Heinz Schenk

Der idealtypische Hesse

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Der Fernsehmoderator und Vorzeige-Hesse Heinz Schenk (1924 -2014) © dpa
Von Ludger Fittkau · 29.04.2015
Heinz Schenk war nicht nur Gastgeber der Unterhaltungssendung "Zum Blauen Bock", er verkörperte zudem den Hessen an sich. Das zeigte sich in seiner Provinzialität bei gleichzeitiger Weltoffenheit - vordergründig harmlos und doch subversiv.
Frau: "Er hat die Menschen froh gemacht und dabei schimmerte immer durch, dass er auch ernsthaft war. Er war ein Großer. Und hat genau das immer so leichtfüßig weg gebabbelt. Denn er war 'der Hesse'. Wer, wenn nicht er."
Schenk: "130 Mal 'Blauer Bock'. Wir haben ein Jubiläum. Da haben wir gesagt: Keine Feier ohne Steyr. Das ist die richtige Stadt."
Keine Feier ohne Steyr und kein "Blauer Bock" ohne Heinz Schenk – zu Gast gerne auch in der Provinz, ob in Deutschland oder in Österreich. Dass Heinz Schenk auch noch über seinen Tod hinaus gewissermaßen der idealtypische Hesse ist, hat nicht nur mit seiner jahrzehntelangen Fernseh-Präsenz zu tun. Sondern vor allem mit der Konzeption seiner Show "Zum Blauen Bock". Die Sendung war eine ganz bewusst angelegte Mischung aus hessischer Provinzialität und Weltoffenheit. So sieht sich der Hesse gerne: Einerseits gemütlich und heimatverbunden, mit Liebe zur Stammkneipe um die Ecke, aber auch mit Sinn für die große weite Welt, die ja gerne über den Frankfurter Flughafen zu ihm zu Besuch kommt. Um dann in einer gemütlichen Äppelwoi-Kneipe in Sachsenhausen das "Stöffche", wie der Südhesse den Apfelwein zärtlich nennt, zu sich zu nehmen.
Schenk: "Wir Hessen sind wirklich … doch, wir wollen wirklich nicht unbescheiden sein, Aber wir sind die Preußen. Heute genau auf den Tag, ist der 170zigste blaue Bock. Wir haben gesagt, da gibt es nur ein Stadt für uns: Hadamar."
Selbstironie – auch das sich lustig machen über die hessische Provinz, das gehörte zum Unterhaltungsstil des Heinz Schenk.
Heinz Schenk schaffte es viele Jahre, in seinem "Blauen Bock" diese Mischung aus vertrauter Nachbarschaft und großer weiter Welt zustande zu bringen. Ein gemeinsam mit der deutsch-britischen Schlagersängerin Ireen Sheer präsentierte er etwa einen gesungenen Sprachkurs "Hessisch-Englisch":
"girl heißt 'Mädsche', soup heißt 'Süppsche',
sweet heißt 'Sies' und pot heißt 'Dippche',
spoon heißt 'Löffel', glas heißt 'Glas',
nose heißt 'Kummer' oder 'Nas'."
Erstaunlich multikulturell für die junge Bundesrepublik
Immer wieder lud Heinz Schenk internationale Stars in den "Blauen Bock" ein, die das Fernsehen zwischen den 60er- und 80er-Jahren hervorbrachte. Ob Rudi Carell oder Roberto Blanco, ob Costa Cordalis oder Peggy March. In der hessischen Provinz-TV-Kneipe konnte man sich also am vertrauten Griff des Apfelwein-Bembels festhalten und gleichzeitig lernen, wie erstaunlich multikulturell auch schon die junge Bundesrepublik geworden war. Zumindest auf den TV-Show-Bühnen. Das gefiel trotz aller Fremdenangst im Alltag dem deutschen Fernsehzuschauer, besonders aber gefiel das den Südhessen. Denn die hatten rund um die alte Handelsmetropole Frankfurt am Main ja schon seit Jahrhunderten von den zugereisten Händlern und Messebesuchern gelebt – zu viele Ressentiments konnte man sich da nie leisten:
Schenk:
Ach, was haben wir doch alles, hier im schönen Hessenland,
Äbbelwoi, de guude Handkäs, die gri Sos, die is bekannt.
Bretsel, Wörschte, Haarte Kuche, auch des Frizche mit dem Kraut,
tun sie alles das versuche, sind sie so wie ich gebaut.
Und wir haben auch den Goethe, na wer hat den schon, ihr Leut.
Sein Zitate passen heut noch hier in unsere schöne Zeit.
Niebergall und Schopenhauer, ei da kriegste doch die Kränz,
alle haben hier Gedichtet, sogar ein gewisser Schenk.
Kulinarisches und Literarisches, Handkäs und Goethe – so vielschichtig sehen sie sich gerne, die Hessen. Heinz Schenk verstand es bisweilen sogar, vordergründig harmlose, scheinbar unpolitische Unterhaltungsauftritte sanft subversiv zur Schule der Toleranz zu machen – ohne offen über Politik zu reden. Etwa bei einer Büttenrede vom Anfang der 80er-Jahre mit dem Titel "Ich red´ nicht über Politik".
Schenk:
"Vom Frieden reden hat kein Zweck,
es knallt ja doch an jeder Eck.
Schwätz nicht von Schornsteinen, verrußten.
Und was die in die Gegend pusten.
Was Schlesiens Landsmannschaft so treibt,
an Mottos und Artikel schreibt.
Das machen andere publik,
ich red nicht über Politik …"
Die halbe Nation vor der Mattscheibe versammelt
Heinz Schenk redet angeblich nicht über Politik, greift aber in seiner "Nicht-Rede" ganz nebenbei die damals noch beinahe rechtsradikal agierenden Vertriebenenverbände an, spricht von den ökologischen Krisen der Zeit und vieles mehr.
Mann: "Willkommen beim 'Blauen Bock', der für viele Jahre beliebtesten Gastwirtschaft im Deutschen Fernsehen."
Wahrscheinlich wird es einen idealtypischen Hessen mit dem Bekanntheitsgrad eines Heinz Schenk nie wieder geben. Einfach deswegen, weil es das Fernsehen nicht mehr so geben wird, wie es zu den Glanzzeiten des "Blauen Bocks" war. Mit nur drei Kanälen und Unterhaltungssendungen, die die halbe Nation vor der Mattscheibe versammelten.
Schenk singt:
" Es ist alles nur geliehen, hier auf dieser schönen Welt,
es ist alles nur geliehen, aller Reichtum, alles Geld."
Auf dem Grab von Heinz Schenk lag vor einem Jahr ein Kranz mit der Aufschrift: "Von Hape". Dass Hape Kerkeling an den "Musterhessen" denkt, zeigt das Gespür des Showmasters aus dem Ruhrgebiet. Heinz Schenk war in gewisser Weise in den 60er- und 70er-Jahren ein Vorläufer von Hape Kerkeling. Volksnah und gleichzeitig ein bisschen schrill, braver Schwiegersohn-Typ und gleichzeitig auch bereit zu beißender Selbstironie.
Heinz Schenk babbelte den vertrauten Dialekt und schottete sich gleichzeitig nicht Pegida-artig gegen fremde Kulturen ab. Dafür sind ihm in Hessen auch ein Jahr nach seinem Tod noch viele dankbar.
Schenk singt:
"Es ist alles nur geliehen, jede Stunde voller Glück,
Musst Du eines Tages gehen, lässt Du alles hier zurück."
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