Gilles Clément / Vincent Gravé: "Ein großer Garten"

Das Leben erfindet immer etwas Neues

Buchcover Gilles Clément/Vincent Gravé: Ein großer Garten
Was im Laufe eines Gartenjahres passiert, erklären Gilles Clément und Vincent Gravé. © Prestel Velag / Imago/Chromorange
Von Sylvia Schwab · 08.05.2018
Zwei Meister ihres Fachs - der Landschaftsgärtner Gilles Clément und der Zeichner Vincent Gravé - haben sich zusammengetan: "Ein großer Garten" ist eine Art Wimmelbuch, das kleine und große Gärtner durch das Jahr führt.
Dieses Buch vorzustellen, ohne es zeigen zu können, ist nicht leicht. Denn es ist in seiner Vielfalt sozusagen unbeschreiblich und beweist damit aufs Allerschönste, was Bilderbücher zu leisten imstande sind!
30 mal 42 cm groß ist "Ein großer Garten" – ein Riesenbilderbuch im Querformat. Es erzählt auf einer Doppelseite pro Monat, mit dem Mai beginnend, den Jahresablauf in einem Garten. Links haben wir in zarten Lettern den Text, jedem Monat ist zugleich ein eigenes Thema zugeordnet. Typische Gartenthemen sind dabei wie die Früchte, der Boden, die Insekten, die Pilze oder die Blumen. Aber auch "Randthemen" wie die Winterspiele, die Eisschmelze oder die Ostereier. Auf der rechten Buchseite prangen und drängen jeweils die Illustrationen in bunten, üppigen Wimmelbildern. Im Zentrum jedoch, im September, ist in unzähligen Varianten, Farben und Haltungen der König des Gartens zu sehen: der Gärtner.
Wer ein stringent informierendes Sachbilderbuch für Kinder erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Gerade der September mit dem Thema "Der Gärtner" macht das deutlich. Er bietet als Text – passend zu den über 300 kleinen, bunten Gärtner-Figürchen – eine Liste mit all den Dingen an, die ein Gärtner tun kann – wie jeder andere Mensch auch. "Einen Strohhut tragen" z.B. Nur in einer Hinsicht ist er einmalig: "…. er ist der Einzige, der gärtnert!" Das ist ebenso einfach wie genial!

Kreativ und witzig

Völlig unterschiedlich gehen die zwölf Monatstexte ihr je eigenes Thema an. Im Mai wird der Nutzgarten kulturhistorisch eingeordnet, im Juni wird erklärt, was "gärtnern" heißt ("… zu verstehen, was passiert, und auf das zu reagieren, was nicht vorhersehbar war). Im Dezember wird der Winter in poetische Bilder verpackt und im Januar mit der Eisschmelze über den Klimawandel reflektiert. Themen und Perspektive, Anspruch und Sprache verändern sich von Seite zu Seite – wie der Garten im Jahresverlauf. Und am Ende jedes Textes weisen kurze, zart-bunt gedruckte Fragen auf die Bilder-Seite hin. Sie motivieren den kleinen oder großen Leser und Betrachter, eine Figur zu suchen oder einen Zusammenhang zu entdecken.
So kreativ und quirlig wie die Texte sind auch die Bilder. Pflanzen und Beete, Tiere und Figuren kommen mal üppig, dann wieder reduziert daher, mal witzig-modern und dann wieder exakt wie auf einem barocken Stich. Vincent Gravé liebt die exotischen Formen und den surrealen Blick, taucht seine Wimmelbilder in zarte Farben, lädt sie auf mit Bildern im Bild, spaßigen Einfällen und immer wiederkehrenden Figuren. Naiv und exotisch zugleich entziehen sie sich jeder Einordnung.

Ein Buch zum Staunen

Was ist das nun für ein Bilderbuch, fragt man sich ein wenig verunsichert. Weil es in keine Schublade passt – nicht nur wegen seiner Größe! Die Antwort: Ein Sach- und Geschichtenbuch, ein Wimmel- und Rätselbuch! Ein Bilderbuch über den Garten und den Gärtner, über den Menschen und seine Welt. Biologisch, assoziativ, komisch, philosophisch und vor allem sehr kreativ – zum Staunen!

Gilles Clément/Vincent Gravé: Ein großer Garten
Aus dem Französischen von Katharina Knüppel
Prestel Velag 2018
32 Seiten, 25 Euro, ab 6 Jahren

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