Handglockenchor in Gotha

Vielfalt der zauberhaften Klänge

05:56 Minuten
Handglocken liegen in einem Koffer.
In Deutschland gibt es etwa 25 Chöre, die diesen Handglocken besonderen Klang verleihen. © picture alliance / dpa / Lukas Schulze
Von Matthias Nöther · 22.07.2022
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Die Musik mit Handglocken lebt vom Zusammenspiel der Mitspieler. Im thüringischen Gotha gibt es den größten Chor in Deutschland, der sich den Feinheiten der Spieltechniken seit Jahren widmet und sie zur Meisterschaft geführt hat.
Glocken sind zum Läuten da – denkt man. Im Kirchturm hängen normalerweise zwei Stück. Auf Schiffen gab es früher nur eine. Doch auf Glocken kann man auch musizieren: Man kann Melodien, Akkorde und zahlreiche Klangfarben produzieren.
Dafür braucht man aber weit mehr Glocken: hoch und tief klingende, von sehr groß bis ganz klein. Unmöglich kann die alle ein einzelner Spieler, eine Spielerin bedienen. Die Handglocken, die für solche Musik gedacht sind, werden deshalb nie solo gespielt, sondern nur in Gruppen. Den größten Handglockenchor in Deutschland gibt es im thüringischen Gotha.

Virtuoses Zusammenspiel

Fünfzehn Spielerinnen und Spieler stehen hinter einem schwarzen Tisch in Hufeisenform. Vor ihnen der Dirigent Matthias Eichhorn, der den Handglockenchor Gotha leitet. Ein Stück der US-amerikanischen Komponistin Cathy Mocklebust zu spielen, ist eine Herausforderung. Weniger für die Virtuosität der einzelnen Spielenden.
Denn Virtuosität ist beim Spiel von Handglocken vor allem eine Virtuosität des Zusammenspiels – schließlich tragen alle zu einer Melodie oder zu einer Begleitung nur die zwei bis drei Töne bei, die sie buchstäblich selbst in der Hand haben. Genau das aber schätzt Harald Liese als Mitglied des Handglockenchors ganz besonders.
"Ohne die anderen kann ich so gut sein, wie ich will", sagt Liese. "Ich habe nur zwei Hände, und da passen eben höchstens vier Glocken rein und mehr geht halt nicht." Wenn die anderen nicht mitspielten, klinge es nicht so gut, schön oder voll. Deshalb brauche er die anderen Mitspieler. "Unabhängig von der Musik jetzt ist es einfach eine schöne Gruppe, und es macht viel Spaß, in der Gruppe gemeinsam zu musizieren."

Probenraum mit Handglockentisch

Das einstige Wohnhaus des Reformators und Luther-Freundes Friedrich Myconeus ist eines der ältesten Gebäude von Gotha – aber der Probenraum mit dem speziellen Handglockentisch ist hochmodern. Die schwarze Tischdecke ist aus Cord. Die akustischen Eigenheiten der Handglocken sind da mitgedacht, sagt der Dirigent,.
"Weil durch diese Rillen von dem Cordstoff die Glocke, auch wenn sie liegt, nicht komplett abgedämpft wird", erläutert er. "Jetzt zum Beispiel liegt die Glocke, und ich schlage den Klöppel mit dem Finger nach unten. Dann habe ich trotzdem noch ein bisschen Nachklang, weil die Glocke eben durch den Cord, durch die Rillen, nicht komplett abgedämpft wird."

Mit Ruck nach unten

Bei den Proben geht es zum Beispiel um rhythmische und spieltechnische Schwierigkeiten. Die metallischen Resonanzkörper der Glocken sehen tatsächlich aus wie bei Kirchenglocken. Am oberen Ende befindet sich aber eine Schlaufe zum Anfassen. Man führt sie in der Hand mit einem Ruck nach unten.

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Das sollte schnell gehen, denn gleich muss man vielleicht zur nächsten Glocke wechseln, je nachdem, wie die Musik verläuft. Und dann soll die Bewegung auch noch flüssig mit dem ganzen Körper ausgeführt werden. Nicht einfach. Deshalb muss Eichhorn immer wieder auch sehr grundsätzliche Tipps geben, etwa zur Handhaltung. Damit keiner einen Krampf bekommt.

Vielfalt der Spieltechniken und Klänge

Der Dirigent ist hauptberuflich eigentlich Jazz-Kontrabassist, doch mittlerweile ist die Leitung des Handglockenchors Gotha eine seiner musikalischen Haupttätigkeiten. In den Proben erklärt er auch die Feinheiten und die Vielfalt der Spieltechniken und Klänge.
"Es geht los mit einfachen Vibrato-Techniken", sagt Eichhorn. "Oder so Echo-Effekten, bis hin zu: eine Glocke zu schütteln, also das, was man von einer Glocke so erwarten würde." Aber der Klang des Anschlags könne sich direkt verändern, wenn die Glocke beim Anschlagen schon abgedämpft werde. "Oder man kann auch einen dauerhaften Ton erzeugen, dafür braucht man gewisse Hilfsmittel", sagt Eichhorn. "Das ist dann ähnlich wie bei einem Weinglas, das man mit dem FInger reibt."

Tiefe Töne

Eine kleine Auswahl aus den mehr als 30 verschiedene Anschlags- und Spieltechniken, die es für Handglocken gibt. Die tiefen Handglocken sind fast so groß wie Kirchenglocken. Auf ihnen kommen natürlich andere Spieltechniken häufiger zum Einsatz als auf den kleinen – die etwa Mitspielerin Lena Grunert bevorzugt. Schon ihre Mutter und ihre Oma haben mitgespielt.
"Es kommt halt darauf an wegen den verschiedenen Plätzen", sagt Grunert. "Auf jedem Platz sind es verschiedene Glocken, auch verschieden variiert, wie viel es sind." Wenn sie mal tiefer spiele, sei es auch nicht so schlimm.
Natürlich hat das gemeinsame Spiel auf Handglocken seine technischen Grenzen. Schnelle Läufe wie auf dem Klavier wird man kaum hinbekommen. Aber das macht der Handglockenchor durch die Vielfalt der Klänge wett, die er zaubern kann.

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