Hans von Dohnanyi: "Briefe 1943-1945"

Mit Mut und Liebe gegen Hitler

Eine Wand mit Porträts in der Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin
Gedenkstätte Deutscher Widerstand © picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka
Von Stephan Hilsberg |
Hans von Dohnanyi war der Planer und Organisator des inner-militärischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten. Seine "Briefe aus Militärgefängnis und Gestapohaft" an seine Frau Christine zeigen den kämpferischen Hitler-Verschwörer von seiner zarten Seite.
Hans von Dohnanyi war der Planer und Organisator des inner-militärischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten, der am 20. Juli 1944 im Stauffenberg-Attentat seinen Höhe- und Wendepunkt fand. Dohnanyi wurde allerdings bereits 1943 festgenommen und erst in den letzten Kriegstagen im KZ Sachsenhausen ermordet.
Die Briefe aus der Haft werfen ein Schlaglicht auf seine Persönlichkeit, auf eine Kämpfernatur und einen Liebenden. Die meisten sind an seine Frau Christine geschrieben – so persönlich, dass sein Sohn Klaus von Dohnanyi, ehemals Bundesminister und Hamburgs Erster Bürgermeister, mit sich gerungen hat, sie zu veröffentlichen.
"Seine Briefe aus der Haft konnten keine politischen Briefe sein, nicht einmal einen Abschiedsbrief konnte es geben. Und so habe ich lange gezögert, ob eine Veröffentlichung dieser Briefe der Arbeit, dem Wagnis und der Haltung meines Vaters überhaupt gerecht werden könnten."
"Ich stammele Liebesworte vor mich hin"
Dabei machen gerade seine zärtlichen Worte, die ein weiches Herz offenbaren, dieses Buch so kostbar und entrücken es der allzu politisch-historischen Analyse.
"Ich stammele Liebesworte vor mich hin und denke, irgendwie werden sie Dich erreichen über alle grausamen Mauern und Menschen hinweg. Ich habe eine solche unaussprechliche Sehnsucht nach Dir, dass mir das Herz wehtut ..."
Und er bekennt, wie wichtig sie ihm ein Eheleben lang gewesen sei.
"Niemand kann sich vorstellen, wie Du der Mittelpunkt bist, um den alles bei mir kreist. Dir allein kann ich meine Seele ganz öffnen."
Das, so merkt Sohn Klaus an, betraf auch die konspirative Tätigkeit im Widerstand.
"Sie wusste alles, was ihn umtrieb; sie, die Geliebte, war nicht nur Gesprächspartner, sondern auch Ratgeber, Kamerad."
Seinen Kindern schrieb er selten, gibt dabei den mahnenden Vater und den Pädagogen, der um die Eigenverantwortung weiß, die über schwere Schicksalsschläge hinweg hilft.
"Ihr wisst oder ahnt, wie lieb ich Eure Mutter habe, und etwas von dieser Liebe muss jetzt von Euch ausgehen."
Die andere Seite des Verschwörers und Juristen Hans von Dohnanyi ist sein scharfer, kämpferischer Intellekt, der auch durch Drohungen und Folter nicht gebrochen werden konnte. Selbst Krankheiten dienten ihm fürs "Überleben".
Cover von Hans von Dohnanyis "Verschwörer gegen Hitler"
Cover von Hans von Dohnanyis "Verschwörer gegen Hitler"© Deutsche Verlagsanstalt DVA
"Ich benutze meine Krankheit als Kampfmittel … Nachts bringe ich mir heimlich das Gehen bei … Am besten wäre es, wenn ich eine solide Ruhr bekommen könnte."
Ehrgefühl der Verschwörer provozierte Hitlers Mordbefehl
Vielleicht hätte er die nationalsozialistische Diktatur überlebt, noch die kurze Zeit bis Kriegsende und Kapitulation in der Haft überstanden, wenn nicht Dokumente gefunden worden wären, die seine Gefährten nicht vernichtet hatten – entgegen seinen Wünschen und entgegen allen Regeln der Konspiration.
Dieser Fund war es dann, der einen persönlichen Mordbefehl Adolf Hitlers auslöste. Von Dohnanyi, so erläutert Herausgeber Winfried Meyer, zahlte – wie andere – den Preis für ein Ehrgefühl, mag sein ein sehr eitles, nämlich zu belegen, den Widerstand rechtzeitig versucht zu haben.
"Dabei handelte es sich um die Dokumentation der Regimereform- und Umsturzplanungen aus dem Zeitraum zwischen dem Frühjahr 1938 und dem Sommer 1940, die entgegen dringenden Bitten Dohnanyis auf Wunsch von Generaloberst Beck aufbewahrt worden war, um später der Welt beweisen zu können, 'dass wir nicht erst gehandelt haben, als alles verloren war, sondern bereits, als die Welt noch an unseren Sieg glaubte'."
Doch nicht die Konzepte des Widerstandes für ein künftiges Deutschland, nicht die politischen Vorstellungen eines Hans von Dohnanyi spielen in den Briefen aus der Haft eine Rolle, sondern die Haltung eines überzeugten Oppositionellen, der sich Freunden und Familie verbunden weiß, ein Charakterbild, das sein Sohn im Nachwort treffend auf den Punkt bringt.
"Mut, sogar großer körperlicher Mut, muss und darf kein Gegensatz sein zur Empfindsamkeit des Herzens. Die Welt, auf die wir zugehen wird beides gleichermaßen brauchen."

Hans von Dohnanyi: Verschwörer gegen Hitler. Mit hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben. Brief aus Militärgefängnis und Gestapohaft 1943-1945
Deutsche Verlagsanstalt DVA, München 2015
352 Seiten, 24,99 Euro, auch als ebook

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