Götz Aly zur Diskussion um Denkmäler

„Wir würden unsere Geschichte reinigen“

08:34 Minuten
Ein großes Denkmal aus Backsteinen in Form eines Elefanten.
Ein Elefant im Laufe der Zeit: Das ehemalige Kolonialdenkmal in Bremen wurde 1989 zum Antikolonialdenkmal umgewidmet. © Picture Alliance / dpa / Klaus Nowottnick
Götz Aly im Gespräch mit Nicole Dittmer · 15.06.2020
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Der Historiker Götz Aly zeigt sich zurückhaltend, wenn es um die Tilgung kolonialer Denkmäler geht. Er rät zu Verfremdung und Ergänzung. Denn im Stürzen von Statuen liege die Gefahr, dass wir uns für diejenigen hielten, die alles besser wüssten.
Durch die Bewegung #BlackLivesMatter hat eine kritische Debatte zum Umgang mit Denkmälern Fahrt aufgenommen, sagt der Historiker und Politikwissenschaftler Götz Aly. Wie soll mit Denkmälern umgegangen werden, die positiv an die Kolonialgeschichte erinnern? Aus seiner Sicht gehe es aber nicht darum, diese Denkmäler zu beseitigen, sondern die Geschichte dahinter zu erzählen. Dafür sei es notwendig, dass sie "als Stein des Anstoßes" erhalten blieben – dass sie daber aber verfremdet, ergänzt und erklärt würden.

Grausame Kolonialgeschichte

Seine Zurückhaltung beziehe sich darauf, dass mit der Beseitigung von Denkmälern die Geschichte gereinigt würde, sagt der Historiker. "Damit wäre diese Geschichte weg." Besser sei ein anderer Umgang damit: Beispielsweise sei das martialische Kriegerdenkmal in Hamburg – "sehr nationalistisch, nazistisch kann man sagen" – durch den Künstler Alfred Hrdlicka ergänzt und verändert worden. "Das halte ich für einen Weg."
"Die Gefahr liegt auch darin, dass wir uns für diejenigen halten, die es am besten wüssten. Die in der Lage sind, über Geschichte zu urteilen und zu sagen, was gut und was schlecht ist. Wir machen uns nicht klar, wie Menschen in hundert Jahren über uns reden würden."
Er beschäftige sich mit neben dem Nationalsozialismus auch mit kolonialer Geschichte, sagt Aly. Auch er sei überrascht, "wie grausam das zum Teil war". "Die Kolonialzeit war nicht harmlos. Das muss man ganz klar sagen. Auch wenn sie wie im deutschen Fall relativ kurz war."
Der Historiker und Politikwissenschaftler Götz Aly, aufgenommen am 29.11.2017 in Berlin.
Der Historiker und Politikwissenschaftler Götz Aly© picture alliance / dpa / Sophia Kembowski
In Deutschland müsse man bei der Auseinandersetzung um diese Geschichte weniger um das Stürzen von Denkmälern diskutieren – der deutsche Kolonialismus zeige sich vielmehr in Straßennamen. Allerdings sei dieser Ursprung, etwa bei der Afrikanischen Straße in Berlin, kaum noch bekannt, so Aly.

Betrachtung von Persönlichkeiten

Auch bei Fällen von antisemitischen Denkmälern oder Reliefs an Kirchen spricht sich der Publizist dafür aus, diese zu erhalten und mit einem Kommentar zu versehen: "Ich würde das auf keinen Fall wegreißen", sagt er. "Das ist unsere Geschichte. Indem wir das wegtun, vernichten wir die Vergangenheit, dadurch machen wir sie weniger erklärbar. Unsere Nachgeborenen wissen nicht mehr, dass es das gab. Sie sollen es aber wissen."
Man müsse klarmachen, dass historische Persönlichkeiten sowohl gute wie schlechte Seiten gehabt hätten – wie die Menschen heutzutage auch. Es gebe eben Widersprüche. Dass ein Winston-Churchill-Denkmal in London geschützt werden müsse, habe schon fast etwas tragisches. Churchill sei doch nicht nur als Kolonialist erklärbar.
(rzr)
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