Heroinen des Feminismus

Rezensiert von Norbert Bolz · 13.01.2008
Der Feminismus wird sich heute selbst historisch. Da kann es nicht überraschen, dass immer mehr Biografien seiner Gründungsheroinen auf den Markt drängen. Besonders interessant sind die Bücher von Hans-Martin Schönherr-Mann über Simone de Beauvoir und von Daniel Schreiber über Susan Sontag.
Alle Klischees des Antifeminismus werden durch das Leben Simone de Beauvoirs glänzend bedient: Der Vater nennt sie hässlich; die katholische Mutter beharrt auf der traditionellen Mutterrolle der Frau und weckt in der kleinen Simone schon früh einen Hass gegen Haushalt und Kindererziehung.

Die Penetration erlebt sie als Trauma und deshalb erscheint ihr der Geschlechtsakt prinzipiell als Erniedrigung der Frau, aus der es nur den Ausweg in die Homosexualität gibt. Schwangerschaft erlebt die Frau als ein Leiden, und der Rest des Lebens steht im Zeichen der Angst vor dem Altern, in dessen Verlauf jede Frau erfahren muss, dass sie als alte Frau zum "dritten Geschlecht" herabsinkt.

Gegen all diese Ängste hat Simone de Beauvoir ihren Protofeminismus mobilisiert. Schönherr-Mann zeigt sehr gut, wie dieser Feminismus aus dem Existenzialismus Sartres entsteht und schließlich in die Soziologie der Postmoderne mündet. Die Parole lautet: Alles ist Wahl, nichts ist Natur. Mutterliebe ist nicht natürlich; der Unterschied von Mann und Frau ist rein kulturell. Das natürliche Geschlecht darf keine Rolle spielen.

Diese Umwertung der männlichen Werte mündet dann in die Anbetung der dreifaltigen Gottheit von Emanzipation, Selbstverwirklichung und Authentizität. Diese Fetischbegriffe verdecken zuweilen die einfachsten Zusammenhänge. Muss man zum Beispiel nicht ohne eigene Wahl und durch eine Mutter zur Welt gekommen sein, um sich selbst verwirklichen zu können? Logik mag ja männlich sein, aber etwas mehr Logik hätte dem existenzialistischen Feminismus nicht geschadet.

Am Ende war Simone de Beauvoir nicht existenzialistisch genug. Theoretisch wusste sie, dass es gerade für Frauen darauf ankommt, ihr "Geworfensein" anzunehmen. Sie selbst hat es aber nicht angenommen, sondern in einem lebenslangen Sabotageakt gegen das biologische Schicksal bekämpft. Gerade das hat Simone de Beauvoir zur Ikone des Feminismus gemacht. Sie war ein historisches Ereignis, ein Geschichtszeichen.

Es gibt Schriftsteller, die hinter ihrem Werk verschwinden, und solche, die ihr Werk durch ihre Persönlichkeit überstrahlen. Susan Sontag war ein Star. Auch hier beginnt alles mit einer prototypischen traurigen Kindheitsgeschichte. All das verdichtet sich zu dem Grundgefühl, nicht geliebt zu werden. Im Glücksspiel einer akademischen Laufbahn scheitert Susan Sontag – und nun sucht sie ihr Heil im Angriff, seit 1951 entscheidend beeinflusst von Simone de Beauvoir.

Das hat zwei gravierende Folgen: Zum einen flüchtet Susan Sontag genau wie Simone de Beauvoir in die Homosexualität. Zum anderen stellt sie fortan alle Lebensenergien in den Dienst der Selbstinszenierung. Die Biografie Daniel Schreibers macht sehr schön deutlich, wie konsequent die Intellektuelle Susan Sontag vom ersten Tag ihres öffentlichen Lebens an ihr Identitätsmanagement verfeinert. Ständig arbeitet sie an der Kontrolle ihres Images und an der Organisation der Publicity. Bis zum letzten Atemzug geht es nur um das Projekt Susan Sontag. Insofern trifft der Untertitel der Biografie, "Geist und Glamour", den Kern der Sache.

Das Projekt Susan Sontag zielt auf den Schriftsteller als Identitätsformel. Sie hat nichts zu sagen, sondern sie möchte jemand werden, der etwas zu sagen hat. Primär ist der Ruhm. An dem bewunderten Thomas Mann konnte sie studieren, dass der Schriftsteller den Rang einer Celebrity erreichen kann. Und für Simone de Beauvoir hat sie den schönen Begriff des "literarischen Filmstars" gefunden. Wenn man das Projekt Susan Sontag heute resümieren sollte, so könnte man sagen: Sie hat den Intellektuellen als Medienstar kreiert.

Im Dienste ihres Ruhmes hat Susan Sontag auch politische Geschmacklosigkeiten nicht gescheut, wie etwa ihre Pilgerreise zum Vietcong, ihren Essay über den 11. September mit dem Titel "Feige waren die Mörder nicht" und ihre Selbstdarstellung im Bosnienkonflikt, über die Daniel Schreiber trocken bemerkt:

"Sontag schien weniger am Schicksal Sarajevos interessiert als an einer rigorosen Selbstvermarktung, mit der sie sich als Heldin einer Stadt in Trümmern inszenierte."

Es gibt hier durchaus eine Kontinuität mit Susan Sontags berühmtem Essay über "Camp", einer Art Ästhetisierung der Massenkultur, die viele Intellektuelle erstmals dazu brachte, die Popkultur ernst zu nehmen. Der gemeinsame Nenner all dieser intellektuellen Provokationen lautet: Susan Sontag ist das Emblem des "radical chic". In der Strategie ihrer Selbstvermarktung ist Wut das wichtigste Marketing-Tool und genau damit ist sie für den Feminismus unschätzbar wichtig geworden: Susan Sontag hat den männlichen Zorn und die habituelle Entrüstung als Medium der Frauenemanzipation entdeckt.

Susan Sontag hat das Werk dem Image geopfert. Sie wird als Markenpersönlichkeit des Feminismus in Erinnerung bleiben. Einmal hat sie selbstkritisch bemerkt, sie hätte nichts geschafft, außer Susan Sontag zu sein. Das trifft zu, aber das war viel.

Daniel Schreiber: Susan Sontag. Geist und Glamour
Aufbau Verlag, Berlin 2007

Hans-Martin Schönherr-Mann: Simone de Beauvoir und das andere Geschlecht
dtv, München 2007