Glück auf Reisen

Von Stefan Keim · 26.08.2013
Extreme elektronische Klänge sind eine Leidenschaft des japanischen Musikers und Künstlers Ryoji Ikeda. Seine Arbeiten sind auf der ganzen Welt zu sehen, in New York, Sydney und Paris. Bei der Ruhrtriennale hat Ikeda gerade eine Aufsehen erregende Installation geschaffen: "Test pattern" heißt sie.
Hundert Meter lang ist die Fläche in der Duisburger Kraftzentrale. Schwarzweiße Strichcodes, Rechtecke und andere geometrische Formen flackern darüber, meistens in einem rasanten Tempo. Die Fläche ist begehbar, die Besucher müssen sich die Schuhe ausziehen. Einige gehen, andere laufen und tanzen, manche sitzen oder liegen. "test pattern" heißt die Installation des japanischen Künstlers Ryoji Ikeda. Er selbst ist bei der Eröffnung im Rahmen der Ruhrtriennale nicht zu sehen.

Die einleitenden Worte draußen vor der Tür hat Intendant Heiner Goebbels gesprochen. Erst ganz am Schluss fragt Goebbels, ob Ryoji Ikeda noch etwas ergänzen wolle. Eine kurze Pause entsteht. Dann springt ein schmaler, kleiner Mann nach vorn. Er hatte sich ganz hinten verborgen. Applaus brandet auf, der ist ihm sichtbar peinlich. Nein, nein, sagt Ikeda auf englisch, während er sein Mikrofon so weit weg vom Mund hält wie nur irgend möglich. Er habe nichts zu ergänzen, er wolle sich nur bedanken und hofft, dass alle seine Installation genießen. Schon ist er wieder verschwunden.

Ikeda lebt für seine Kunst. Über sich selbst spricht er nicht gern. Bei der Pressebesichtigung seiner Installation ist er überhaupt nicht da. Das ist keine Arroganz. Er möchte nur nicht auf viele kluge Fragen keine Antworten geben. Ikeda will nicht unhöflich sein. Aber seine Kunst erklärt er nicht. Es gibt keine allgemein gültigen Antworten, sagt Ikeda. Wenn man eine bestimmte Idee hat, dann ist es die Antwort. Aber nur für einen selbst. Der 47-Jährige sitzt auf einer Bank mit Blick auf die Kraftzentrale. Seine Musik ist leise von drinnen zu hören. Kunst bedeutet für ihn Freiheit. Niemand wird genötigt, sich auf die Projektionsfläche zu stellen. Die Besucher können auch auf einen Balkon gehen und von dort aus zuschauen.

Ikeda: ""Tonight it´s really nice. Many old people and the kids, not only selected Art people.”"

Ikeda genießt es, dass ein bunt gemischtes Publikum gekommen ist. Nicht nur Kunstfans, sondern ältere Leute und auch Kinder. Seine Installation "test patterns" zeigt er in kleineren Versionen seit fünf Jahren in vielen Ländern. Immer war sie auch eine Familienattraktion, trotz Flackerlicht und lauter Musik. Ikeda lacht bei vielen Fragen. Es wirkt sympathisch, zeigt aber auch, wie scheu er ist. Er antwortet in wenigen, kurzen Sätzen. Stets so viel, dass es nicht unhöflich ist. Ikeda ist ein Fan von Strukturen und mathematischen Regeln. Seine Musik zu "test pattern" wiederholt sich in Loops von zehn Minuten. Was viele gar nicht bemerken.

""It´s very hard to recognize, you know. I think only I know the precise structure.”"

Nur Ikeda selbst kennt die genaue Struktur seiner Musik, so komplex ist sie. Er verehrt Johann Sebastian Bach und kennt sich in der zeitgenössischen Musik bestens aus. Aber eine klassische Ausbildung hat Ikeda nicht.

""I kind of dropped out of school and I didn´t learn anything. And everything is self-tought. I learned everything by myself.”"

Alles hat er sich selbst beigebracht. In diesem Augenblick wirkt der unauffällig schwarz gekleidete Mann selbstbewusst. Dieser Punkt ist ihm wichtig. Ryoji Ikeda ist immer seinen Weg gegangen. Als Mitglied des Performancekollektivs Dumb Type und in seinen eigenen Projekten. Stets macht er viele Dinge parallel, Installationen in Museen, Theaterprojekte, Konzerte als Musiker.

""Artistis can do very different kinds of art at the same time. It is very natural.”"

Ikeda ist ständig unterwegs. Er hat Familie, eine Frau und eine zehnjährige Tochter, beide leben in Paris. Ikeda lebt vielleicht einen Monat pro Jahr zu Hause und sonst auf Reisen.

""I am constantly travelling for the last twenty years.”"

Aber wächst nicht mit 47 Jahren auch eine Sehnsucht danach, ein Zuhause zu haben? Einen Ort, an dem man Ruhe findet? Ikeda lächelt. Er wirkt entspannt.

""Your life can´t be perfect. There is always a good point and a bad point. I have to be happy.”"

Man kann nun mal nicht alles haben. Ikeda hat sich für ein Leben als Künstler entschieden. Und das bedeutet reisen, nach Afrika und Australien, nach Amerika und Europa. Manchmal auch nach Japan. Dort hat er Freunde, die nie ihr Land verlassen.

""All the friends in Japan for example they never went to America, come to Europe. They never travel. And compared to them I am lucky.”"

Ryoji Ikeda scheint kein Künstler zu sein, der an Selbstzweifeln leidet. Er lebt das Leben, das er sich gewünscht und gestaltet hat. Von einem Auftrag fliegt er zum nächsten, und wenn es mal passt und gerade Schulferien sind, kommt die Familie mit. Wie jetzt in Duisburg. Ansonsten macht Ikeda sein Ding. Es ist ihm egal, was Journalisten darüber schreiben oder wie ihn Kuratoren einzuordnen versuchen. Hauptsache, das Publikum hat seine Freude an seiner Kunst.

""I don´t mind, I don´t care about any categorizations. This is it. And the people just enjoy it.”"

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"test pattern" läuft vom 4. bis 15. September täglich von 13 bis 21 Uhr im Landschaftspark Nord Duisburg, Kraftzentrale. Der Eintritt ist frei
www.ruhrtriennale.de
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