Herlinde Koelbl über "Faszination Wissenschaft"

Leidenschaft lässt sie alle Mühen überstehen

12:57 Minuten
Die Fotografin Herlinde Koelbl steht vor ausgestellten Fotografien aus ihrem Bildband "Faszination Wissenschaft".
Herlinde Koelbl war von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sie porträtierte, fasziniert und teilweise überrascht. © Stefan Höderath
Moderation: Andrea Gerk · 23.11.2020
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60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat die Fotografin Herlinde Koelbl für einen Bildband porträtiert. Sie erzählen auch persönliche Geschichten. "Ich denke schon, dass die Wissenschaftler eine eigene Kaste sind", sagt Koelbl.
Humorvoll, zugänglich und unprätentiös – so erlebte die Fotografin Herlinde Koelbl die meisten der 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sie für ihren neuen Fotoband traf. Und auch kreativ. Koelbl hatte die Forscher und Forscherinnen, darunter auch Nobelpreisträger, nämlich gebeten, das Besondere ihrer Forschungsarbeit, ihre Philosophie oder die Formel, für die sie ausgezeichnet wurden, auf die Hand zu schreiben. Was die Porträtierten augenscheinlich mit großem Spaß taten. "Ich habe mit meiner Bitte offenbar etwas in ihrem Charakterzug getroffen: etwas Neugieriges und Spielerisches."
Koelbl zählt zu den renommiertesten deutschen Fotokünstlerinnen. Ihr Werk umfasst fotografische Langzeitprojekte, Dokumentarfilme und Videoinstallationen. Für ihre bekannteste Studie "Spuren der Macht" fotografierte und interviewte sie von 1991 bis 1998 Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Daneben erschienen unter anderem die Bildbände "Das deutsche Wohnzimmer", "Feine Leute", "Starke Frauen", "Jüdische Portraits" und "Kleider machen Leute".

Junge Menschen für die Wissenschaft begeistern

Dass der neue Bildband "Faszination Wissenschaft" auf großes Echo stoßen würde, sei 2015, als ihr die Idee für das Buch gekommen sei, keineswegs absehbar gewesen, sagt die Fotografin. Ihr Hauptbeweggrund sei gewesen, "Wissenschaft in der Gesellschaft sichtbarer zu machen und auch junge Menschen zu inspirieren, in die Wissenschaft zu gehen, weil es dort so spannend ist".
Erst Corona und aktuell die ständige Präsenz von Forschern wie Christian Drosten und anderen hätten das große Interesse an Wissenschaft entfacht. "Das hat mich positiv überrascht", so Koelbl. Insgesamt seien Wissenschaftler oft zu zurückhaltend, was ihre Arbeit anbelange. "Das sollten sie vielleicht ändern."
In ihren Porträts habe sie aber nicht nur die Personen als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, sondern auch ihre persönliche Geschichte erzählen wollen: Woher sie kommen und wie sie die Begeisterung für ihr Fach entdeckten.

Stefan Hell musste 30 Bewerbungen schreiben

"Ich denke schon, dass die Wissenschaftler eine eigene Kaste sind. Und sie werden getrieben von Leidenschaft. Und diese Leidenschaft, für das, was sie tun, die lässt sie alle Mühen überstehen", ist Koelbls Resümee.
Im Gespräch mit den Porträtierten habe sie oft Überraschendes erfahren, berichtet die Fotografin. So habe etwa Stefan Hell, Nobelpreisträger für Chemie, 30 Bewerbungen schreiben müssen, um überhaupt eine Stelle zu bekommen. Ein anderer Forscher berichtete, dass neun von zehn Experimenten scheitern – und dass man dies aber nicht grundsätzlich als Scheitern betrachten dürfe, sondern als Wegweiser in eine neue Richtung, in der man aus zurückliegenden Fehlern lernen könne.
(mkn)

Herlinde Koelbl: "Faszination Wissenschaft"
Knesebeck, 2020, 351 Seiten, 35 Euro

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