Grüne Gentechnik

Der Welternährung zuliebe

09:16 Minuten
Ein Keimling in einem Reagenzglas, eine gentechnisch veränderte Pflanze, 2021.
Es gibt nach wie vor starke Vorbehalte gegen gentechnisch veränderte Pflanzen. Vier von fünf Deutschen lehnen das Verfahren ab.(Symbolbild) © imago/ YAY Images
Christiane Nüsslein-Volhard im Gespräch mit Ute Welty · 21.01.2023
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Die Diskussion um grüne Gentechnik in der Landwirtschaft wird emotional geführt. Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard sagt, warum die Genschere CRISPR wichtig für die Welternährung ist - und warum sie an den Gegnern verzweifelt.
Ihren ersten aufklärerischen Artikel zum Thema Nutzpflanzen und Gentechnik schrieb Christiane Nüsslein-Volhard 1998: Sie erläuterte, was passiert, wenn Ackerpflanzen gentechnisch verändert werden – und warum Panikmache in Bezug auf solche Pflanzen falsche Signale setzt. „Doch seitdem ist nichts passiert", sagt sie. "Und das macht einen manchmal ganz schön wütend.“
Was die inzwischen 80-jährige Biochemikerin und Nobelpreisträgerin für Medizin (1995) vor allem wütend macht? „Die Leute haben es einfach nicht verstanden zum Teil. Sie haben nicht verstanden, dass Gene nicht über die Nahrung in den menschlichen Körper eingebaut, sondern verdaut werden - egal, ob es Fremdgene sind oder die Gene von unseren Nahrungsmitteln, die ja im Grunde auch alle Fremdgene sind.“

Vier von fünf Deutschen sind gegen grüne Gentechnik

Nach wie vor ist der Protest gegen gentechnisch veränderte Kulturpflanzen vehement. Das zeigen etwa Bündnisse wie „Wir haben es satt“, das anlässlich der Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin gerade wieder „Hunger beenden und Agrogentechnik beenden“ fordert.
Vier von fünf Deutschen lehnen laut einer Studie des Bundesumweltministeriums Gentechnik in der Landwirtschaft ab.
Nüsslein-Volhard, langjährige Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen, hat gerade einen Gastbeitrag zum Thema im "Spiegel" veröffentlicht. Darin schreibt sie unter anderem: "Meine Vision für unser Land ist der Anbau gentechnisch veränderter resistenter Kulturpflanzen".

Ertragreicher und resistenter

Sie begründet das vor allem damit, dass die Pflanzen so ertragreicher, anpassungsfähiger an den Klimawandel und zugleich resistenter gegen Schädlinge gemacht werden könnten. Das Spritzen mit Pestiziden würde dann weitgehend überflüssig werden, so die Wissenschaftlerin.
Bei der CRISPR-Technik, einer sogenannten Genschere, werden einzelne Gene in den Zellen eines Organismus gezielt verändert.
Nüsslein-Volhard findet die Einwände von Gentechnik-Kritikern unsinnig. „All unsere Kulturpflanzen sind hochgradig gezüchtet und genetisch verändert.“ Etwa um sie besser genießbar oder wirtschaftlicher im Anbau zu machen. Das passiere über ein langwieriges Verfahren – durch Produktion sehr vieler Nachfahren und Auswahl der Pflanzen, die die gewünschten Eigenschaften haben.
„Durch das Verfahren mit der Genschere kann man solche Verfahren einfach stark erleichtern, präziser machen und Ergebnisse schneller erreichen.“ Das sei am Ende nicht unterscheidbar von Ergebnissen, die man auf anderem Wege gewonnen habe.
Für die Forscherin ist grüne Gentechnik deshalb das Mittel der Wahl, um die Landwirtschaft angesichts von Klimawandel, wachsender Weltbevölkerung und Lebensmittelknappheit zukunftstauglich umzubauen.

Alte Resistenzen wiederherstellen

Zudem: Alle gentechnisch hergestellten neuen Sorten müssen einem aufwändigen Testverfahren unterzogen werden, bevor sie in den Vertrieb gebracht werden dürfen.
Wichtig ist Nüsslein-Volhard auch: „Man hat inzwischen in der Pflanzenzüchtung und -genetik viele Gene entdeckt, die für die Abwehr der Pflanze gegen Insektenfraß, gegen von Bakterien und Viren verursachte Krankheiten wirksam sind.“ In den Kulturpflanzen seien aber viele dieser Gene, die für die Widerstandsfähigkeit zuständig sind, im Laufe der vielen Züchtungen verlorengegangen.
Porträt von Christiane Nüsslein-Volhard, Biochemikerin und Medizinnobelpreisträgerin, aufgenommen vor dem Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie 2020.
Christiane Nüsslein-Volhard, inzwischen 80 Jahre alt, forscht weiter im Bereich der Gentechnologie.© picture alliance / dpa / Marijan Murat
Bei der Gentechnik gehe es dann oft einfach darum, „diese verlorengegangenen Resistenzen wieder in die Pflanze hineinzubringen. Wenn man das molekular analysiert hat, kann man das auch leicht bewerkstelligen.“

Urkorn wenig ertragreich

Oft wird gefordert, doch statt auf Gentechnik lieber auf sogenannte Urpflanzen wie das Urkorn zu setzen. Für Nüsslein-Volhard spricht dagegen, dass diese vergleichsweise wenig ertragreich seien und darum kaum geeignet, um die Welternährung langfristig zu sichern.
Vor diesem Hintergrund bedauert sie: „In Deutschland wird mehr auf Greenpeace gehört als auf die Wissenschaftler.“
(mkn, weitere Quellen: "Der Spiegel" , BMUV.de)
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