Grünen-Politiker: Russland ist künftiger Partner der syrischen Opposition
Der Berliner Bezirkspolitiker und syrische Exil-Oppositionelle Ferhad Ahma (B90/Die Grünen) fordert die russische Regierung auf, die Friedensinitiative der oppositionellen Koalition der syrischen Kräfte zu unterstützen.
Gabi Wuttke: Eine Bombe explodierte gestern in der syrischen Hauptstadt, die Regierung ließ vermelden, bei dem Anschlag in Damaskus seien Schulkinder ums Leben gekommen, im Ausland stationierte Oppositionsleute lenkten den Blick auf die verhasste Baath-Partei und Russland. Die Autobombe hat Schäden in der Zentrale und der Botschaft verursacht. Ein Umstand ist für beide Seiten unstrittig, die Zahl der Todesopfer steigt weiter. Ferhad Ahma setzt sich von Berlin aus für einen Frieden in seiner Heimat ein, jetzt ist er im Studio. Einen schönen guten Morgen!
Ferhad Ahma: Guten Morgen!
Wuttke: Ist die Vermittlungsmission von Lakhdar Brahimi, dessen Vertrag gerade um ein halbes Jahr verlängert wurde, also auch angesichts dessen, was gestern passiert ist, eigentlich sinnlos?
Ahma: Nein, die Unterstützung der Friedensinitiative der syrischen Opposition, die wäre ja nicht sinnlos. Die Mission von Herrn Lakhdar Brahimi, die läuft ja seit Langem, und die wurde jetzt erst mal verlängert, noch mal sechs Monate.
Und was jetzt angebracht ist, dass die Internationale Staatengemeinschaft noch die Initiative der Syrischen Koalition, die von Herrn Al-Khatib auch unterstützt, und klar macht, dass das Regime den Weg des Dialoges suchen muss und sich auch an den Dialogtisch mit der Opposition setzen muss, um überhaupt eine friedliche Lösung des ganzen Konfliktes hinzubekommen.
Wuttke: Brahimi beharrt ja auf einem Friedensdialog, der syrische Nationalrat, Herr Ahma, was hat er anzubieten?
Ahma: Zuerst muss man sagen, dass der syrische Nationalrat nicht mehr der alleinige Ansprechpartner in der syrischen Opposition ist. Zurzeit existiert die Koalition der syrischen Kräfte, und die ist ja international aufgetreten, und die hat auch die Anerkennung von fast 100 verschiedenen Staaten auf der ganzen Welt genossen.
Was die syrische Opposition momentan sagt, sie hat ja einen Friedensplan vorgeschlagen, sie ist zum Beispiel von der ganz alten Forderung, dass Baschar al-Assad erst mal zurücktreten muss, bevor mit irgendwelchen Verhandlungen begonnen wird, zurückgegangen, und jetzt sagt sie, wir können damit leben, dass Baschar al-Assad zumindest während der Verhandlungen noch an der Macht bleibt. In den Verhandlungen muss man aber auch eine Lösung suchen, was mit Baschar al-Assad dann passieren wird.
Wuttke: Was könnte das sein?
Ahma: Man geht davon aus, dass Baschar al-Assad mit der Zukunft Syriens nichts zu tun haben wird. Also man wird eine Lösung suchen, sodass er zumindest direkt nach den Verhandlungen zurücktritt beziehungsweise seine kompletten Kompetenzen und Machten an seinen Vize oder an eine Person, die das Vertrauen der Opposition auch genießt, überträgt.
Es wird dann eine Übergangsregierung gebildet, zusammen mit dem Rest des Regimes, was noch sich an Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht beteiligt hat, und diese Übergangsregierung muss natürlich den Entwurf einer Verfassung diskutieren, muss sie auch dem Volk zur Abstimmung zur Verfügung stellen, und irgendwann werden auch dann Präsidentschaftswahlen stattfinden und ein neuer Präsident für das Land gewählt.
Wuttke: Sie sprechen jetzt in der Gegenwartsform - wir sind von dem, was Sie sich erhoffen für Ihr Land, glaube ich, noch einen ganz weiten Schritt entfernt. Und Sie sagen auch, es gibt Einigkeit in den Gruppen der Opposition. Mal abgesehen davon, dass wir alle verstehen können, welche Hoffnung Sie haben und welcher Zweckoptimismus nötig ist, ist es aus Ihrer Sicht wirklich sichergestellt, dass sich die einzelnen Gruppen der Opposition nicht letztlich doch gegenseitig ein Bein stellen könnten, weil es unterschiedliche Ziele gibt?
Ahma: Nun, die gesamte Opposition ist sich einem Ziel einig, und zwar das Ziel ist es, dass ein Machtwechsel in Syrien stattfindet, dass ein Regimewechsel in Syrien stattfindet. Jetzt werden demnächst auch Besuche sogar nach Moskau stattfinden, Herr al-Khatib wird höchstwahrscheinlich am 6. in Moskau sein, der syrische Außenminister vor ihm, einen Tag vorher, und das deutet einfach darauf hin, dass die Internationale Staatengemeinschaft, und vor allem hier Russland, sich auch für diesen Dialog interessiert und dafür auch einsetzt.
Und die letzten Äußerungen aus Moskau geben auch mehr Hoffnung, dass man auf diesen Friedensprozess oder Friedensinitiative eher gesagt setzen muss. Es gibt keine andere Lösung, es sei denn, man lässt sich darauf ein, dass dieser Konflikt so brutal ist, wie es jetzt auch aussieht, noch jahrelang auch sich hinzieht und das natürlich auch katastrophale Folgen für die Zivilbevölkerung letztlich bringt.
Wuttke: Ist Russland jetzt im Augenblick für die Opposition der entscheidende Faktor?
Ahma: Mitunter ist es einer der entscheidenden Faktoren. Russland hat die besten Beziehungen, immer noch, zum Regime von Baschar al-Assad, sogar auch persönliche Kontakte, durch die jahrzehntelange Beziehung entstanden, durch auch Handelsbeziehungen, aber auch politische und militärische Beziehungen zum Regime, und Russland kann eine sehr positive Rolle spielen, wenn die russische Führung jetzt, wie sie auch in den letzten Tagen geäußert hat, ganz klar auch Druck auf das Regime ausübt, um klare Dialogbereitschaft zu signalisieren und nicht wieder diese Initiative blockieren, wie das Regime auch zum Beispiel die Initiative der arabischen Liga, aber auch die erste Mission von Herrn Lakhdar Brahimi blockiert hat.
Wuttke: Aber sind die Interessen Russlands die Interessen der syrischen Opposition?
Ahma: Man kann bestimmt einfach gemeinsame Nenner treffen, man kann auch definieren, welche Interessen Russland in der Zukunft haben möchte, in Syrien haben möchte. Und ich glaube, die syrische Opposition, ihr ist nicht daran gelegen, alle Interessen Russlands zu torpedieren oder zu boykottieren. Es geht nicht darum, dass man jetzt Russland als Feind betrachtet, sondern als zukünftigen Partner auch in Syrien. Und daher sucht man auch das Gespräch mit Russland selbst, man fliegt auch selbst nach Moskau und sagt nicht, man möchte sich mit Herrn Lawrow zum Beispiel woanders treffen.
Wuttke: Die EU hat ihr Waffenembargo bekräftigt, aber auf der anderen Seite lässt sie es jetzt zu, dass die Aufständischen Splitterschutzwesten, Funkgeräte und Nachtsichtgeräte erhalten. Was sagen Sie dazu?
Ahma: Nun, die Kämpfer selbst in Syrien haben ja gesagt, dass das sie im Prinzip nicht dazu bringt, den Konflikt zu entscheiden. Das wird wahrscheinlich mehrere Menschen vor dem Tode schützen, aber das sind ja nicht Geräte, mit denen man wirklich kämpfen kann, mit denen man auch die Schlacht entscheiden kann.
Wuttke: Eben, eben.
Ahma: Und das ist die Forderung der Opposition immer gewesen. Jetzt muss man auch immer sagen, wenn diese Initiative, die Friedensinitiative scheitern sollte, was wir nicht hoffen, dann muss die Internationale Staatengemeinschaft bereit sein, den Konflikt anders zu entscheiden. Und das wäre dann, die Rebellen, oder die Rebellen, die von der syrischen Koalition, also von der syrischen politischen Opposition anerkannt und betreut werden, auszustatten, damit sie dann den Konflikt notfalls militärisch entscheiden.
Wuttke: Sagt Ferhad Ahma, syrischer Oppositionsaktivist, im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen sehr!
Ahma: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Ferhad Ahma: Guten Morgen!
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Ahma: Nein, die Unterstützung der Friedensinitiative der syrischen Opposition, die wäre ja nicht sinnlos. Die Mission von Herrn Lakhdar Brahimi, die läuft ja seit Langem, und die wurde jetzt erst mal verlängert, noch mal sechs Monate.
Und was jetzt angebracht ist, dass die Internationale Staatengemeinschaft noch die Initiative der Syrischen Koalition, die von Herrn Al-Khatib auch unterstützt, und klar macht, dass das Regime den Weg des Dialoges suchen muss und sich auch an den Dialogtisch mit der Opposition setzen muss, um überhaupt eine friedliche Lösung des ganzen Konfliktes hinzubekommen.
Wuttke: Brahimi beharrt ja auf einem Friedensdialog, der syrische Nationalrat, Herr Ahma, was hat er anzubieten?
Ahma: Zuerst muss man sagen, dass der syrische Nationalrat nicht mehr der alleinige Ansprechpartner in der syrischen Opposition ist. Zurzeit existiert die Koalition der syrischen Kräfte, und die ist ja international aufgetreten, und die hat auch die Anerkennung von fast 100 verschiedenen Staaten auf der ganzen Welt genossen.
Was die syrische Opposition momentan sagt, sie hat ja einen Friedensplan vorgeschlagen, sie ist zum Beispiel von der ganz alten Forderung, dass Baschar al-Assad erst mal zurücktreten muss, bevor mit irgendwelchen Verhandlungen begonnen wird, zurückgegangen, und jetzt sagt sie, wir können damit leben, dass Baschar al-Assad zumindest während der Verhandlungen noch an der Macht bleibt. In den Verhandlungen muss man aber auch eine Lösung suchen, was mit Baschar al-Assad dann passieren wird.
Wuttke: Was könnte das sein?
Ahma: Man geht davon aus, dass Baschar al-Assad mit der Zukunft Syriens nichts zu tun haben wird. Also man wird eine Lösung suchen, sodass er zumindest direkt nach den Verhandlungen zurücktritt beziehungsweise seine kompletten Kompetenzen und Machten an seinen Vize oder an eine Person, die das Vertrauen der Opposition auch genießt, überträgt.
Es wird dann eine Übergangsregierung gebildet, zusammen mit dem Rest des Regimes, was noch sich an Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht beteiligt hat, und diese Übergangsregierung muss natürlich den Entwurf einer Verfassung diskutieren, muss sie auch dem Volk zur Abstimmung zur Verfügung stellen, und irgendwann werden auch dann Präsidentschaftswahlen stattfinden und ein neuer Präsident für das Land gewählt.
Wuttke: Sie sprechen jetzt in der Gegenwartsform - wir sind von dem, was Sie sich erhoffen für Ihr Land, glaube ich, noch einen ganz weiten Schritt entfernt. Und Sie sagen auch, es gibt Einigkeit in den Gruppen der Opposition. Mal abgesehen davon, dass wir alle verstehen können, welche Hoffnung Sie haben und welcher Zweckoptimismus nötig ist, ist es aus Ihrer Sicht wirklich sichergestellt, dass sich die einzelnen Gruppen der Opposition nicht letztlich doch gegenseitig ein Bein stellen könnten, weil es unterschiedliche Ziele gibt?
Ahma: Nun, die gesamte Opposition ist sich einem Ziel einig, und zwar das Ziel ist es, dass ein Machtwechsel in Syrien stattfindet, dass ein Regimewechsel in Syrien stattfindet. Jetzt werden demnächst auch Besuche sogar nach Moskau stattfinden, Herr al-Khatib wird höchstwahrscheinlich am 6. in Moskau sein, der syrische Außenminister vor ihm, einen Tag vorher, und das deutet einfach darauf hin, dass die Internationale Staatengemeinschaft, und vor allem hier Russland, sich auch für diesen Dialog interessiert und dafür auch einsetzt.
Und die letzten Äußerungen aus Moskau geben auch mehr Hoffnung, dass man auf diesen Friedensprozess oder Friedensinitiative eher gesagt setzen muss. Es gibt keine andere Lösung, es sei denn, man lässt sich darauf ein, dass dieser Konflikt so brutal ist, wie es jetzt auch aussieht, noch jahrelang auch sich hinzieht und das natürlich auch katastrophale Folgen für die Zivilbevölkerung letztlich bringt.
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Ahma: Mitunter ist es einer der entscheidenden Faktoren. Russland hat die besten Beziehungen, immer noch, zum Regime von Baschar al-Assad, sogar auch persönliche Kontakte, durch die jahrzehntelange Beziehung entstanden, durch auch Handelsbeziehungen, aber auch politische und militärische Beziehungen zum Regime, und Russland kann eine sehr positive Rolle spielen, wenn die russische Führung jetzt, wie sie auch in den letzten Tagen geäußert hat, ganz klar auch Druck auf das Regime ausübt, um klare Dialogbereitschaft zu signalisieren und nicht wieder diese Initiative blockieren, wie das Regime auch zum Beispiel die Initiative der arabischen Liga, aber auch die erste Mission von Herrn Lakhdar Brahimi blockiert hat.
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Wuttke: Die EU hat ihr Waffenembargo bekräftigt, aber auf der anderen Seite lässt sie es jetzt zu, dass die Aufständischen Splitterschutzwesten, Funkgeräte und Nachtsichtgeräte erhalten. Was sagen Sie dazu?
Ahma: Nun, die Kämpfer selbst in Syrien haben ja gesagt, dass das sie im Prinzip nicht dazu bringt, den Konflikt zu entscheiden. Das wird wahrscheinlich mehrere Menschen vor dem Tode schützen, aber das sind ja nicht Geräte, mit denen man wirklich kämpfen kann, mit denen man auch die Schlacht entscheiden kann.
Wuttke: Eben, eben.
Ahma: Und das ist die Forderung der Opposition immer gewesen. Jetzt muss man auch immer sagen, wenn diese Initiative, die Friedensinitiative scheitern sollte, was wir nicht hoffen, dann muss die Internationale Staatengemeinschaft bereit sein, den Konflikt anders zu entscheiden. Und das wäre dann, die Rebellen, oder die Rebellen, die von der syrischen Koalition, also von der syrischen politischen Opposition anerkannt und betreut werden, auszustatten, damit sie dann den Konflikt notfalls militärisch entscheiden.
Wuttke: Sagt Ferhad Ahma, syrischer Oppositionsaktivist, im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen sehr!
Ahma: Ich danke Ihnen auch!
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