Aus den Feuilletons

Warum Steuerhinterziehung sexy macht

Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer spricht mit zur Untermalung des Gesagten erhobenen Händen.
Steuerhinterziehung macht sexy, findet die "taz". © picture alliance / dpa / Henning Kaiser
Von Paul Stänner · 03.02.2014
Die TAZ findet Alice Schwarzer dank ihrer Steuerhinterziehung viel männlicher als vorher, während die NZZ Sascha Lobo wegen seiner Naivität für peinlich hält.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG weiß zu berichten, dass ein Koffer mit einer Handschrift und unbekannten Briefen von Hermann Hesse gefunden wurde, was die NZZ insofern für bedeutend hält, als Briefe dem Schriftsteller "ein Podium (boten) für spontane Reflexion über zeitgeschichtliche und literarische Themen wie auch über Schriftstellerkollegen". Wir sind gespannt, was man über die Schriftstellerkollegen lesen kann, aber seit in Cornelius Gurlitts Wohnung über 1000 verschollene Gemälde entdeckt wurden, erstaunen uns solche Glücksfunde kaum noch.
Eher nicht gefunden werden wollte Alice Schwarzer. Die Tageszeitung TAZ widmet ein Erinnerungsstück der Frau, "die zu den ausgewogensten Stimmen in den gesellschaftlichen Debatten zählt". Sie hat im Archiv einige Bemerkungen aufgespürt, in denen Schwarzer über Mia Farrows "zwanghafte Gebär- und Adoptierfreudigkeit" spottet oder über das "Kopftuch als Flagge des islamischen Kreuzzuges" oder über Jörg Kachelmann und sein "absurd rastloses, verlogenes Leben" – letzteres dürfte der Frauenrechtlerin gerade schwer auf die Füße fallen, nachdem ihr gelungen ist, dem ihr verliehenen Bundesverdienstkreuz eine neue Bedeutung zuzumessen. Da freut sich eine Kollegin in der TAZ:
"Seitdem Alice Schwarzer Steuern hinterzogen hat, finde ich sie sexyer als je zuvor. Es ist so männlich, so etwas Gieriges zu machen."
Während Alice Schwarzer gegen ihren Willen gefunden wurde, drängte sich Monika Maron aus freien Stücken in den Vordergrund mit einem Text über den Islam. Die BERLINER ZEITUNG möchte unter der Überschrift "Hauptsache Krawall" mit ihr ins Gericht gehen. Allerdings – wenn Maron sich darüber beschwert, dass es den Muslimen unter allen religiösen Gruppen am besten gelungen sei, Aufmerksamkeit zu erlangen, muss die BERLINER ZEITUNG ihr recht geben:
"Weil der Islam derzeit am meisten Schwierigkeiten macht."
Genau das hat Maron gesagt und so ist nicht klar, warum die BERLINER ZEITUNG versucht, so zu tun, als sei sie anderer Meinung.
In der NZZ findet sich eine Art Nachruf auf Sascha Lobo, den Mann mit dem rotem Irokesenhaarschnitt. Lobo, der sich stets als Internet-Flüsterer inszenierte, hat in einem Buch bekannt, dass das Internet, welches er für ein Instrument der Freiheit gehalten hatte, für das exakte Gegenteil genutzt wird. Nun, das wissen wir alle. Die Zürcher fragt sich, wie man je so naiv gewesen sein konnte und mokiert sich darüber, dass Lobo diese Selbsterkenntnis als eine "digitale Kränkung" empfindet. Der Laienpsychologe der NZZ würde eher "das Gefühl der Peinlichkeit für passend erachten".
Während die NZZ Lobo fallen gelassen hat, hat die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG einen Juristen gefunden, der Verkehrsminister Dobrindt in den Senkel stellt. Michael Stolleis, Emeritus des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte, rätselt, ob mit Dobrindt die "Begeisterung über sich selbst" durchgegangen sei, weil ihm unter allerhand "aufgeschäumten Vokabular" auch folgender Satz unterlaufen war:
"Mobilität ist ein Grundrecht."
Dies, so urteilt der Jurist, sei juristisch Unsinn, dann begründet er ausführlich seine Meinung und rät dem Minister, sich um seine Aufgaben zu kümmern, ohne "seine Tätigkeit nicht auch noch, zum höheren Ruhm seines Amts, als Erfüllung eines Grundrechts aufzubrezeln."
Für die BERLINER ZEITUNG war der ZDF-Zweiteiler "Nicht alles war schlecht" ein gefundenes Fressen. Die Doku "blendet bewusst alles Historische aus, fragt nie danach, warum es dieses seltsame Ländchen überhaupt gab, welche Paradies-Utopien es verhieß und in welchem internationalen Kontext es existierte." Auch seien die Autoren zu unbedacht mit den Spielsituationen umgegangen, von denen die BERLINER ZEITUNG eine nicht gefunden hat, nämlich:
"Wie treffe ich mich heimlich mit meinem Führungsoffizier?"
Und noch eines werden Sie in allen Feuilletons vom Dienstag finden: Einen ausführlichen Nachruf auf Philip Seymour Hoffman, der an Drogen starb. Seit Langem wurde kein Künstler so vermisst wie er.