Hannes Stein: "Der Weltreporter"

In 12 Flunkereien um die Welt

07:46 Minuten
Das Cover zeigt einen Heißluftballon auf dem eine Weltkarte abgebildet ist
Ein Roman über Dinge, die manche nur zu gerne glauben wollen, obwohl sie komplett erfunden sind: Hannes Steins "Der Weltreporter". © Galiani Verlag/Deutschlandradio
Von Frank Meyer · 06.05.2021
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Eine Münchner Räterepublik im Amazonas-Dschungel, ein Paradies in Sibirien – klingt unglaubwürdig? Soll es auch. Hannes Stein spielt in seinem neuen, sehr lustig zu lesenden Roman mit der Verführungskraft von Fake News.
Das Paradies liegt in Sibirien. Dort strahlt hinter einer schwer bewachten Grenze die Stadt Utopia mit einer Skyline wie Dubai und Chicago zusammen.
Millionen Menschen leben dort in einer multiethnischen Metropole, ökologisch vorbildlich und gleichwohl in schönstem Luxus, von dienstfertigen Maschinen umsorgt und widerspruchsfrei geführt von einer extrem vernünftigen künstlichen Intelligenz. Das könnte unsere Zukunft sein.
Zwölf solcher Berichte von kaum zu glaubenden Phänomenen hat sich Hannes Stein für seinen Roman ausgedacht. Er lässt sie von seinem "Weltreporter" Bodo von Unruh in Reportagen für ein Magazin erzählen, das deutliche Ähnlichkeiten mit real existierenden Magazinen wie dem "Spiegel" und dem "Stern" aufweist.
Überhaupt wird der Roman interessant durch die fließenden Übergänge zwischen Realem und Fiktivem.

Monarchisten und Anarchisten traut vereint

Einige der Berichte des Weltreporters sind sehr lustig, vor allem seine Beschreibung einer Münchner Rätemonarchie im Amazonas-Dschungel. Die haben ausgewanderte Anhänger des bayerischen Märchenkönigs Ludwig II. gemeinsam mit Überlebenden der 1919 gescheiteren Räterepublik gegründet.
Die königlich-revolutionäre Trachtenkapelle in diesem tropischen München spielt denn auch nach der ‚Bayernhymne‘ sofort die ‚Internationale‘. Das funktioniert, weil sich die Königstreuen und die Münchner Anarchisten überraschend ähnlich sind in ihrer bajuwarischen Lebenshaltung, also gleichermaßen unlogisch, sinnesfreudig und von Herzen liberal, behauptet ein Räte-Monarchist.

Politisch inkorrekte Allegorien

Andere Ausflüge des Weltreporters sind allzu deutlich als politisch inkorrekte Allegorien gestrickt. In Israel trifft Bodo von Unruh eine jüdische, schwarze, lesbische und behinderte Schriftstellerin. Sie hasst die Palästinenser mit glühendem Eifer und träumt von einem autoritären Ständestaat in Israel, einer echten Zweiklassengesellschaft.
Weniger eindeutig ist eine Abrechnung mit einem amerikanischen Präsidenten, der viel mit dem Vorgänger von Joe Biden gemeinsam hat. Nicht einmal der Name des Orange-Blonden wird in diesem künftigen Amerika noch genannt, gefeiert wird er nur noch von einer winzigen Minderheit, die in ihm allerdings den Vollender der besten US-amerikanischen Traditionen sieht.

Liebesgeschichte mit Philosophiestudentin

Was ist von einem Roman zu erwarten, der Seemannsgarn als Motto hat, einen Satz aus "Sindbad der Seefahrer"? Hannes Stein erzählt von Dingen, die manche gerne glauben mögen und die sich vielleicht bei der Enttarnung dieser Fake News ertappt fühlen.
Wie verführerisch Fantasie und gute Geschichten wirken können, das hat Hannes Stein auf einer weiteren Ebene in den Roman eingebaut. Seine Reiseberichte sind verbunden durch eine Liebesgeschichte zwischen dem Weltreporter und einer Philosophiestudentin. Sie glaubt dem Reporter alles Mögliche, solange sie ihm hingebungsvoll anhängt.
Anders wird es, wenn erste Zweifel aufkommen.

Hannes Stein: "Der Weltreporter. Ein Roman in zwölf Reisen"
Galiani Verlag, Berlin 2021
346 Seiten, 22 Euro

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