70. Geburtstag von Hellmut Hattler

Von der Musik besessen

07:24 Minuten
Auf dem Bild ist der Bassist Hellmut Hattler zu sehen, wie er auf einer rot erleuchteten Bühne steht und Bass spielt.
Schrieb Krautrockgeschichte: der Bassist Hellmut Hattler © Hans Bürkle
Von Martin Risel · 12.04.2022
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Mit seiner Band Kraan setzte Hellmut Hattler in den 70er-Jahren Maßstäbe im Krautrock. Besonders hervorstechend: sein eigenwilliges Bassspiel. Auch mit nun 70 Jahren entlockt er dem Instrument in diversen Besetzungen noch ungewöhnliche Sounds.
„Klar, 'Kraan live' von 1974 – was ich überhaupt nicht toll fand. Sehr viel später hab ich das Ding mal, beziehungsweise ein Stück, dieses ‘Nam nam’ sogar mit Bass-Solo in einem Café gehört. Und da fand ich das eigentlich super. Also ich hab’s erst viel später verstanden, was wir eigentlich damals gemacht haben – muss ich leider zugeben.“
Hellmut Hattler spricht 48 Jahre später über das Kraan-Album schlechthin, das Mitte der 70er-Jahre Geschichte geschrieben hat. Diese Wahnsinns-Musiker! Vor allem: dieser Bassist! Immer auffällig, immer hörbar, was für ein Ego, damals mit 22. Und heute wird er 70!?
„Ich glaube, ich hab früher wahnsinnig genervt, weil ich dachte: ein Bass-Solo in einem Konzert ist das Mindeste, was man verlangen kann", sagt er mit einem Lachen. "Aber irgendwann dachte ich auch: Eigentlich ist es eine Zumutung. Das habe ich auch aufgegeben. Zwischenzeitlich sehe ich mich wirklich mehr als Komponist und als jemand, der seine Songs gut macht, denn als vorne die Rampensau. Das ist irgendwie vorbei. Wahrscheinlich bin ich jetzt auch einfach zu alt für den Scheiß.“
Auf dem Bild ist die Band Kraan zu sehen. Die Musiker laufen mit ihren Instrumenten auf die Kamera zu.
Wegweisend im Krautrock: die Band Kraan© Intercord

Viel-Harmoniker mit Tiefenschärfe

Als Tab Two war Hellmut Hattler in den 90er-Jahren zusammen mit Trompeter Joo Kraus erfolgreich. Da hatten Kraan in ihrer über 50-jährigen Geschichte gerade mal wieder Pause. Weniger bekannt: Der Musiker malt und zeichnet auch: "Es gibt vielleicht so 'ne Analogie zum Malen: Wenn man malt, dann grundiert man erst mal sein Papier und dann macht man 'ne Schicht obendruff. Und zum Schluss malt man dann die Person oder die Landschaft, um die es geht. Und so ist es mit meinem Bass eigentlich auch ein bissche: Ich kann damit prima grundieren. Aber ich spiele auch gern die Harmonien gleich mit drauf. Und dann mach ich auch oft Titel, wo ich die Melodie mit dem Bass spiele.”
Der Unterschied zwischen diesen Künsten allerdings: Der Maler malt meist allein, Musik macht meist eine Gruppe. Das war und ist bei Hellmut Hattler anders. Der Mann weiß genau, was er will – und macht es deshalb gern lieber selbst. Er war beim Major-Label Universal, hat aber auch als Verwerter lieber alles in der Hand, beim eigenen Label Bassball. So wie das jüngste Album seines Solo-Projekts Hattler. Darauf ist auch eine Kooperation in Tradition des Ex-Projekts Deep Dive Corporation:

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Das aktuelle Album „Sundae“ gehört zu den besten – aber wer kennt, wer zählt alle Alben von und mit Hellmut Hattler? Seine Stücke schätzt er auf knapp 1000. Was viele Lieder charakterisiert, beschreibt der Ulmer Künstler und Journalist Udo Eberl so: „Helmut Hattler ist am Bass ein einzigartiger rhythmischer Grundierer und Viel-Harmoniker mit Tiefenschärfe.”
Mitmusiker und Komponist Ali Neander sagt: „Ich kenne niemanden, der auf so unnachahmliche Weise zeitlos klingt. Er ist einfach nur er selbst, völlig unverkennbar.”
Und Udo Dahmen, künstlerischer Direktor der Popakademie Baden-Württemberg und zeitweiliger Kraan-Schlagzeuger, meint: „Seine Ideen im Bass-Spiel und auch seine rhythmischen Ideen, verbunden mit melodischen Strukturen, die gleich immer auch Song-Charakter haben, haben mich wirklich sehr, sehr beeindruckt.”

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"So low" gehört zu den auch international erfolgreichsten Songs von Hellmut Hattler. Er spielt es auch mit seiner Lebenspartnerin Siyou Isabelle Ngnoubamdjum als Sängerin im Duo Siyou‘n’Hell
Siyou Isabelle Ngnoubamdjum und die Musik haben Hellmut Hattler zuletzt auch eine Leukämie-Erkrankung gut überwinden lassen. Unter seinen zahlreichen Kindern ist ein berühmter Videokünstler, aber niemand macht professionell Musik.

Erziehung zur Freiheit

„Ich hab alle Kinder wirklich zur Freiheit erzogen, weil, ich meine, im Augenblich sieht man ja, wie wertvoll Freiheit ist", sagt Hellmut Hattler. "Das wollte ich ihnen auf jeden Fall immer gleich mitgeben, dass sie auf ihre eigenen Stärken achten und die kultivieren sollen."

Und was macht Deutschlands bedeutendster Bassist nun mit 70? Ruhestand, Ego füttern – oder einfach weiter Musik? „Meine Besessenheit, Musik zu machen, ist groß. Und Musik ist wirklich das, was mich harmonisiert und am Leben erhält und glücklich macht. Und, ja: Es läuft immer noch ganz gut.“
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