Hasnain Kazim: "Post von Karlheinz"

Briefe an die Hater

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Eine Nahaufnahme zeigt Autor Hasnain Kazim im Gespräch mit auf der Frankfurter Buchmesse 2017.
Hasnain Kazim macht sich die Mühe, Menschen, die ihm aus niederen Beweggründen schreiben, zu antworten. Das Ergebnis ist lehrreich. © imago/photothek.net/Michael Gottschalk
Von Georg Gruber · 14.05.2019
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"Spiegel"-Journalist Hasnain Kazim bekommt immer wieder Post von Leuten, die ihn aus Deutschland rausschmeißen wollen oder rassistisch beschimpfen. In "Post von Karlheinz" antwortet er ihnen. Den Text gibt es jetzt als Hörbuch. Das ist unterhaltsam und bedrückend zugleich.
Hasnain Kazim ist Journalist beim "Spiegel" und fast täglich bekommt er fremdenfeindliche, rassistische und beleidigende Emails oder Posts auf Facebook und Twitter wie etwa: "Du bist zugewanderter Gast und hast gefälligst dankbar zu sein, in Deutschland aufgenommen worden zu sein." Oder: "Kazim, raus aus Deutschland, geh' zu deinen Eselfickern!"

Dialog mit "besorgten" Bürgern

Das Internet hat die Kommunikation verändert: Früher erhielt Hasnain Kazim auf einen Artikel vielleicht ein dutzend anonyme Briefe, heute erreichen den Journalisten als Reaktion auf einen Text teilweise hunderte bis tausend beleidigende, rassistische und herabsetzende Emails und Kommentare, wie etwa: "Du bist ein Islamist, Du willst Deutschland übernehmen, ich werde handeln."
Wie damit umgehen? Hasnain Kazim schließlich entschied sich zu antworten:
"Ich musste ihn führen, den Dialog mit den 'besorgten Bürgen', den Rassisten, den Frustrierten und Wütenden. Aber nicht mit weichgewaschenem Marketingsprech – 'Oh, ich kann Ihre Verärgerung nachvollziehen', 'Bitte bleiben Sie uns doch gewogen', 'Selbstverständlich werde ich Ihre Anregungen berücksichtigen'... –, denn es war ja wütender, pöbelnder, absurder Unsinn, der mich erreichte, keine Kritik."
Und so entschied sich Hasnain Kazim: "Ich begann auf Augenhöhe zu antworten."

Post vom Schmierfink

Der Journalist, der in Oldenburg geboren und deutscher Staatsbürger ist, begegnet den oft sehr groben Anwürfen mit Argumenten: "Sie sollten nicht von Äußerlichkeiten wie Hautfarbe oder Namen auf Haltungen, Überzeugungen, Ansichten oder Glauben schließen. " Oder: "Keine Religion ist per se gut oder schlecht, sondern sie ist das, was Menschen aus ihr machen."
Der Schauspieler Bjarne Mädel spricht Hasnain Kazim in diesen Dialogen. Sehr eloquent arbeitet er auch dessen hintergründigen Humor heraus, der für die andere Seite oft nicht gleich zu erkennen ist. Gelesen werden die Hass-Emails von Cathlen Gawlich und Bernhard Schütz:
"Herr Kazim, Sie sind ein Schmierfink, der nur antideutsch denkt und schreibt! Ich habe noch nie etwas Vernünftiges aus Ihrer Feder gelesen, noch nie! Sie erlauben sich wirklich etwas, als Ausländer uns Deutsche belehren zu wollen in Ihrem überheblichen Ton! Komm du Schreiberling zu mir, dann zeige ich dir, was ein echter Deutscher ist!"
Unter diese Zeilen schrieb ein Karlheinz S. seine volle Adresse und bekam Antwort von Hasain Kazim:
"Lieber Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht! Ich freue mich sehr über Ihre Einladung, sehr gerne komme ich zu Ihnen. Da ich zufälligerweise mit meiner Familie (Großeltern, Eltern, Geschwister, drei Ehefrauen, die vierte konnte nicht, die liegt gerade im Kreisssaal und kriegt unser sechstes gemeinsames Kind), acht Kindern, 17 Cousinen, 17 Cousins und 22 ihrer Kinder) ohnehin in Ihrer Nähe auf Urlaub bin, würde ich gerne gleich am Sonntag, 4. Dezember, vorbeischauen und mit Ihnen Advent feiern. Wir alle freuen uns sehr, von Ihnen zu lernen, was ein echter Deutscher ist!
Mit besten Grüßen,
Hasnain Kazim"
" Soll das ein Witz sein?" antwortete Karlheinz S. und bekam noch einmal Post von Hasain Kazim:

"Lieber Herr S.,
nein, keineswegs, wir sind wirklich in der Nähe und freuen uns sehr über Ihre Einladung."

Ein Appell zum Schluss

Unterhaltsam ist das und zugleich erschreckend, denn natürlich fragt man sich: Woher kommt diese Wut und dieser Hass? Und Respekt hat jeder verdient, der das aushält und der die Kraft hat, sich mit diesen Leuten auseinanderzusetzen.
"Post von Karlheinz" ist insofern auch ein trauriges Zeitdokument, das zeigt, wie weit sich die Grenzen des Sagbaren verschoben haben, wie offen Fremdenfeindlichkeit heute geäußert wird und wie weit die Radikalisierung bei vielen schon fortgeschritten ist. Das Hörbuch endet mit einem Appell:
"Treten wir Ressentiments jeder Art entgegen. Machen wir alle unseren Mund auf, wenn jemand diskriminiert, beleidigt, bedroht wird. Sagen wir etwas. Zeigen wir, dass der Satz, 'die Würde des Menschen ist unantastbar', mehrheitsfähig ist. Damit wir uns später nicht vorwerfen lassen müssen, geschwiegen zu haben."

Hasnain Kazim: Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte
Hörbuch, gelesen von Bjarne Mädel, Cathlen Gawlich, Bernhard Schütz, Hasnain Kazim
Hörverlag 2019

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