Gewalt gegen Frauen im Internet

"Es geht fast immer unter die Gürtellinie"

07:45 Minuten
Eine Frau sitzt an einem Laptop.
Frauenfeindliche Straftaten - auch im Internet - sollen nach dem Willen von Ministerin Dorothee Bär künftig gezielt erfasst werden. © Unsplash / Christin Hume
Josephine Ballon im Gespräch mit Nicole Dittmer · 16.02.2021
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Staatsministerin Dorothee Bär fordert, Hass und Gewalt gegen Frauen gesondert zu erfassen und gezielt zu bekämpfen. Tatsächlich würden Frauen im Internet heftiger und herabwürdigender attackiert als Männer, sagt die Juristin Josephine Ballon.
Gewalt gegen Frauen nimmt zu. So jedenfalls der Eindruck vieler Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen. Vor allem im Internet werden Beschimpfungen, Diskriminierungen und Drohungen immer radikaler. In der Kriminalstatistik wird frauenfeindliche Gewalt aber meist nur allgemein als "Online-Hass", "Partnerschaftsgewalt" oder "Stalking" geführt.
Dorothee Bär (CSU), die Digitalstaatsministerin der Bundesregierung will das ändern. Sie fordert, dass frauenfeindliche Straftaten künftig gesondert erfasst werden, damit man dem Problem auch angemessen begegnen könne. Die Juristin Josephine Ballon von der Initiative HateAid, die Betroffene von digitaler Gewalt berät und unterstützt, hielte diesen Schritt für sinnvoll.

Offizielle Zahlen fehlen

Anhand der Anfragen in ihrer Beratungsstelle zeichne sich deutlich ab, dass Frauen von Hassbotschaften, Beleidigungen und Drohungen im Internet stärker betroffen seien als Männer. Allerdings ließe sich das kaum anhand valider Daten belegen.
Es erschwere die Arbeit der Initiative, "dass wir keine offiziellen Zahlen von den Strafverfolgungsbehörden zur Betroffenheit von Frauen haben", so Ballon.
Auch bei der Qualität der Angriffe zeigten sich geschlechtsspezifische Unterschiede. Frauen würden häufiger als Männer mit Bezug auf ihr Geschlecht oder ihr Aussehen angegriffen, sagt Ballon: "Es geht nahezu immer unter die Gürtellinie, und das erleben Männer in dieser Form nicht."
30 Prozent der Frauen, die bei ihnen Rat suchten, würden allein wegen ihres Geschlechts angefeindet, fünf Prozent erhielten sogar Vergewaltigungsdrohungen.
Die Initiative habe den Eindruck, dass Hass und Gewalt im Netz insgesamt zunähmen, da sie immer mehr Anfragen erhalte. Einen Faktor, der diese Entwicklung begünstige, vermutet Ballon auch in der Pandemie: Viele Leute seien derzeit mehr online unterwegs, und das Internet sei "viel wichtiger geworden für die soziale Teilhabe". Im Übrigen habe sich in der Corona-Debatte ein rauer Ton "bis hin zu handfesten Bedrohungen entwickelt."

Strafverfolgung unzureichend

Bisher gebe es im Internet "viel zu wenig Strafverfolgung", um dem Problem beizukommen, meint Josephine Ballon. Die schlimmste Konsequenz, die Menschen befürchten müssten, wenn sie Hass- und Droh-Nachrichten verfassten, sei, dass Inhalte gelöscht werden. Auch die Social Media Plattformen sollten mehr in die Pflicht genommen werden.
Gewalt im Netz habe durchaus reale Auswirkungen betont die Juristin: Viele Betroffene litten unter psychischen und physischen Beeinträchtigungen. Wenn Angreifer persönliche Daten von ihnen veröffentlichten wie den Namen der Arbeitsstelle oder sogar ihre private Anschrift, müssten sie zudem befürchten, "dass vielleicht nicht die Person, die es selbst veröffentlicht hat, aber irgendjemand anders sich berufen fühlt, auch zu handeln".
In der Folge werde auch die politische Kultur geschädigt, sagt Ballon: Immer mehr Menschen zögen sich aus dem öffentlichen Diskurs zurück, "aus Angst davor, von Hass und Hetze im Internet betroffen zu sein".
(fka)
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