Omar Shahid Hamid: „Verrat“

Ein fieser Kommentar zu den Geschlechterverhältnissen

02:41 Minuten
Das Cover des Romans "Verrat" zeigt ein Maschinengewehr, das an eine Wand gelehnt wurde. Daneben liegt ein Damenschuh auf dem Boden.
© Draupadi Verlag

Omar Shahid Hamid

Aus dem Englischen von Almuth Degener

VerratDraupadi, Heidelberg 2021

327 Seiten

19,80 Euro

Von Thomas Wörtche · 25.02.2022
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Stell dir vor, es ist Frieden, und keiner macht mit: Omar Shahid Hamid erzählt in seinem Spionageroman „Verrat“ eine vertrackte Geheimdienstgeschichte rund um den aktuellen Konflikt zwischen Pakistan und Indien.
Der klassische Spionageroman des Kalten Krieges hat eine Herzkammer: den Verrat, für dessen Personifikation der Maulwurf steht. Die duale Struktur der damaligen Welt, die beiden „Blöcke“, Ost und West, ist die Voraussetzung dafür, dass der Maulwurf in diesem Konflikt eine moralische Figur wird, wenn er tut, was er tun soll: Verrat an der eigenen Sache üben.

Zankapfel Kaschmir

Der bemerkenswerte pakistanische Autor Omar Shahid Hamid, exilierter Ex-Polizist aus Karachi, benutzt für seinen dritten Roman (nach „Der Gefangene“ und „Der Jihadist“) nun einen aktuellen, realpolitisch existenten Dualismus: den zwischen den beiden Atommächten Pakistan und Indien mit dem historisch bedingten Zankapfel Kaschmir.
Was wäre, fragt Hamid, wenn die beiden Antagonisten versuchten, eine friedliche Einigung herbeizuführen? Samir Ali Khan, der Sicherheitsberater des pakistanischen Premierministers hängt solchen Überlegungen nach. Des Tötens müde, versucht er, mit der indischen Seite ins Gespräch zu kommen.

Eine Tragödie nimmt ihren Lauf

Die Inder aber haben einen Maulwurf ganz oben in der pakistanischen Machtstruktur platziert. Allerdings sind auch nicht alle Pakistanis mit Ali Khans Friedenspolitik einverstanden, weil Geschäftsinteressen einer Deeskalation im Wege stehen.

Unsere Jury hat diesen Roman auch auf unsere Krimibestenliste gestellt. Viele weitere Leseempfehlungen und Krimi-Hörspiele finden Sie in unserem Krimi-Portal.

Wie könnte man also Ali Khan aus dem Spiel nehmen? Er hat eine wunde Stelle – seine alte Liebe Alina. Sie ist mit einem unehelichen Sohn erpressbar, den sie als Kind weggeben hatte und der zum fanatischen Dschihadisten geworden ist.
Um ihn zu retten, muss sie ihre Liebe verraten. Und so nimmt eine blutige Tragödie ihren Lauf, an deren Ende … 

Sarkasmus auf hohem Niveau

Omar Shahid Hamid demontiert den angeblich wertebasierten Dualismus zwischen Indien und Pakistan. Das ist Sarkasmus auf hohem Niveau und verschiebt die dem Thema „Verrat“ implizite moralische Dimension ins Private.
Alina, die einzige Frau in einer zynischen Männerwelt, muss die Last des guten und richtigen Verhaltens tragen. Sie muss moralische Optionen ziehen, auch wenn die die Wahl zwischen Pest und Cholera sind, während die Herren von solchen Gedanken weitgehend frei sind.
Ein böser, fieser Kommentar zu den realen Geschlechter- und Machtverhältnissen, nicht nur in Pakistan.

Ein entdeckenswerter Autor

„Der Verrat“ liest sich auf den ersten Blick wie ein klassischer Spionageroman aus einem weltpolitischen Hotspot, was schon spannend und interessant genug ist. Seine implizite Zwiebelstruktur, die Dimension um Dimension freigibt, packt aber noch ein paar Qualitäten obendrauf, die ihn eben nicht zu einem bloß gelungenen Re-Writing alter Muster macht.
Omar Shahid Hamid ist ein noch weit unterschätzter Autor, eine aufregende neue Stimme aus der vermeintlichen Peripherie, die sich als zentral erweist.

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