Groß Schauener Seenkette

Die Aale bleiben auf Wanderschaft

07:18 Minuten
Junge Glasaale schwimmen in einem Glasbehälter.
Millionen von Glasaalen werden als Jungfische in den Gewässern eingesetzt. © Picture Alliance / dpa-Zentralbild / Corinna Schwanhold
Von Peter Kaiser  · 30.12.2020
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Im brandenburgischen Storkow leben viele Menschen vom Fisch. 
Hier, an der großen Schauener Seenkette, kommen die Kunden zum Fischer in den Hofladen, der trotz Corona noch geöffnet ist.
Sechs Seen umfasst die Groß Schauener Seenkette. Mittendrin liegt das über 800 Jahre alte brandenburgische Städtchen Storkow. Die Seen sind das ökologische Pfund, mit dem die Gemeinde als Naherholungsgebiet besonders bei Berlinern punkten kann. Rohrdommel, Haubentaucher, Fischadler sind hier zu beobachten. In den Seen leben Zander, Hechte, Karpfen, Schleie, Blei, Weißfische und Aale.
Mehr als 400.000 Glasaale, das sind Jungtiere mit etwa sieben Zentimetern Länge und einem Gewicht von 0,3 Gramm wurden im Februar dieses Jahres vor der französischen Atlantikküste gefangen und in Styroporboxen hierhergebracht.

Zwei Millionen Jungfische aus dem Atlantik

Frederik Buhrke, Fachmann für Aquakultur und Searanching von der Fischerei Köllnitz, die direkt an der Groß Schauener Seenkette ist, ist eben mit dem Kanu ein wenig auf den See hinausgestakt. Er hat die Jungfische Anfang des Jahres in die Seen gesetzt, und beide Boote mit den Kisten beladen. "Wir haben auch einen, der um den See herumfährt, mit der Wathose, und dann entlang quasi den Schilfkanten verteilt, vorsichtig", sagt er. "Dann verteilen wir alles im See, dass nicht alles an einer Stelle ist, und so geht der ganze Besatz."
Frederik Buhrke setzt Glasaale aus Kisten am Seeufer aus.
In Kisten bringt Frederik Buhrke die Glasaale ans Seeufer © Picture Alliance / dpa-Zentralbild / Patrick Pleul
Dass Glasaale in die brandenburgischen Gewässer eingesetzt wurden, passierte nicht nur in Storkow, sondern auch anderswo. Insgesamt sind es zwei Millionen gewesen. "Wir sind Teil des Europäischen Besatzprogramms vom Aal zur Bestandssicherung quasi", so Buhrke. "Der Aal ist auf der Roten Liste und hat aufgrund seiner Lebensweise mit bestimmten Hindernissen zu kämpfen. Es ist ein Wanderfisch, der in der Sargassosee laicht, da muss er erstmal hinkommen. Und die fressen sich die Fettpolster an, um die Reise nachher zu machen. Und wenn sie abwandern, werden sie zu sogenannten Blankaalen, und dann schwimmen sie los Richtung Meer. Solange aber leben sie hier."

Versteckt im Schilf

Jetzt liegen die Glasaale im nur vier Meter tiefen Gewässer, verstecken sich im Schilf, im Dickicht. Sie versuchen, nicht von den Fischadlern oder Kormoranen gefressen zu werden und sind ganz uninteressiert am Geschehen über ihnen, an der Pandemie etwa. Die aber hat auch die Fischerei Köllnitz in Storkow im Griff, sagt Thomas Hölzel, geschäftsführender Gesellschafter der Berliner Unternehmensgruppe Artprojekt, der die Fischerei gehört.
"Wenn man sich umschaut, es ist sehr still hier zurzeit", sagt Hölzel. Das tue den Fischen gut. "Den Fischen ist es auch egal, aber die Menschen sind sehr reduziert hier zurzeit." Der Hofladen dürfe noch öffnen und werde gerne aufgesucht. "Da kaufen die Leute aus der Region ihren Fisch."
Vor einem Fachwerkhaus steht ein Schild mit der Aufschrift "Fischereimuseum".
Auch das Fischereimuseum in Köllnitz ist derzeit geschlossen.© Deutschlandradio / Peter Kaiser
Auch an diesem trüben Freitagmorgen ist Kundschaft schon da. "Gucken wir mal, welche Größe der hat", sagt Buhrke und eine Frau antwortet: "Ja, klar … toll". Buhrke weiter: "Der hat zwei Kilo, der andere ist ein bisschen kleiner hier." Die Frau: "Nee, dann nehme ich den hier. Den zwei Kilo." Sie bittet darum, den Fisch auszunehmen. "Die Schwimmblase, die Gallenblase, wäre nicht schlecht. Ansonsten mache ich es selber." Für Buhrke kein Problem.
Forelle, Saibling, wird gern gekauft, sagt eine der Mitarbeiterinnen im Hofladen und schließt den Räucherofen mit dem Fisch. Die Verkäuferin sagt: "Dann nehmen sie auch mal eine Makrele oder einen Aal mit." Die Aale sind bei den Räucherfischen die Haupteinnahmequelle, ist zu erfahren. Daran hat auch die Coronazeit wenig verändert. "Im Gegenteil, Frischfisch wird noch mehr gekauft als vorher", sagt die Verkäuferin.
Der Hofladen läuft, doch das Hotel und das Restaurant, sowie anderes gehe derzeit nicht, sagt Thomas Hölzel. Und das werde noch eine Weile lang so bleiben. "So wie es aussieht, werden wir erst nächstes Jahr wieder öffnen. Denn bis so eine Organisation mit Gastronomie, Küchen, Hotel wieder hochfährt, ist die Zeit schon wieder rum. Das lohnt sich für keinen."

Alles ist sonst geschlossen

Das Fischerei-Hotel mit den neun Zimmern, das Restaurant daneben, dann die Heinz Sielmann-Ausstellungsräume - alles ist zu. Der Heinz Sielmann-Stiftung gehören die Seenkette, sowie das Fischereimuseum. Etwas stiller als sonst wohl geht Buhrke jetzt durch die menschenleeren Räume.
Er sagt: "Das haben die Kollegen vor Jahren halt initiiert als kleines Ausflugsziel, dass man nicht nur die Fischerei hat, sondern auch noch was außen rum. Und man sieht hier unterschiedliche Gerätschaften, die früher in der Fischerei verwendet wurden. Von der Eishacke bis zum Reusenhammer, verschiedene Netzarten, wie eine Reuse aufgebaut sind. Und da hinten so ein bisschen das Leben in der Fischerei, und ein paar ausgestopfte Fische, dass man mal sieht, wie so einer aussieht."

Viele Aale sollen wieder zurück ins Meer

Und die halbe Million Glasaale? Sie sind jetzt schon nicht mehr nur noch sieben Zentimeter lang, sondern vielleicht schon zehn Zentimeter, oder womöglich noch größer. Sie sind zum Essen, wenigstens hier in Europa, ganz außer Gefahr. Anders als in anderen Regionen der Welt. "Besonders die Glasaale sind in Asien eine Spezialität, also da gibt’s Glasaalsuppe", sagt Buhrke.
Doch was passiert mit jenen Aalen, die schon seit Jahren hier im See sind, inzwischen an die drei Kilo wiegen, abwanderungsbereit sind, und die nicht an Silvester gefangen, verkauft und gegessen werden? Buhrke weiß auch darauf eine Antwort: "Spätestens nach 15 Jahren wandern sie als große Aale ab, wenn sie nicht vorher gefangen werden. Wir fangen natürlich nur einen bestimmten Prozentsatz raus von den Mengen, die wir besetzen. Der Sinn des Projektes sei es, dass viele Aale abwandern.
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