Grenzgänger an der Klarinette

Von Jonathan Scheiner · 30.09.2011
Das Werk des 30-Jährigen umspannt nicht nur die Musik der osteuropäischen Juden, sondern auch Mozart und Gesualdo. Für seine Grenzgänge hat David Orlowsky bereits 2007 den renommierten Echo-Klassikpreis erhalten, jetzt bekommt er ihn wieder.
Preise und Auszeichnungen für Klezmer-Musiker sind selten. Das gilt selbst für die berühmteste aller Klezmerbands, für die Klezmatics. Die amerikanische Band hat 2007 einen Grammy gewonnen. Doch sie hat den Musikpreis dafür erhalten, weil sie die politischen Balladen Woody Guthries gespielt hat - und nicht etwa Klezmer. Ähnlich ist es auch bei David Orlowsky. Der 1981 in Tübingen geborene Klarinettist hat 2007 den renommierten Echo-Klassikpreis erhalten - aber nicht etwa als bester Klezmer-Interpret. Dem 30-Jährigen wurde die Auszeichnung vielmehr in der Kategorie "Klassik ohne Grenzen" überreicht. Dabei klingt seine Klarinette unüberhörbar nach Klezmer.

Der Klezmer wurde David Orlowsky nicht in die Wiege gelegt. Er war Schlagzeuger, als ihn seine Mutter als 15-Jährigen zu einem Konzert von Giora Feidman mitgeschleppt hat. Eigentlich wollte er nicht mitkommen, aber dieses Konzert hat sein Leben verändert.

"Giora Feidman war so ein bisschen der Anfang für mich. Durch ihn bin ich inspiriert worden. Ich wär sonst gar nicht auf die Idee gekommen, Klarinette zu spielen. Der persönliche Kontakt ist entstanden, weil ich bei einem Workshop war. Und da hat er mich, na sagen wir mal, entdeckt. Er hat mich auf die Bühne geholt und mich sozusagen präsentiert. Und mir unter die Arme gegriffen. Es war aber nie eine Schüler-Lehrerbeziehung. Er war eher so etwas wie mein Mentor.

Musikalischer Vater kann man schon sagen. Ich komm von ihm. Er hat mich ganz ursprünglich inspiriert. Ich denke, man hört das bis heute. Ich habe durch ihn erfahren, dass man so Klarinette spielen kann, dass man so viel ausdrücken kann auf der Klarinette. Deswegen denke ich, dass das bis heute hörbar ist in meiner Art zu spielen, auch wenn da noch viele andere Inspirationen dazugekommen sind."

Ein simpler Feidman-Adept ist aus David Orlowsky nicht geworden, schon deshalb, weil er ein Jahr lang an der renommierten Manhattan School of Music bei Charles Neidich studiert hat. Von diesem Meister an der Klarinette sagt Orlowsky, ihm habe er noch einmal weitere 30 Prozent zu verdanken. Sein Repertoire hat Orlowsky inzwischen deutlich erweitert. Seine Band heißt nicht mehr David Orlowskys Klezmorim, sondern nennt sich jetzt schlicht Trio und spielt so genannte Kammerweltmusik.

"Das ist so ein Begriff, weil immer wieder Leute anscheinend das Bedürfnis haben, irgendein ein Label, irgendeine Schublade zu haben und wir haben dann überlegt, was könnte das sein. Und unsere beiden Kernteile der Musik sind nun mal, dass wir funktionieren wie ein Kammermusikensemble, fast wie ein Streichensemble, das ist alles sehr gleichberechtigt.

Kammermusik macht einfach klar, dass es eine komplexe Art von Musik ist, das ist eine ernste Musik, das ist keine Partymusik. Der andere Teil, die Weltmusik, ist eben, viele Melodien und viele Rhythmen kommen natürlich aus allen möglich Kulturen der Welt."

Darüber hinaus wagt Orlowsky Grenzgänge mit dem Vogler Quartett, mit dem der Klarinettist jüngst Mozart und Osvaldo Golijov eingespielt hat. Und seinen zweiten Echo-Preis in der Kategorie "Klassik ohne Grenzen" bekommt der Musiker für seine Zusammenarbeit mit dem Vocal-Ensemble Singer Pur. So, wie da Gesualdo und Palestrina gespielt wird, sind die beiden Renaissance-Komponisten noch nie gespielt worden.

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