Großbritannien und der Brexit

"Eine wahnsinnige Situation"

Pro-Brexit-Demonstranten vor dem Britischen Parlament
Pro-Brexit-Demonstranten vor dem Britischen Parlament © dpa/ picture alliance/ Alberto Pezzali
Adam Soboczynski im Gespräch mit Anke Schaefer |
Der "Zeit"-Journalist Adam Soboczynski hält es für extrem unwahrscheinlich, dass Theresa May die Abstimmung über den Brexit-Vertrag im britischen Unterhaus gewinnen wird. Das Ausmaß der parlamentarischen Krise in Großbritannien sei aus deutscher Perspektive kaum zu erfassen.
Das britische Unterhaus debattiert von morgen an über den Brexit-Vertrag, den Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hat. Die Abstimmung ist für kommenden Dienstag geplant. Er halte es für extrem unwahrscheinlich, dass die Abstimmung über den Vertrag im britischen Unterhaus positiv ausfalle, sagte der "Zeit"-Journalist Adam Soboczynski im Deutschlandfunk Kultur.
Viele Parlamentarier hätten sich längst öffentlich bekannt, wie sie abstimmen werden und könnten sich ohne Gesichtsverlust nicht mehr umentscheiden. Dadurch sei die Lage "vollständig aussichtslos".

Konservative Brexit-Gegnerin von Mob angegriffen

Die öffentliche Debatte sei enorm aufgeheizt, Nazi-Vergleiche seien üblich. "Wer sozusagen gegen den Brexit ist, betreibt das Geschäft der Deutschen, und die Deutschen sind natürlich nichts anderes als die Verlängerung der nationalsozialisitischen Herrschaft, jetzt unter dem Deckmantel der europäischen Vormachtstellung", fasste Soboczynski den Tenor der Brexit-Befürworter zusammen.
Adam Soboczynski
Adam Soboczynski: aus deutscher Perspektive kaum zu begreifen© picture alliance/dpa/Foto: Jens Kalaene
Eine konservative Politikerin, die gegen den Brexit ist, sei auf öffentlicher Straße in der Nähe des Parlaments von einem Mob angegriffen worden, kritisierte der Publizist: "Das ist natürlich eine wahnsinnige Situation. Das ist eine Art von Regierungskrise – oder auch eine parlamentarische Krise – wie wir sie hier, glaube ich, gar nicht ermessen können."

"Exzentrische Positionen mitten in der Regierung"

Extreme Positionen würden in Großbritannien nicht nur am Rand des politischen Spektrums, sondern auch "auf einem deutlich höheren Bekanntheitsniveau" vertreten, sagte Soboczynski: "Wenn Sie an Boris Johnson denken, der war Außenminister! Das war nicht irgendein Hinterbänkler, der irgendwelches bizarres Zeug vor sich hin geschwafelt hätte. Das ist sozusagen eine exzentrische Position gewesen, die mitten in der Regierung stattgefunden hat und nicht am äußeren Rand."
(huc)
Mehr zum Thema