücken."
Der Abt von Loccum, Alt-Bischof Horst Hirschler, ist dagegen der Meinung, mit der Veröffentlichung der Akten über die Hexenprozesse hätten Kloster und Kirche ihre Schuldigkeit getan:
"Es ist Darlegung des Geschehenen gefordert. Das mache ich seit 40 Jahren, dass ich sage, ich erzähle euch, was da war. Offenlegung, das ist das einzige, was man machen kann, man kann nicht vergangene Dinge wieder gutzumachen versuchen. Man muss nur sehen, so sind Menschen. Man kann es bedauern, aber dann muss man die ganze Gesellschaft, den Zeitgeist bedauern."
Immer wieder führt der Alt-Bischof an, dass im 16. und 17. Jahrhundert die meisten vom Wirken der Hexen überzeugt waren und man deshalb die ganze Gesellschaft für die Scheiterhaufen verantwortlich machen müsse. Doch es ging auch anders, sagt der Jurist Peter Beer. Er verweist auf einen von Hirschlers Vorgängern als Abt von Loccum:
"Das war 1696 durch ein Mandat des damaligen Abtes Molanus, der den gesamten Einwohnern der zu Loccum gehörenden Stiftsdörfer verbot, andere als Hexen zu bezeichnen, und das mit Strafen wie An-den-Pranger-Stellen oder Geldstrafen belegt hat."