Motor Saporischschja spielt in Düsseldorf

Tore im Exil

06:13 Minuten
Szene aus dem Spiel BBM Bietigheim vs. HC Motor Zaporizhzhia in der zweiten Handballbundesliga: von links im Zweikampf Dmytro Tiutiunnyk (HC Motor Zaporizhzhia) und Nikola Vlahovic (Bietigheim), Illia Blyzniuk (HC Motor Zaporizhzhia)
Motor Saporischschja spielt in der zweiten Handball-Bundesliga als Gastmannschaft (hier in den farbigen Trikots). © dpa / picture alliance / Marco Wolf
Von Vivien Leue · 01.01.2023
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Saporischschja ist zum Symbol für Krieg und Zerstörung in der Ukraine geworden. Doch die Region steht auch für Handballsport – als Heimat von Motor Saporischschja. Inzwischen spielt der Rekordmeister in der zweiten Handball-Bundesliga.
In der großen Sporthalle „Castello“ im Düsseldorfer Süden fallen sofort die gelb-blauen Farben im Publikum auf. Sie leuchten von großen Flaggen, auf Trikots und in den Haaren der Kinder.

Motor Saporischschja ist seit Juni in Düsseldorf

Denn hier hat heute der ukrainische Handballrekordmeister Motor Saporischschja ein Heimspiel – ein Heimspiel im Exil. Nahe der Halle fließt nun der Rhein, nicht der Dnepr.
Deutschland sei sehr gastfreundlich, sagt Dmytro Karputschtschenko, der Manager des Profiklubs. Das Team lebt und trainiert seit Juni in Düsseldorf. Die zweite Handball-Bundesliga nahm den ukrainischen Topklub im Sommer als Gastmannschaft auf, die Spiele laufen außer Konkurrenz.

Es ist nicht einfach für uns. Wir schauen ständig nach neuen Nachrichten aus unserer Heimat. Aber wir sind auch Profis und versuchen, die Gedanken an den Krieg während des Trainings und der Spiele auszuschalten.

Dmytro Karputschtschenko, Manager von Motor Saporischschja

Das versuchen sie für sich und ihre Sportkarrieren, aber auch für die Zuschauer und Zuschauerinnen.
Karpuschtschenko: „Wir wollen zeigen, dass wir überleben und dass aus der Ukraine noch mehr kommt als Kriegsnachrichten. Wir können den Menschen Hoffnung geben.“

Zehntausend geflüchtete Ukrainer in der Region

Allein in der Region Düsseldorf leben zehntausend geflüchtete Ukrainer. Sie sollen sich durch 60 Minuten Handball ablenken lassen, einmal nicht an die jüngsten Bombardierungen denken.
Auch deshalb ist der Eintritt zu den Heimspielen von Motor Saporischschja frei. Aber in der großen Halle bleiben viele Plätze leer. Statt vor dreieinhalb- bis viertausend Zuschauern wie in Saporischschja, spielt das Team nun vor ein- bis zweihundert Menschen.
Dennoch: Die Stimmung ist gut – es wird gejubelt, gerufen, geklatscht.

Handballspiele als kurze Lichtblicke

Auch Elena Shelest ist mit zwei Freundinnen und ihrer achtjährigen Tochter gekommen. Sie sei aus Charkiw, erzählt Elena Shelest. Der Krieg sei seit Februar allgegenwärtig.
Die Handballspiele der heimischen Mannschaft im deutschen Exil – das seien kurze Lichtblicke in diesen schwierigen Zeiten.

Der Ukrainer Alexander lebt schon seit neun Jahren im Rheinland. Er kommt regelmäßig hierher, obwohl er eigentlich Fußballer sei.

Manche Ukrainer fühlen sich hier heimisch

Die ukrainische Musik in den Pausen, die Gespräche mit den Landsleuten, die Ablenkung durch den Sport, das tue ihm gut, sagt er.
Alexander: „Ich fühle mich teilweise sozusagen in meiner Heimat.“
Dass Düsseldorf keinen eigenen Proficlub in der Bundesliga hat, habe letztlich mit den Ausschlag dafür gegeben, dass Motor Saporischschja hierher kommt, erklärt der Sprecher der städtischen Sport- und Event-Tochter D-Live, Marcel Ortmanns.
Ortmanns: „Zumal wir neben unserer Expertise in der Organisation von Sportevents auch eigene Venues haben, wie hier das Castello, wo der HC Motor jetzt beheimatet ist.“
Die Stadt hilft dem Verein in allen Belangen. Weil ein Großteil des Managements in der Ukraine bleiben musste, unterstützen nun Ortmanns und sein Team die Mannschaft.

Die Stadt Düsseldorf hat uns dabei sehr geholfen, die Spieler und ihre Familien in Wohnungen unterzubringen. Das sind zu ganz großen Teilen reguläre Flüchtlingsunterkünfte hier in Düsseldorf, viele Messewohnungen und so weiter.

Marcel Ortmanns, städtische Sport- und Event-Tochter D-Live

Auch die Familie des Kapitäns der Mannschaft, Zakhr Denysova, wohnt jetzt mit ihren beiden kleinen Söhnen am Düsseldorfer Stadtrand. Nadya Denysova und die beiden kleinen Söhne kommen zu jedem Spiel.

Manchmal vergessen sie kurz den Krieg

Düsseldorf sei wunderschön, sagt sie, aber sie wollten am liebsten wieder nach Hause, in die Heimat. Dennoch lächelt sie, jubelt bei einem Tor ihres Teams. Manchmal, sagt sie, vergesse sie in diesen Momenten kurz den Krieg.

Für die Mannschaft von Motor Saporischschja hat es heute nicht zum Sieg gereicht. Sie verlieren gegen den HC Elbflorenz aus Dresden mit 32:34 Punkten.
Kapitän Zakhr Denysov ist nicht zufrieden.

Dann aber blickt er auf die Ränge und sieht die zufriedenen Gesichter der Zuschauer und weiß dann wieder, was wirklich zählt.

Dass er mit seinem Sport nun hier in Düsseldorf ukrainischen Geflüchteten ein bisschen Heimat ins Exil bringen könne, das freut ihn. Und eigentlich gelte das auch für ihn selbst. Die Fans mit ihren gelb-blauen Flaggen und ukrainischen Jubelrufen, sie gäben auch ihm Kraft – weiterzumachen.

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