Glatt erwischt

Von Udo Pollmer |
Sie sind glitschig, aber lecker. Sie werden gezüchtet oder mit Angel oder Reuse gefangen - Aale. Doch dem europäischen Aal geht es gar nicht gut. Er ist bedroht. Nun soll er besser geschützt werden. Bei der Frage nach dem Wie scheiden sich allerdings die Geister.
Der Streit um den optimalen Schutz des Aals hängt mit seinem anspruchsvollen Lebenszyklus zusammen. Die Aallarven schlüpfen in der Sargassosee vor der Küste Floridas. Mit dem Golfstrom erreichen sie nach zwei bis drei Jahren die europäische Küste. Nun wandern sie flussaufwärts und leben etwa zehn Jahre in Flüssen, Seen und Teichen. Wenn sie ausgewachsen und schön fett sind, schwimmen sie die 6.000 Kilometer zu ihrem Geburtsort wieder zurück. Dort laichen sie und sterben.

Nur wenige kommen an der Biskaya vorbei
Nun fordern Naturschutzorganisationen, den Handel mit Aalen zu verbieten. Wenn keine Aale mehr gefangen werden, bleibt die Natur im Gleichgewicht. Denn Aale werden nicht nur von Anglern aus den Gewässern geholt, bereits bei ihrer Ankunft an den Küsten Europas werden viele kleine Glasaale abgefangen - die meisten von ihnen in der Biskaya. Einige landen in der Pfanne, mehr jedoch in der Aquakultur.

Vielen Naturschützern ist die Aquakultur ebenfalls ein Dorn im Auge, weil Aale als Raubfische selbstredend mit Fischmehl gefüttert werden. Und dafür müssen nochmal Fische ihr Leben lassen. Doch das Argument ist unaufrichtig. Denn auch in freier Wildbahn pflegen Aale zu fressen: nicht nur Fisch - auch Fischlaich. In der Natur wächst der Aal langsamer als in der Aquakultur; in freier Wildbahn braucht er viel mehr Futter und viele Aale sterben, bevor sie ihre Reise in die Sargassosee antreten können. In der Aquakultur überleben 95 Prozent der Tiere. Wer die Aalmast verbietet, schützt weder Aal noch Umwelt.

Die Tatsache, dass die Aale weniger werden, hat herzlich wenig mit fleißigen Anglern zu tun. Der Grund ist ein ganz anderer: die Umweltpolitik. Die meisten Aale werden von den Turbinen der Wasserkraftwerke zerhäckselt. Flussaufwärts flutschen die kleinen Fischlein noch durch. Aber wenn sie ausgewachsen sind und die meterlangen Räuber die Rückreise ins Meer antreten, dann schlagen die Turbinenflügel zu.

Aus der Schweiz kommen genaue Daten: Pro Turbine werden jeweils 30 Prozent der Tiere gehäckselt. Von den Aalen, die in der Schweiz losschwimmen, sind bereits 93 Prozent durch Gewinnung umweltfreundlicher Energie zerstückelt, bevor sie die Landesgrenze am Bodensee erreicht haben. Den dürftigen Rest erledigen dann die deutschen Kraftwerke - zehn Stück an der Zahl. Experten gehen davon aus, dass nicht ein einziger eidgenössischer Aal die offene See erreicht.

Tod neben der Fischtreppe
Besonders ärgerlich sind die Subventionen für Miniturbinen. Über 7.000 solcher Kleinstanlagen stehen in Deutschland - die dort produzierte Energie ist meist völlig bedeutungslos. Bei Großkraftwerken wird manchmal ein Teil der Aale gefangen, in Tankwagen verfrachtet, an den Turbinen und Wehren vorbeigefahren und dann wieder in den Fluss gepumpt. Andere bauen Fischtreppen. So manch eine wirkt wie ein Präsentierteller, an dem sich die Kormorane bedienen. Flussabwärts nutzt kein Aal die Treppe. Um Kraft zu sparen, schwimmt er dort, wo die Strömung am stärksten ist - und die führt stets direkt in die Turbine.

Um dem Niedergang zu begegnen, setzen Fischereivereine Millionen Aale in ihren Gewässern aus. Das Gesetz schreibt vor, dass sechs von zehn Glasaalen andernorts die Gewässer bereichern sollen. Dann werden sie von Portugal nach Schleswig-Holstein oder an die Havel verfrachtet - in der Hoffnung, die Tiere wissen schon wie der Hase läuft, und im reifen Alter finden sie ihren Geburtsort auch ohne Seekarte. Weitere Aale werden in Aquakultur unter optimalen Bedingungen hochgepäppelt. Eines schönen Tages müssen sie die beschützende Werkstätte verlassen und werden ebenfalls in einem geeigneten Gewässer ausgesetzt.

Eine Studie des von-Thünen-Institutes weckt allerdings Zweifel an dem gutgemeinten Konzept. Die in der Aquakultur verwöhnten Viecher haben offenbar in der Natur wenig Jagdglück und bleiben schlank. Dann reichen ihnen die Kräfte nicht mehr für die weite Reise in die Karibik. Die Meeresforscher befürchten, dass diese Aale schon lange vor dem Ziel absaufen. Man hätte sie wohl besser gemästet, geräuchert und verspeist. Mahlzeit!



Literatur
- Fort T: The Book of Eels. HarperCollins, London 2002
- Marohn L et al: Implications of facultative catadromy in Anguilla anguilla. Does individual migratory behaviour influence eel spawner quality? Journal of Sea Research 2013; 77: 100-106
- Anon: Aal: Der blanke Genuss? Fair-fish Info 2012; Nr. 38: S.3
- Leuner E et al: Die Situation des Europäischen Aals (Anguilla anguilla) in Bayern. LfL, Freising 2013
- Europäische Kommission: Verordnung (EG) Nr. 1100/2007 des Rates vom 18. September 2007 mit - Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Bestands des Europäischen Aals. Amtsblatt der Europäischen Union L 248/17
- Tsukamoto K et al: Do all freshwater eels migrate? Nature 1998; 396: 635
Gläser C: Aale aus dem Main fahren mit dem Taxi zum Rhein. Die Welt 11. Feb. 2013


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