Griechenland-Debatte

Pro und Contra Zahlungsaufschub

Die griechische Flagge weht vor einer Kirche.
Ende der Zugeständnisse oder Schuldenschnitt? © Arno Burgi, dpa picture-alliance
Moderation: Anke Schaefer und Christopher Ricke · 05.06.2015
Die Griechen lassen mal wieder anschreiben - das Schuldenproblem ist bis Ende des Monats vertagt. Ist der Zahlungsaufschub gerechtfertigt? Oder muss Europa den Druck erhöhen? Jörg Münchenberg und Volker Finthammer sind da ganz unterschiedlicher Meinung.
Contra: Griechenland muss liefern - ein Kommentar von Jörg Münchenberg (Audio)
Es reicht. Seit Monaten führt die griechische Linksregierung Europa am Nasenring von einer Krisensitzung zur nächsten. Die eigene Ideologie ist wichtiger als das Wohl des Landes. Gut sechs Monate nach der Machtübernahme ist die Lernbereitschaft der Politikanfänger von Syriza gleich null, auch wenn diese Haltung Griechenland wirtschaftlich und politisch zunehmend schadet.

Lesen Sie weiter unten den Pro-Schuldenschnitt-Kommentar von Volker Finthammer

Weil niemand derzeit weiß, ob Griechenland am Ende nicht doch in die Staatspleite rutscht, ziehen sich die dringend benötigten Investoren zurück. Selbst die Tourismusindustrie, eigentlich der große Hoffnungsträger, gerät zunehmend unter Druck. Urlauber sind verunsichert, denn wer reist schon gern in ein Krisenland, das demnächst vor dem finanziellen Kollaps stehen könnte.
Die zwischen extrem links und extrem rechts aufgestellte griechische Regierung ficht das nicht an. In Brüssel wird weiter bis zur letzten Minute und bis zum letzten Cent gepokert. Trotz des Risikos, dass sich Tsipras am Ende gründlich verzockt. Letztlich aber setzt die Regierung auf die Angst der Europäer vor einer drohenden Pleite und einem Ausstieg Griechenlands aus dem Euro.
Europa - erpresst und vorgeführt
Was wiederum ein grandioses Scheitern der europäischen Rettungsphilosophie bedeuten würde. Und eine fatale Niederlage für all die überzeugten Europäer, angefangen von Bundeskanzlerin Angela Merkel über den französischen Präsidenten Francois Hollande bis hin zum Obereuropäer Jean Claude Juncker. Den Makel eines Totengräbers für Europa würden sie wohl nicht mehr los.
Trotzdem hat es Europa nicht verdient, von einer renitenten Regierung eines Mitgliedslandes erpresst und vorgeführt zu werden. Längst sind die internationalen Gläubiger Griechenland weit entgegen gekommen. Die in Aussicht gestellte Korrektur bei den anvisierten Haushaltsüberschüssen ist zwar überfällig, weil die Zahlen zuvor viel zu hoch angesetzt worden sind. Dennoch bekommt die Regierung damit ein Stück weit mehr Gestaltungsspielraum. Angesichts der fatalen Lage und der Abhängigkeit Griechenlands von den internationalen Geldgebern ist dies ein erhebliches Zugeständnis.
Mehr ist gegenwärtig nicht drin. Auch die anderen Krisenstaaten haben sich an die Vereinbarungen gehalten, vielerorts unter größten Entbehrungen und Zumutungen für die eigene Bevölkerung. Griechenland eine Vorzugsbehandlung einzuräumen, hieße, die Büchse der Pandora zu öffnen. Gleichzeitig gilt: eine gemeinsame Währung erfordert Abstimmung, politische Verlässlichkeit und halbwegs ähnliche Wettbewerbsverhältnisse. Athen muss sich jetzt für einen Weg entscheiden – und die Europäer müssen auf ihrem letzten Angebot bestehen.
Pro: Nur ein Schuldenschnitt kann Griechenland helfen - ein Kommentar von Volker Finthammer (Audio)
Es geht hier nicht um die Frage Augen zu und durch, es geht vielmehr grundsätzlich um die Frage, schafft es die europäische Währungsunion als Ganzes zu bestehen, schafft sie es die Instrumentarien zu finden, um diese Krise zu überwinden und Griechenland aus der Notlage zu helfen?
Athen ist mit dem Schuldenberg schlicht überfordert. Alleine wird das Land diese Last niemals Schultern können. Auch ein Austritt aus dem Euro würde die Last nicht wirklich mindern, da der Schuldenberg geradezu explodieren würde und auf den internationalen Finanzmärkten wohl gar kein Vertrauen mehr bestünde. Und der Glaube, die Griechen könnten dann mit billigem Geld und Gütern die Welt erobern und binnen weniger Jahre Ihre Probleme lösen, führt in die Irre.
Dem Land fehlt die produktive Basis, um solch einem Szenario wirklich ernsthaft Glauben schenken zu können. Wenn es eine europäische, eine solidarische Lösung geben soll, dann kommt mittlerweile nur noch ein Weg in Frage: der faktische Schuldenschnitt. Die Gläubiger, also wir, müssen auf einen Großteil der Kredite verzichten, damit Athen den Neuanfang wagen kann.
Solidaritätsprinzip nicht aufgeben
Keine leichte Botschaft, gewiss. Allein Deutschland steht mittlerweile gegenüber Athen mit 80 Mrd. Euro in der Pflicht. Aber auf der anderen Seite müssten die knapp 27 Mrd. Euro, die Athen allein in diesem Jahr an Kreditraten und Zinsen an die internationalen Partner zurückzahlen muss, auch wieder über neue Kredite der internationalen Geldgeber bedient werden.
Ganz nüchtern betrachtet beißt sich da doch die Katze in den Schwanz. Nur mit einem Schuldenschnitt könnte dieser Teufelskreis durchbrochen und in Athen ein Neuanfang gewagt werden. Nur mit einem Schuldenschnitt könnte der fortwährende eigentlich irrsinnige Kreislauf von neuen Krediten und neuen Sparprogrammen durchbrochen werden. Insofern kommt es jetzt darauf an, die politischen Rahmenbedingungen für solch einen Schritt zu legen.
Da geht es eben nicht mehr um die Frage nach den nächsten Schritten der Sparpolitik der Athener Regierung, da geht es ganz grundsätzlich um die Frage, unter welchen politischen und ökonomischen Voraussetzungen soll der Neuanfang gewagt werden und wie können sich die europäischen Partner an den dazu notwenigen Schritten beteiligen?
Dahinter verbirgt sich ein Kernproblem. Auch die Syriza Regierung schaut viel zu stark darauf, was die anderen für das Land tun können, anstatt der Frage nachzugehen, wie sich das Land selbst neu erfinden und die Grundlagen für einen Neuanfang legen will? Wenn die Regierung in Athen da ernsthafte Bemühungen erkennen ließe, wäre das mit der europäischen Solidarität auch kein Problem. Verloren ist das Geld ja ohnehin. Die europäische Gemeinschaftswährung kann jedoch nur überstehen, wenn das Prinzip der Solidarität nicht aufgegeben wird.
Mehr zum Thema