Glosse

Der Staat, die Steuer und die Flucht

Anmerkungen von Klaus Pokatzky · 03.02.2014
Von Uli Hoeneß über Theo Sommer bis Alice Schwarzer und André Schmitz: Die Liste der prominenten Missetäter, der Steuer-Straftäter wird immer länger, und die Fragen werden immer grundsätzlicher.
Es ist nichts so fein gesponnen, dass es nicht doch kommt ans Licht der Sonnen. Das war eine der schönen Lebensweisheiten meiner Mutter. Die war Leiterin eines katholischen Kindergartens und hätte nie Steuern hinterzogen und das Geld auf Schweizer Konten gebunkert. Erstens hat das Ruhrbistum Essen zu schlecht bezahlt. Zweitens war meine Mutter die ehrlichste Haut unter Gottes Sonne. Und ziemlich klug war meine Mutter auch. Und nicht nur sie.
Als ich vor mehr als 30 Jahren meine Steuern schlampen ließ – ohne jedes Schweizer Konto – da arbeitete ich bei einer Hamburger Wochenzeitung und irgendwann griff eine der leitenden Damen aus der Personalabteilung des Verlages brutalstmöglich ein und schleppte mich in bitterstem Winter zu einem Steuerberater.
Die resolute Kollegin und ein bitterkalter Winter
Seitdem habe ich mehrere Steuerberater gehabt und seit 15 Jahren einen, der mich hoffentlich bis an mein Lebensende begleiten wird. An all das musste ich denken, als kürzlich mein exzellenter Chefredakteur von damals in Hamburg wegen Steuerhinterziehung zu 19 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Er hat vor Gericht Schusseligkeit geltend gemacht – und ihm nehme ich das sogar ab. Hätte die resolute Kollegin aus der Personalabteilung uns damals doch einfach beide zu dem Steuerberater geschleppt.
Montagmittag habe ich noch meine Witze gemacht, dass der nun offenbar zurücktretende Berliner Kulturstaatssekretär, der mehrere Jahre lang mehr als 400.000 ererbte Euro in seiner Wohnung gehütet hat, das getan hat, damit er vom Herrn Gurlitt eines der von dem in seiner Wohnung gehorteten Bilder kaufen kann.
Der Berliner Politiker ist übrigens Jurist. Er hatte sich, wie zu lesen ist, mit der Staatsanwaltschaft und den Steuerbehörden vor zwei Jahren einvernehmlich geeinigt. So einvernehmlich, wie das auch die berühmte feministische Journalistin getan hat.
Zu sehen ist ein Porträtfoto von Klaus Pokatzky
Der Journalist Klaus Pokatzky© Deutschlandradio
Am Ende des Tages frage ich mich: Wer bringt so etwas jetzt an die Öffentlichkeit? Wer sticht da durch? Für wie viel Geld? Und warum wühlt uns das so auf? Damals, in dem bitteren Winter vor mehr als dreißig Jahren, galt Steuerhinterziehung noch als das berühmte Kavaliersdelikt. Heute ist es ein Verbrechen am Allgemeinwohl. Liegt das nur daran, dass unsere Kommunen so arm sind, dass sie wichtige Kultureinrichtungen schließen müssen – und wir treuen Steuerzahler da außer Rand und Band geraten, wenn jemand seine Euros in ein vermeintlich sicheres Drittland schafft?
Unbeirrte Steuerfahnder, gelangweilte Demokraten
Es ist nichts so fein gesponnen… Und unsere Steuerfahnder zeigen schon lange unbeirrten Mannesmut vor Fürstenthronen. Nach dem bitteren Winter damals kam schließlich die berühmte Parteispendenaffäre, die dieses Land erbeben ließ und die Zunft der Steuersünderjäger in ihrer Identität und ihrem Selbstbewusstsein ganz sicherlich nicht geschwächt hat.
Und gehört zu unserer Identität als gute, stolze Staatsbürger vielleicht inzwischen preußisch-pflichterfüllte Finanzamtstreue – so etwas wie Gesetzespatriotismus? Wollen wir Deutschen da Musterschüler sein: egal, ob es um den Fiskus oder um Doktorarbeiten geht? Vielleicht braucht eine Demokratie ja manchmal auch Karriereopfer aus ihrer obersten Klasse, damit uns bewiesen wird, dass die Demokratie auch wunderbar funktioniert – so langweilig, wie es ansonsten in einer gelungenen Konsensdemokratie zugeht.
Aber auch für die, die jetzt solche längst abgeschlossenen Geschichten an die Medien verhökern und das Honorar dafür hoffentlich korrekt versteuern – auch für die gilt: Es ist nichts so fein gesponnen, dass es nicht doch kommt ans Licht der Sonnen.
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